Die Gewissensfrage

4,00 Stern(e) 1 Stimme

Buffy

Mitglied
Die Gewissensfrage
© 2004 by Katharina Wegeleben

Samantha, Sam genannt, knallte den Telefonhörer auf den Apparat.
Erschöpft lehnte sie sich gegen die Wand. Sie zitterte. Spürte das rasende Herzklopfen, ihre Kurzatmigkeit. Die aufkommende Panikattacke registrierte sie mit der Angst vor der Angst.
„Oh mein Gott“, flehte sie, „bitte nicht jetzt.“
Mühsam zwang sie sich, den Barschrank zu erreichen. Sie goss sich ein großes Glas Cognac ein und griff nach den Zigaretten. Der Weg zum Sofa erschien ihr endlos. Erschöpft sank sie in die Polster und achtete darauf, den Cognac nicht zu verschütten. Sie trank das halbe Glas leer, als ob es Wasser wäre. Spürte die Wärme des Alkohols. Mit zitternden Händen zündete sie eine Zigarette an. Zog wie eine Ertrinkende den Rauch tief in ihre Lungen.
„Verdammt! Bin ich ihm etwa hörig? Oh mein Gott“, murmelte sie und nahm erneut einen großen Schluck.
Das Zittern hörte nicht auf. Beunruhigt erhob sie sich. Sie spürte die innere Kälte. Den Schweißausbruch. Die Angst. Sie füllte ihr Glas erneut, zündete die nächste Zigarette an und wanderte unruhig durch die leere Wohnung. Vor dem Garderobenspiegel blieb sie entsetzt stehen.
Ihre Haare waren blutverschmiert. Im Gesicht Spuren von getrocknetem Blut. Um die Augen erste Blutergüsse. Jetzt spürte sie auch die Schmerzen. Hastig trank sie an dem Cognac, zog an der Zigarette. Ekel vor sich selbst stieg in ihr hoch. „Du verdammter Mistkerl“, zischte sie dem Spiegel zu. „Du Dreckstück von einem Mann. Samantha, warum lässt du es immer und immer wieder zu, dass er dich verprügelt? Der Kerl ist keinen Pfifferling wert. Schieß ihn ab. Jage ihn zum Teufel.“ Doch die mitleiderregende Gestalt im Spiegel antwortete ihr nicht.
Samantha wandte sich angeekelt ab und suchte auf dem Teppichboden nach den Blutspuren. Wo hatte sich diesmal das Drama abgespielt? Sie konnte sich nicht erinnern. Wie immer! Totaler black out!
Sam fand die Spur. Sie verlief vom Schlafzimmer, durch den Flur, ins Wohnzimmer. Unter dem Couchtisch war die angetrocknete Blutlache. Hier war sie wahrscheinlich ohnmächtig zusammengebrochen. Fassungslos starrte sie auf den Fleck. Schüttelte resigniert den Kopf und trank das Glas auf einen Zug leer. Wieder füllte sie es bis zum Rand, drückte die alte Zigarette aus, griff nach einer Neuen und zündete sie an. Langsam begann der Alkohol zu wirken.
Sie wurde ruhiger. „Ich muss überlegen! Eine Entscheidung treffen! Mein Leben ändern!“
Innbrünstig wiederholte sie diese Sätze wie ein Mantra, während sie durch die leere Wohnung wanderte. Die Leere der Wohnung, die Leere in ihrem Herzen taten mehr weh, als ihre geschundenen Glieder. Kurz durchzuckte sie der Gedanke, unter die Dusche zu gehen. Sich die Haare zu waschen. Doch soviel Seife gab es gar nicht, um den Ekel vor sich selbst loszuwerden. Sie ließ den Gedanken so schnell fallen, wie er gekommen war. Die Schmerzen nahmen zu. Vorsichtig ging sie zum Schaukelstuhl, der am Fenster stand, stellte das Glas auf dem Beistelltisch ab und starrte durch die Gardine auf die belebte Straße.
