Unheimliche Geschehnisse

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goblin

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Schwestern



Das Haus war alt und groß, inmitten der verdreckten Fabriksbauten rings umher wirkte es wie ein Relikt aus einer längst vergangenen Epoche. Spitze Bögen aus rötlichem Stein umrahmten die hohen Fenster, bizarr geformte Wasserspeier hockten in gedrungener Dämongestalt an den Ecken eines jeden Stockwerks und die Eingangstür glich einem Burgtor, ein riesiges Portal wie eine klaffende Wunde in der steinernen Wand, deren Sog man sich nicht entziehen konnte.
Eric beobachtete, wie hunderte junge Menschen sich durch den Einlaß drängten, nachdem sie die strenge Kontrolle der Türsteher über sich ergehen lassen hatten. Und der Strom aneinanderdrückender Körper riß nicht ab, er schien von einer halben Unendlichkeit an Leibern gespeist zu werden. Sie alle wollten in das alte, große Haus. Keiner wollte sich diesen Abend entgehen lassen, denn das sogenannte X-treme Clubbing fand nur einmal im Jahr statt, und mittlerweile war es zu einer derart legendären Veranstaltung geworden, daß sein Ruf bis weit über die Stadtgrenzen hinaus gedrungen war und die Leute sogar aus unzähligen Nachbarstädten herbeiströmten, um diesem „Mega-Evant“ beizuwohnen.
Langsam verfinsterte sich der Himmel, stellte Eric fest und tat einen letzten Zug an seiner Marlboro. Graue Wolkenfinger schoben sich vor das Blaugrün des schwindenden Tages und noch einmal ließ die sinkende Sonne die Fensterscheiben des Gebäudes hinter ihm in blendendem Gleißen aufglühen, dann zog sie sich hinter den dunklen, hoch aufragenden Umriß des alten Hauses zurück und ließ die Schatten in die Straße fluten.
Entfernt waren die Geräusche der pulsierenden Stadt zu hören, Motorlärm, Hupen, hin und wieder die Sirene eines Einsatzfahrzeugs. Doch hier, mitten im Industriegebiet, schienen diese Klänge wie aus einem unruhigen Traum zu stammen. Wären nicht die Menschenmassen vor dem alten Haus und die Motorgeräusche der diese herbringenden Autos gewesen, hätte vermutlich eine alles durchdringende Stille zwischen den um diese Zeit verlassenen Fabriksgebäuden geruht.
Mit der Zehenspitze drückte Eric seine Zigarette aus und überquerte die Straße, um sich in die lange Schlange der Einlaß Begehrenden einzureihen. Jedes Jahr veranstalteten sie dieses Clubbing an einem anderen Ort, der bis eine Woche vor der Veranstaltung geheimgehalten wird. Und dennoch finden sich jedesmal derart viele Leute ein, wunderte er sich.
Eigentlich hielt sich Eric bereits zu alt für Clubbings, und er hatte lange überlegt, ob er überhaupt herkommen sollte, doch insgeheim hatte er gehofft, Mona wiederzutreffen.
„Mona!“ seufzte er bei dem Gedanken an sie.
Und sein geistiges Auge glitt über ihre makellose Erscheinung, groß, schlank, leuchtende Augen, die erschreckende Intelligenz widerspiegelten. Sein Herz begann zu klopfen. Mona! Ein gesamtes Jahr hatte er nach ihr gesucht, hatte jeden Winkel der Stadt nach ihr durchkämmt, Annoncen in Zeitungen aufgegeben, ja, sogar einen Detektiv beauftragt. Vergeblich! Als hätte sie nie existiert.
Aber einen Ort kannte er, wo er sie zu treffen hoffen konnte: Das X-treme Clubbing. Hier hatte er sie vor vier Jahren kennengelernt, hatte die Nacht durchgetanzt mit ihr, doch allen anderen ihrer Verlockungen widerstanden – auch wenn es ihm äußerst schwergefallen war. Damals hatte er eine Freundin gehabt, und diese hatte er nicht hintergehen wollen.
Im darauffolgenden Jahr indes, waren seine Gedanken beherrscht von Mona, er hatte sie nicht mehr vergessen können. Selbst in seinen Träumen war sie ihm erschienen, hatte gelacht, ihm zugezwinkert und unvorstellbare Verheißungen ins Ohr geflüstert. Schweißgebadet war Eric jedesmal hochgeschreckt aus seinem Schlaf, wollte die Erinnerung an sie aus seinem Gedächtnis löschen, doch so sehr er sich dessen bemüht hatte, um so mehr hatte sich der Wunsch nach einem Wiedersehen mit Mona in sein Denken gefressen.
