Unberührt

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Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Sein Leben war das Meer
Als er zu langsam wurde für die Welt
Brachten sie ihn ins Heim
Weit weg von der geliebten See
Statt Spaziergang am Deich
Immer den Gang entlang
Auf und ab und auf und ab
Statt Wind, Wetter und Salz
Der Gestank von Alter und Desinfektionsmitteln
Das Meer lag irgendwo hinter den Fenstern
Außerhalb seiner sichtbaren Welt
Und doch lächelte er
Hörte er doch den ganzen Tag
Die Brandung des Meeres
Das Rufen der Möwen
Sehnte sich in eine andere Welt
 
I

IKT

Gast
Lieber Otto, Dein Gedicht macht nachdenklich und traurig. Was Du beschreibst ist oft bittere Wahrheit für alte, kranke Menschen. Aber das Ende Deines Werkes gibt trotzdem eine gewisse Ruhe. Der alte Mann lächelt und hört, was er sein Lebenlang gehört hat. Das heißt für mich - er ist zufrieden in seiner Welt (trotzdem)!
Schwieriges Thema gut umgesetzt!
LG IKT
 

Vivi

Mitglied
Hallo Otto !

Wenn auch traurig, aber mitten aus dem Leben erzählt. Wie werden wir solch eine Situation verkraften?
Herzlichst Viola
 

Buffy

Mitglied
Der letzte Satz?

Hi Otto,
Er lächelte den ganzen Tag?
Sehnte er sich?
Diese beiden Zeilen ergeben für mich keinen Sinn?
Wenn ich mich sehne, Erinnerung, fühle ich einen Schmerz.
Wenn ich in meiner Sehnsucht, Erinnerung, lebe, kann ich lächeln.
Wie siehst du das?
Nur meine persönliche Meinung.
Ansonsten finde ich das Werk sehr ansprechend.
Gruß Buffy
 
P

Pessimist

Gast
In welche Welt ?

Er lächelte, weil er in der Erinnerung die Brandung des Meeres und das Rufen der Möwen hörte.
Ein betäubter Zustand.
Sehnte er sich in eine andere Welt - den Tod ?
Oder sehnte er sich in die vergangene Welt ?

Eltern schicken ihre Kinder in den Kindergarten.
Die Kinder schicken ihre Eltern in das Altersheim.
 

pipi-barfuss

Mitglied
hallo otto,

du hast seine "unberührte" welt gut umgesetzt.
doch hätte ich für din letzten satz auch ein vorschlag:

Die Brandung des Meeres
Das Rufen der Möwen
er lebt in seiner andere Welt

wenn der prot. noch fit, und ich schreib mal klar im kopf ist, finde ich das sehnen ok. nur bei einer demenz, "lebt" er in dieser welt.
ich arbeite im altenheim und mir begegnen diese "unberührten" dinge täglich.

wie gesagt, ist nur ein vorschlag.

l.g. sandra :)
 

Slavica

Mitglied
Hörte er doch den ganzen Tag
Die Brandung des Meeres
Das Rufen der Möwen
Sehnte sich in eine andere Welt


Der Schluss mit seinem letzten Satz machen dieses Gedicht sehr stark und rollen das Gelesene noch einmal von hinten auf wo ich am Ende beim Leben dieses Mannes lande. Gerade hier lässt sich der Sinn über die Zeilen verschieben, wer zu wem gehört und was tut, ist nicht mehr zu unterscheiden.

Wer sehnt sich in eine andere Welt? Nicht bloss der alte Mann, da steht auch: Die Brandung des Meeres/Das Rufen der Möwen/sehnte sich in eine andere Welt. Alle drei haben sie diesen Wunsch, alle drei sind sie eines, "sein Leben war das Meer". Diese letzten 4 Zeilen lassen sich unterschiedlich auf Eines hin auslegen, doch wie eng das Leben des Mannes mit dem Meer verwoben war und noch immer ist, kann nicht einfacher ausgelegt werden, als es bereits steht. Damit spricht das Gedicht von Trennung und davon, was mit diesem einfachen Wort dabei alles übersehen wird.
 



 
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