Ihre Wohnung lag in der Innenstadt. Hochparterre. Sie schaute mit totem Blick auf das pulsierende Leben. Auf die Straßenbahnhaltestelle. Die wartenden Menschen. Auf die Passanten, die mit ihren Einkaufstüten die Bürgersteige entlang eilten. Den regen Autoverkehr. In lachende Kindergesichter, die aus der naheliegenden Schule kamen.
All das sah sie, aber es berührte sie nicht. Sie war gefangen in einem Vakuum der Ungläubigkeit, konnte sich nicht begreifen, das Leben nicht verstehen.
Sie dachte an das Telefonat. Der Scheißkerl hatte doch tatsächlich gefragt, ob er nach Hause kommen dürfte. Und sie? Mit zitternder Stimme hatte sie... Ja... Bitte... gesagt.
Dr. Samantha Kordan, weltweit anerkannte Spezialistin auf dem Gebiet der Psychologie und Psychiatrie. Sie selbst hatte in Barclay, Verona und Wien studiert. Ein zartes Persönchen von dreiundvierzig Jahren und den unschuldigen, neugierigen Augen eines Kindes. Seit ihrer Heirat mit Dr. Werner Kordan wurde Köln ihre Wahlheimat. Es war Liebe auf den ersten Blick. Als Samantha Werner das erste mal auf einer Tagung in Genf sah, war es um sie geschehen. Buchstäblich! Da stand ihr Traummann. Etwa einmeterfünfundneunzig groß, vielleicht 70 bis 75 Kilogramm schwer und mit einem leicht spöttischen, aber unwiderstehlichen Lächeln. Sie bemerkte, dass er sie durch seine modische Brille abschätzend musterte. Vier Wochen später waren sie verheiratet. Sam konnte es nicht glauben. Er hatte sich für ihre Einmetersechzig und Zweiundfünfzig Kilo entschieden. Sie gab kurzerhand den Job in Genf auf, packte ihre Siebensachen und zog in seine Eigentumswohnung in der Nähe des Universitätsgeländes. Das war vor 12 Jahren. Was Samantha damals nicht wissen konnte, war Werners irrationale Eifersucht, sein verbissener Ehrgeiz und sein ausgeprägter Narzissmus.
Die erste Ohrfeige bekam sie bereits in den Flitterwochen. Werner beherrschte außer Latein und etwas Englisch keine Fremdsprachen.
Sam dagegen sprach und schrieb fünf Sprachen fast perfekt. Ihre Hochzeitsreise führte sie nach Südfrankreich. Für Sam war es selbstverständlich, dass sie ihre Sprachkenntnisse einsetzte. Werner, der nichts verstand, unterstellte ihr jedoch, sie würde mit jedem Mann flirten. Es kam zum Streit und ehe Sam auch nur reagieren konnte, hatte ihr Mann sie im Restaurant, in der Öffentlichkeit also, geohrfeigt. Für Samantha brach eine Welt zusammen. Sie fühlte sich gedemütigt, und ihr erster Impuls war: sofortige Trennung. Gefühllos, eisige Kälte spürend, stand sie ruhig auf und verließ hocherhobenen Hauptes das Restaurant. Im Aufzug, der sie zu ihrer Etage brachte, bereute sie ihr Verhalten schon. In der Hochzeitssuite war sie bereit, Werner zu verzeihen.
Mit diesem Verzeihen begann Samanthas Leidensweg!
Werners Übergriffe nahmen zu. Die Abstände wurden kürzer, ihre Angst, er könnte sie verlassen, immer größer.
Irgendwann hörte Samantha auf, die Narben zu zählen, sie vergaß die unzähligen Krankenhausaufenthalte, die gebrochenen Knochen. Je mehr man ihr riet, dem Zustand ein Ende zu setzen, desto mehr verteidigte sie Werners Verhalten. Sie erkannte ihre Irrationalität, die Abhängigkeit, die Selbstzerstörung, wissend, dem Teufelskreis nicht zu entkommen zu können. Oder zu wollen...?