Schließlich trennte sich Eric von seiner Freundin. Er konnte ihr Gesicht, ihre Stimme und ihre ganze unbeschwerte Art, ihr Leben zu leben, nicht mehr ertragen. Ihre rücksichtsvolle Liebe ihm gegenüber hatte ihm die Mona-Manie nachgesehen, doch er fühlte sich von ihr erdrückt.
Dann kam abermals der Tag des Clubbings und Eric ging mit Freunden hin. Und wie er über alles ersehnt hatte, traf er Mona. Er tanzte, lachte, scherzte mit ihr. Er wollte sie an sich ziehen und küssen, doch sie wehrte sich. Er eröffnete ihr, daß er seine Freundin nur wegen ihr verlassen hatte, doch sie zuckte bloß mit den Schultern und verschwand in der Menge aus zum Rhythmus zuckenden Leibern.
Das Jahr zwei nach Mona kam. Eric zog sich immer weiter zurück, wechselte seine Arbeit, verlor sie schließlich, lebte nun in einer kleineren Wohnung und hatte nur noch mit wenigen Menschen Kontakt. Seine ehemalige Freundin heiratete inzwischen seinen früheren besten Freund und siedelte um in eine andere Stadt.
Und wieder ereilte Eric die Nacht des Clubbings, und er besuchte es. Auch Mona war dort. Zunächst ignorierte er sie, wollte seinen durch ihre Abweisung gekränkten Stolz aufpolieren, ja, er küßte sogar ein anderes Mädchen vor ihren Augen. Doch der Kuß schmeckte schal, und Eric wünschte sich nichts sehnlicher, als Monas Lippen spüren zu dürfen. Schließlich sprach er sie an, sie wandte sich ihm zu und ein verspieltes Lächeln legte sich auf ihre Züge. Dann drückte sie ihn an sich, tanzte eng mit ihm und er konnte durch ihren dünnen Latexanzug ihren Körper spüren – elektrisierend kühl.
Als Eric erwachte, fühlte er sich schwach und er lag in einem nüchternen Zimmer eines Krankenhauses. Keiner konnte ihm so recht erklären, was vergangene Nacht mit ihm geschehen war, aber er war total entkräftet von einem Freund in einer Nebengasse gefunden worden. Die Ärzte vermuteten einen nicht nachweisbaren Drogencocktail, doch Eric hatte noch nie Drogen genommen. Seine Erinnerung an letzte Nacht endete mit dem Tanz mit Mona. Und alleine der Gedanke daran ließ sein Blut in Wallung geraten.
Er suchte nach Mona. Er war so besessen von der Idee, sie zu finden, und vernachlässigte alles andere derart, daß sich auch die letzten seiner Freunde von ihm abwandten. Doch es war ihm gleichgültig.
Schließlich erkannte er aber, daß all sein Leiden von der fixen Vorstellung herrührte, Mona begegnen zu wollen. Er begab sich in psychotherapeutische Behandlung, fand wieder ein Minimum an Gleichgewicht im Leben und machte sich auf die Suche nach Arbeit.
Dann rückte der Tag des Clubbings immer näher.
Schleichendes Unbehagen machte sich in Eric breit. Der Gedanke an Mona ließ ihn bleich werden und Schweiß aus seinen Poren strömen, seine Finger zittern und Nebel vor seinen Augen wabern.
Ich bin zu alt, um mein Leben an eine Wahnvorstellung zu verschwenden, sagte er sich. Wenn ich nicht mehr hingehe, vielleicht kann ich Mona so aus meinem Kopf vertreiben.
Aber Eric ging hin. Er konnte nicht anders. Doch ging er nicht hin, um Mona endgültig für sich zu gewinnen. Nein, er ging hin, um ihr Lebewohl zu sagen.
So stand er in der Reihe der lachenden, johlenden, feiernden Menschen, und er war alleine. Er kannte keinen einzigen, und die eine Person, die er kennen konnte, durfte er nur treffen, um sich von ihr loszusagen.
Groß und keinen Widerspruch duldend ragten die Türsteher zu beiden Seiten des Eingangsportals auf, breite Gestalten in dunklen Anzügen und mit grimmigen Gesichtern. Rasch winkten sie die nächsten zehn Leute durch die Absperrung, und Eric wurde durch den Schlund in das alte Haus gezogen, tauchte ein in die Welt aus wummernden Beats, grellem, flackerndem Licht, ausgelassenem Gekreische und sich windenden schwitzenden Leibern. Wirbelnde Schatten, verzogene Fratzen, der Geruch von Alkohol und Körperausdünstungen.
