Liebe Inge Anna,
"des Gewissens Entmündigung" gefällt mir noch am besten.
Der Mensch macht sich so gerne Gedanken, aber oft bleibt er darin stecken und kann sich zu keinerlei Taten hindurchringen. Da nehme ich mich selbst natürlich nicht aus. Bei allem, von dem wir überflutet werden, wissen wir ja auch schon gar nicht mehr, wo wir innehalten sollen und so wirbelt alles weiter in uns herum und bleibt "auf Halde".
Es gibt ein sehr schönes Volkslied in Moll gesetzt, in dem dieser Inhalt in den Wind hineinverlegt wird. Ich schreibe es Dir hier einmal auf aus dem Gedächtnis die erste Strophe:
"Durch die dunklen Gassen, die so einsam sind,
weht am späten Abend leis der Winterwind.
Wie ein fremder Wandrer steht er vor dem Tor,
niemand hört sein Flehen, niemand lässt ihn vor."
Dieser Text wirkt durch die Melodie so schwermütig und tragisch, dass ich durch Deinen Text an dieses Lied erinnert wurde.
Was mir an Deinem Text auch noch gut gefällt, ist die Tatsache: Wenn man in der zweiten Strophe gerade dabei ist, sich zu sagen."aha, der Kitsch konnte doch nicht auf sich warten lassen", wendest Du diese Stelle genau um 180 Grad, und der Leidende wird erlöst auf eine unerwartete Weise. So ein Balance-Akt hat etwas.
Liebe Grüße
Vera-Lena