Jetzt forschten beide am Klinikum der Universität Köln, in der Abteilung für experimentelle Psychiatrie. Obwohl sie andere Themenschwerpunkte behandelten, war es unvermeidlich, dass sie sich täglich auf dem Unigelände sahen.
Jedes Mal verspürte sie schmerzhaft seine unwiderstehliche Anziehungskraft, die ihr Mann immer noch auf sie ausstrahlte. Aber auch die Angst, die ihr die Luft zum Atmen nahm.
Samantha blickte auf die Flasche Cognac, sie war leer, so leer wie sie selbst. Vorsichtig erhob sie sich. Ging unsicher in die Küche und holte aus dem Kühlschrank eine Flasche Champagner. Sie wusste, dass Werner es hasste, wenn sie schlecht gelaunt war. So wie er es hasste, wenn sie nicht auf ihr Aussehen achtete. Sam öffnete die Flasche, nahm ein Wasserglas und füllte es fast bis zum Rand. Sie trank einen Schluck und schüttelte sich. Zwei Aspirin und zwei Beruhigungstabletten müssten genügen, dachte sie und ging mit dem Glas ins Badezimmer. Nachdem sie die Tabletten eingenommen hatte, natürlich mit dem Champagner, entledigte sie sich ihrer Kleidung. Dabei vermied sie den Blick in den Spiegel. Vorsichtig stieg sie unter die Dusche. Das warme Wasser tat ihr weh. „Verdammt! Das sind doch mehr Blutergüsse als ich dachte. Gott sei Dank! Diesmal nichts gebrochen“.
Sie verbrachte fast zwei Stunden im Bad. Danach sah sie fast wie neu aus, obwohl die Veilchen sich trotz sorgfältigem Make up nicht ganz retuschieren ließen. Sam besaß mehrere Brillen mit getönten Gläsern. Sie würde eine passende finden, um auch diese Spuren zu verdecken. So, wie sie ihre Garderobe wählte. Kein blauer Fleck war sichtbar. Werner würde zufrieden sein.
Die Tabletten und der Alkohol hatten geholfen. Ihre Schmerzen waren erträglich.
Samantha ging zum Telefon und wählte die Nummer ihres Lieblingsrestaurants. Dort bestellte sie zwei erlesene Menus für Zwanzig Uhr. Sie sollten ins Haus geliefert werden. Für sich Fisch, für Werner Fleisch. Appetit hatte sie keinen, aber Fisch war leicht verdaulich. Ein paar Bissen davon ließen sich bestimmt herunter würgen. Sie ging in die Küche, füllte ihr Glas erneut und trank in kleinen Schlucken. Jetzt würde sie den Tisch für das gemeinsame Diner festlich decken. So wie Werner es liebte. Kerzen, Silber und einen gepflegten Wein. Sie holte einen 92er Bordeaux, Château Lafite Rotschild, entkorkte die Flaschen und füllte den Wein in eine Kristallkaraffe, damit er atmen konnte. Zur Versöhnung würde Werner wie immer rote Rosen mitbringen. Sie holte die passende Vase, stellte sie bereit und betrachtete ihr Werk.
Bis auf die Blutspuren auf dem Teppichboden war alles beseitigt, was an den gestrigen Abend erinnerte. Samantha ging in den Keller und holte drei passende Perserbrücken, die sie dort für solche Notfälle lagerte. Damit würden auch diese Spuren verdeckt sein. Sam nahm ein Champagnerglas, goss den Rest der Flasche hinein und schluckte noch eine Beruhigungstablette. Sie setzte sich in den Schaukelstuhl, rauchte und war froh darüber, dass sie einige Tage Urlaub genommen hatte.
Es klingelte.