Schweigend streifte Eric durch die wogende Masse, wie ein Wolf, der sich auf Jagd befand. Doch er wußte nicht, ob er der Jäger oder die Beute war.
Seine Augen schmerzten in dem immer wieder von Lichtblitzen unterbrochenen Zwielicht. Von allen Seiten schoben und drängten feuchte, stinkende Körper, und Eric fühlte sich mit einemmal wie ein Ertrinkender, der zwischen den sturmgepeitschten Wellen eines tosenden Ozeans zerrieben wurde.
Dann erblickte er die hypnotische Intensität zweier Leuchtfeuer, und ihm wurde heiß und kalt sogleich. Kühler Schweiß lief ihm über das brennende Gesicht und brannte in den Augen, während sein glühender Körper von Schauern klirrenden Frosts gebeutelt wurde.
Wie in Zeitlupe schälte sich Mona aus der Masse an tanzenden Leibern, und ihr Blick war starr auf ihn gerichtet. Eric konnte den seinen ebensowenig von ihr abwenden wie die Maus den ihren von der vor ihr aufragenden Schlange.
Die Strahlkraft Monas Augen war ungebrochen, ein seltsames Lächeln umspielte ihre glänzenden Lippen; ihr Körper geschmeidig mit fließenden Bewegungen, nur bedeckt von einer weit ausgeschnittenen hellen Bluse und einem schwarzen Minirock, der bereits endete, bevor er richtig begann. In ihrem Dekolleté wogten ihre üppigen Brüste bei jedem Schritt, die schwarze Mähne fiel ihr wirr in das schmale Gesicht und auf die Schultern.
Mona, hämmerte es in Erics Kopf. Seine schweißnassen Finger verkrampften sich, krallten sich in seine Hose, während er nach Luft schnappte wie ein Erstickender, denn seine Lungen waren leer und das Atmen wollte ihm nicht gelingen. Er fühlte Schwindel in sich hochsteigen, gefährliches Klingeln in den Ohren, sich ausbreitende Schwärze vor den Augen, und die Beine fühlten sich weich wie Pudding an, drohten den Dienst zu versagen. Unter höchster Anstrengung gelang es Eric, Luft in seine Lungen zu saugen, und er verspürte schmerzhaftes Brennen in seiner Brust. Stimmen und Musik waren mit einemmal so fern, traten aus seinem Bewußtsein, doch ganz, ganz nah konnte er den Atem Monas vernehmen, und angenehme Kühle streifte seine Wange. Dann schwebte ihr Duft in sein Empfinden und explodierte wie ein Feuerwerkskörper zu einem bunten, glitzernden Stern in seinem Kopf. Gefangen von ihrem betörenden Geruch durchlebte Eric einen Rausch der Sinne jenseits all seiner Vorstellungskraft.
Als er das nächste Mal des Bildes vor seinen Augen bewußt gewahr wurde, sah er Monas Gesicht direkt vor sich, und sie schmiegte sich an ihn, und er spürte ihren vibrierenden Körper. Ekstatische Kühle machte sich in ihm breit und ließ ihn vor Erwartung zittern, ihre Berührungen waren schmerzhaft und unendlich lustvoll zugleich, und von einem wohligen Schauer in den nächsten gleitend, fühlte er seine Erektion bis zum Bersten wachsen.
Dann drückte Mona ihre Lippen auf die seinen, und vor Erics innerem Auge gingen Welten in Flammen auf und neue Universen wurden geschaffen. Eine Symphonie aus bitterstem Schmerz und rauschhafter Wonne durchflutete sein gesamtes Sein, und jeder einzelne Nerv wollte vor dem Ansturm durcheinanderwirbelnder, überschäumender Empfindungen zerspringen.
Es war wie eine Bewußtwerdung seines eigenen Körpers, wie ein Kennenlernen seines innersten Ichs. Als würden einem Blinden zum erstenmal die Augen geöffnet für die unnachahmliche Schönheit der Welt, für die brodelnde Pracht von Farben und Formen. Und Eric wand sich in einem Taumel sinnlicher Wahrnehmung nie gekannter Gefühle an der Grenze zur Ohnmacht.
Dann löste Mona ihre Lippen von den seinen und machte mehrere Schritte zurück, wurde von der tanzenden Menge verschluckt. Zum erstenmal, seit er sie vor wenigen Sekunden (oder vielen Stunden? – er wußte es nicht zu sagen) erblickt hatte, schälten sich wieder Menschen, Musik und sämtliche andere Eindrücke um ihn herum aus den wabernden Nebeln des Vergessens, die alles bis auf Mona verschlungen gehabt zu haben schienen.
Nun war wieder alles da: Laut wummernder Techno-Sound, verschwitzte Leiber, grölende Feiernde, Lichtblitze und die schwere, abgestandene Luft des fensterlosen Saals. Eric fühlte sich unter den plötzlich auf ihn einstürzenden Eindrücken des Clubbings wie erschlagen; ein Fremdkörper in einer feindlichen, ihn zu erdrücken drohenden Masse zuckenden Fleisches.
Wo war Mona?
Panik machte sich in ihm breit, und er bahnte sich einen Weg durch die Flut der Tanzenden, schob, drückte, drängte, wollte einfach nur weg aus dem wogenden Menschenmeer. Fremde Gesichter tauchten aus den Schatten vor ihm auf, wenn ein Lichtblitz die Finsternis durchschnitt, schienen ihn anzustarren, verzerrte Fratzen dämonischer Kreaturen, alle einem düsteren Techno-Gott huldigend.
Schweißgebadet erreichte Eric die Bar an dem Rand der Tanzfläche und krallte seine Finger hilfesuchend in das Holz. Dann fiel sein Blick auf Mona. Sie stand wenige Meter neben ihm, sah aber in die andere Richtung. Hoffnung durchflutete Eric, als ihr verheißungsvoller Duft bis zu ihm strömte, und gierig saugte er ihn in die Lungen.
Da tauchte eine weitere junge Frau auf, hielt auf Mona zu, schlang ihre Arme und ihr linkes Bein um sie und begann sie heftig zu küssen. Zunächst den Hals, dann aufwärts über Wange und Kinn bis zum Mund.
Eric schluckte, seine Gedanken wirbelten durcheinander. Plötzlich drehten sich beide Frauen in seine Richtung und lächelten ihn an, ein seltsames Funkeln in ihren Augen, und ihm wurde heiß und kalt zugleich.
Irgendwoher kannte er Monas Gespielin, und dann fiel es ihm ein. Sie war das Mädchen, das er vor einem Jahr in ihrem Beisein geküßt hatte, ein niedliches, aber unspektakuläres kleines Ding. Doch nun übte sie eine seltsame Wirkung auf ihn aus, ja, schien Mona in nichts nachzustehen. Ihr Blick war kühl und stechend, ihr Teint blaß und makellos, der aufreizend schöne Körper kaum bedeckt vom engen Silberkleid, das blonde Haar nun kürzer und mit Gel streng nach hinten frisiert.
„Wer...?“ wollte Eric wissen.
Lisa, tönte die Antwort in seinem Kopf. Meine Schwester!
Hatte Mona seine Frage bei der lauten Musik überhaupt hören können? Und wie hatte er ihre Worte verstehen können?
Gebannt beobachtete Eric, wie Lisa langsam den Mund öffnete und ihre feuchtglänzende Zunge leicht nach oben gebogen herausstreckte, während ihre Hand von Monas Taille aufwärts unter die Bluse wanderte und dort mit kreisenden Bewegungen deren rechte Brust streichelte. Lächelnd öffnete nun auch Mona ihre Lippen und tippte mit der Spitze ihrer Zunge auf die ihrer Schwester.
Eine Woge ungezähmter Lust durchströmte Erics zitternden Körper. Mit einer Hand sich immer noch an der Bar abstützend, wischte er sich mit der anderen den Schweiß von der Stirn und zuckte beinahe zusammen, als ihn Monas durchbohrender Blick traf.
Folge uns!
Wie ein Schlafwandler trottete Eric hinter den beiden Frauen her, ließ Techno-Beat, Lichtblitze und Menschenmenge hinter sich. Eine unscheinbare Tür führte aus dem großen Saal hinaus auf einen schmalen, schlecht beleuchteten Gang mit grünen Wänden. Vereinzelte sich küssende Pärchen besetzten die dunkleren Ecken, eine Gruppe kichernder Mädchen kam aus der Damentoilette und strebte der Tanzfläche zu. Hinter einem Vorhang schloß sich ein weiterer Gang an, gänzlich unbeleuchtet, nur durch die verdreckten Fenster fiel spärliches Licht von Straßenlaternen. Wuchtige Bierfässer flankierten die linke Wand.