Sam erschrak. War sie tatsächlich eingenickt? Jeder Knochen schmerzte, als sie sich erhob und zur Tür ging. Es waren die Menüs, die angeliefert wurden. Drei - Gänge – Menü! Ihr wurde übel bei dem Gedanken. Sie bedankte sich und gab dem Lieferanten ein fürstliches Trinkgeld. In der Küche stellte sie den Backofen an, um die Hauptgerichte warm zu halten. Das Dessert kam in den Kühlschrank, die Vorspeise sollte Zimmertemperatur haben. Werners Wünsche waren Befehle.
Sie zog ihren roten Seidenanzug an und eine hochgeschlossene schwarze Spitzenbluse. Im Badezimmer frischte sie ihr Make up auf und richtete ihre Haare. Er konnte kommen.
Sie öffnete für sich eine Flasche leichten Moselwein, passend zum Fisch und stellte sie in den Weisweinkühler. Noch die Aschenbecher putzen, Werner hasste volle Aschenbecher. Die leeren Flaschen wegräumen, Gläser spülen und noch einmal ordentlich lüften. Gegen die Schmerzen noch eine Aspirin.
Samantha ging prüfend durch die Wohnung. Sie fand nichts, was Werner wütend machen könnte. Ihr Herz klopfte, sie spürte es an den Schläfen. Sie unterdrückte die aufkommende Nervosität mit einem Glas Weiswein.
Als Fachfrau wusste Sam, dass sie Alkohol- und Tabletten süchtig war. In der Ehe geworden war. Auch in der Uni wussten es ihre Kollegen, doch bis jetzt hatte die Arbeit nicht darunter gelitten. Ihre anerzogene Disziplin und Selbstkontrolle halfen ihr dabei. Werner nahm Heroin, aber davon wollte Sam nichts wissen. In der Uni hatte er es bis jetzt geheim halten können. Darauf war er mächtig stolz. Bedauerlicherweise war es aber ein immerwährender Streitpunkt zwischen ihnen. Werner hätte es lieber, sie würde den Alkohol gegen Heroin eintauschen. Nur wegen der Fahne, wie er immer beteuerte.
Sie hörte, wie der Schlüssel ins Schloss geschoben wurde und quittierte dieses Geräusch mit einem Schweißausbruch. „Hallo Liebling, ich bin wieder da“, rief ihr Mann. Seiner Stimme nach zu urteilen hatte er gute Laune. Samantha holte tief Luft. Ganz ruhig, suggerierte sie sich in Gedanken. „Ich bin im Wohnzimmer, Schatz“, antwortete sie, bemüht ihrer Stimme einen burschikosen Klang zu verleihen.
Werner überreichte ihr die obligatorischen Rosen, die sie dankend entgegen nahm. Als er anfing, sich zu entschuldigen, hörte sie weg. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, waren seine Entschuldigungen. „Bitte, lass mich doch erst mal die Blumen in die Vase stellen, sie sind wunderschön. Nochmals vielen, vielen Dank!“ Sam wich geschickt der folgenden Umarmung aus und eilte in die Küche. „Mach dich frisch, wir können gleich essen, es ist alles vorbereitet“, rief sie. Sie hörte, wie Werner ins Bad ging und die Tür hinter sich schloss.
Sam schnitt die Rosen an und stellte sie mit der Vase auf den Esstisch. Sie holte den Rotwein und den Weiswein, sowie die Vorspeisen. Dann zündete sie die Kerzen an und wartete, Jetzt bloß nicht denken, flehte sie innerlich.
Als ihr Mann das Esszimmer betrat, und Sam ihn im gedämpften Kerzenschein sah, zog sich ihr Herz krampfartig zusammen. Seine Ausstrahlung faszinierte sie und schmerzhaft dachte sie an Bern. Sie spürte die ungeweinten Tränen hinter ihren Augenliedern und nahm einen Schluck Wein. „Liebling,... lass dich umarmen, du siehst wieder... hinreißend aus. Und dieser Tisch... vollkommen... mit so viel Liebe... gedeckt, wie immer perfekt.“ Sam stand auf und ließ es zu, umarmt und geküsst zu werden. „Verzeih mir... bitte, Liebling, es tut mir so leid. Ich weiß wirklich nicht, was gestern über mich gekommen ist“, raunte er ihr zärtlich ins Ohr. Samantha spürte die aufkommende Leidenschaft. Er konnte so zärtlich sein. Sie kuschelte sich in seine Arme. Den Triumph in seinen Augen sah sie nicht.
„Lass uns essen, Schatz, ich habe einen Bärenhunger“, sagte er und nahm auf seinem Stuhl Platz. Sam schenkte ihm ein Glas Rotwein ein und setzte sich ebenfalls.
„Und du trinkst Weiswein?“ Fragend blickte er sie an. „Ja, Schatz, ich habe für mich Fisch bestellt, da passt kein Roter. Aber tröste dich, du bekommst dein Fleisch. Oder möchtest du auch... lieber Weiswein trinken? Ich hole dir ein anderes Glas, ja?“
„Weiswein... zum Fleisch? Spinnst du!“ Sam bemerkte, wie ihr Mann sich auf die Lippen biss. „Guten Appetit, lass es dir schmecken“, erwiderte sie schnell.
Während des Essens sprachen sie wenig. Ab und an stellte Sam eine Frage, die seine Arbeit betraf. Doch wenn Werner aß, war er immer wortkarg. Gesprächig wurde er erst, wenn er nach dem Essen die Pfeife stopfte und seinen Cognac trank. Ihr Mann bemerkte nicht, dass sie nur an den Speisen genippt hatte. Sam fiel ein Stein vom Herzen. „Möchtest du auch einen Cognac nach dem Essen?“ Seine Stimme hatte wieder diesen zärtlichen Klang. Sie zitterte, diesmal vor Verlangen. „Ja, bitte... ich räume nur noch schnell weg und komme dann“, erwiderte sie lächelnd.
Während Werner sich ins Wohnzimmer verzog, brachte Sam das Esszimmer in Ordnung. Bevor sie in die Küche ging, schaute sie noch kurz bei ihm vorbei und küsste ihn flüchtig auf die Wange. Er sah überrascht auf. Sie nahm einen kräftigen Schluck aus dem Cognacglas. „Bin gleich fertig“, flüsterte sie und biss ihn ins Ohrläppchen. Sie wusste, dass es ihn scharf machte. „Beeile dich... Liebling... lass mich nicht zu lange warten.“ Er zwinkerte ihr geheimnisvoll zu.
Samantha ließ sich Zeit. Bei der Arbeit kamen die Schmerzen zurück und erinnerten sie daran, was für ein Schweinehund ihr Mann doch war. Er hatte sich noch nicht einmal angeboten, ihr zu helfen. Chauvinist! Verdammter! Der Teufel soll dich holen! Langsam stieg die Wut über sich selbst wieder hoch. Sie schaute nach, ob noch etwas von dem Wein übriggeblieben war, hatte aber Pech.
Jetzt war sie auch nicht bereit, ins Wohnzimmer zu gehen, um von dem Cognac zu trinken. Ihre Ruhe war dahin. Sie wusste, es würde wieder Zoff geben. Sie ging ins Bad und nahm noch zwei Aspirin und eine Beruhigungstablette. Diesmal musste halt das Wasser herhalten. Dann hantierte sie, extra laut, noch in der Küche herum. Er würde schon noch müde werden, dachte sie. Sie hörte ihn ungeduldig rufen: “Liebling,... wo bleibst du denn?“
„Gleich mein Schatz... leg dich doch schon mal hin... war doch ein langer Tag für dich. Letzte Nacht... hast du auch... kaum geschlafen und morgen musst du wieder früh raus“, rief sie zurück. „OK! Liebling, aber lass mich nicht zu lange warten.“ Sam setzte sich erschöpft auf einen Küchenstuhl und lauschte. Hoffentlich kommt er nicht in die Küche, flehte sie innerlich. Doch er ging ins Bad.
Sie hörte ihn unter der Dusche pfeifen, das Gurgeln nach dem Zähne putzen, und dass er danach direkt ins Schlafzimmer ging. Erleichtert atmete sie auf.
„Liebling, wo bleibst du?“
Wieder dieser ungeduldige Tonfall, dachte Sam. Ich hasse ihn. „Bin... ja schon fertig... mein... Schatz, mache mich nur noch frisch, dann komme ich... zu dir. Wärme schon mal das Bett an. Ich beeile mich... auch.“ Samantha ließ das Licht in der Küche brennen und schlich ins Wohnzimmer. Sie trank ihr Glas leer und füllte es sofort wieder neu. Kurz darauf hörte sie sein Schnarchen. Die Schlaftabletten, die sie in den Rotwein gegeben hatte, wirkten. Vor morgen früh würde er nicht wach werden. Sam seufzte tief. Jetzt war sie bereit, sich ihrer Gewissensfrage zu stellen.
Er oder ich?
Doch ihr Unterbewusstsein hatte diese Frage schon längst beantwortet. Er!
Jetzt hatte Samantha Zeit. Ihre Anspannung ließ nach. Langsam trank sie die Flasche Cognac leer und rauchte mit Genuss ihre Zigaretten. Sie verspürte keine Müdigkeit. Nur eine große Erleichterung.
Die Würfel waren gefallen.
Als sie sicher war, dass genug Zeit vergangen war stand Sam auf und ging in die Küche. Sie nahm das große Fleischmesser aus dem Holzhalter und prüfte die Schärfe der Klinge mit ihrem Daumen. Der kleine Blutstropfen, der aus der unsichtbaren Wunde trat, beruhigte sie. Mit dem Messer schlich sie ins Schlafzimmer. Ihr Mann hatte das Licht der Nachttischlampe brennen lassen. Er lag auf dem Rücken und schnarchte laut mit offenem Mund. Samantha betrachtete ihn.
Er oder ich, dachte sie erneut.
Er!
Er würde nichts merken, da war sie sich sicher. Sie kannte die Anatomie des menschlichen Körpers. Ein Stich direkt ins Herz, und sie war frei. Als sie sich über ihn beugte, zögerte sie kurz, holte aus und stach mit aller Kraft das Messer bis zum Schaft in seine Herzgegend. Sie lächelte, als das warme Blut wie eine Fontäne aus seiner Wunde schoss und sie traf. Dann drehte sie sich um und holte eine neue Flasche Champagner. Jetzt hatte sie einen Grund zum Feiern. Die Stille, die plötzlich in der Wohnung herrschte, irritierte sie. Um Abhilfe zu schaffen legte sie eine CD in den Recorder und lauschte der leisen Musik. Hin und wieder schlich sie ins Schlafzimmer, um sich zu überzeugen, ob ihr Mann auch wirklich tot war. Als kein Zweifel mehr daran bestand, griff sie zum Telefon und meldete ihre Tat der Polizei.
Als sie in die Psychiatrie eingewiesen wurde, war sie nicht mehr die Frau Doktor. Jetzt war sie nur noch Sam.
 
lange Rückblende

Hallo Buffy,

ideenreich wie immer. Die Geschichte kommt flüssig und glaubwürdig rüber. Man sieht die Beiden direkt im trauten Heim beim neuerlichen, beginnenden Knaatsch - bis der Mann halt umgebracht wird von seineer Frau, die alles nicht mehr aushält.

Die Rückblenden mit dem Kennenlernen, der Hochzeitsreise, Beruf und Sucht fallen aber für meinen Geschmack zu lang aus. Als Leser muss man sich zwingen, bei der Stange zu bleiben, bis es mit der Handlung wieder voran geht. Ich würde das raffen, damit die Spannung nicht leidet. Sorry, aber beim Lesen im Internet sind die Leute immer ein bisschen ungeduldig.

Grüße
Marlene
 

Buffy

Mitglied
Story kürzen

Hi,
Diese Story ist für meine Anthro gedacht und im Buch ist sie meines Erachtens eher zu kurz.
Ich freue mich, das sie dir gefällt.
Gruß Buffy
 



 
Oben Unten