Mona und Lisa waren nur als Silhouetten zu erkennen, vollendete Silhouetten verführerischer, anbetungswürdiger Weiblichkeit. Ihre runden Hinterteile vollführten neckische Bewegungen wonneversprechender Andeutungen.
Unvermittelt trat Eric auf etwas Weiches. Er bückte sich und hob es auf. Süßer Duft stieg in seine Nase. Und als er Monas Bluse in seiner Hand erkannte, begann sein Herz schneller zu schlagen und er beeilte sich, die zwei Frauen nicht zu verlieren. Gerade noch erspähte er sie links durch eine Tür treten, Monas wogende Brüste als schwarzer Schattenriß vor einem Fenster.
Stoßweise atmend, lief er die letzten Meter bis zum Gangende und folgte den Schwestern durch sie Tür. Beinahe wäre er die Treppe hinabgestürzt, die sich hier anschloß. Nur von wenigen, flackernden Neonröhren erhellt, führten die Stufen hinab.
Ohne zu zögern eilte Eric den Frauen nach und gelangte in einen langen Korridor mit steinernen Mauern, irgendwo vor ihm verhallende Schritte. Während er durch den dämmrigen Gang lief, stieß er auf immer mehr Kleidungsstücke der Schwestern. Keuchend bog er um eine Ecke und entdeckte eine kleine, unscheinbare Tür, die offenstand. Sie war so niedrig, daß Eric sich bücken mußte, um hindurchzukommen. Finsternis umfing ihn, doch nach einer kurzen Weile hatten sich seine Augen an das Dunkel gewöhnt und er stellte fest, daß er sich auf der obersten Stufe einer in den Stein gehauenen Wendeltreppe befand.
Feiner Sand knirschte unter seinen Füßen, als er hinabstieg, und je tiefer er kam, desto kühler wurde es. Helles Lachen vor ihm, etwas entfernt.
Schließlich erreichte er das untere Ende der Treppe und fand sich in einer großen Halle wieder. Die Luft war alt und muffig und von modrigem Geruch durchzogen. Jeder Schritt, sogar jeder Atemzug, hallte an den Wänden wider, ansonsten herrschte dumpfe Stille.
Der Raum hatte gigantische Ausmaße, wie eine unterirdische Kathedrale, die Decke ein hohes Gewölbe, in der Dunkelheit den Augen verborgen. Zerschlissene Vorhänge bedeckten die Stirnseite der Halle am gegenüberliegenden Ende. Der Boden war nur mit Staub und Schutt bedeckt.
Vorsichtig wagte sich Eric von der untersten Stufe weg in den riesigen, leeren Saal hinaus. Unvermittelt kroch ein mulmiges Gefühl in ihm hoch und er fragte sich, ob es eine gute Idee gewesen war, das Clubbing zu verlassen. Dann sah er die schwarzen Schemen der beiden Schwestern einige Meter vor sich. Ihre geschmeidigen nackten Körper hoben sich hell ab von der Finsternis ringsum.
Eric! hörte er ihre Stimmen sehnsuchtsvoll wispern und hielt auf sie zu. Gedämpft wurden seine Schritte von den Wänden zurückgeworfen.
Eric! hallte es in seinem Kopf.
Beinahe wäre er gestrauchelt, als sein Fuß gegen einen Steinbrocken in der Größe eines menschlichen Kopfes stieß. Aber ungeachtet des Schutts, der den Boden übersäte, eilte er auf die Schwestern zu, konnte es nicht erwarten, ihre nackten Körper aus der Nähe zu sehen, sie zu spüren...
Plötzlich stand er vor dem zerschlissenen Samtvorhang in verblichenem Rot, der vor ihm hoch aufragte. Trockener Staub, aufgewirbelt von seinen Füßen, kratzte in seiner Nase. Ungeduldig warf er den Kopf auf der Suche nach den Schwestern hin und her, dann entdeckte er sie.
Mona stand zu seiner Linken, ganz an der Seitenwand des Felsendoms, Lisa zu seiner Rechten, ebenfalls an die Wand gepreßt. Beide hatten eine von der Decke reichende Kordel in der Hand.
Und plötzlich fühlte Eric neben seinem immensen Verlangen nach den beiden Frauen noch etwas anderes, etwas ungeheuer Mächtiges, und der Vorhang vor ihm blähte sich, als streifte ihn der Atem etwas sehr Großem. Dann zogen Mona und Lisa an den Kordeln, und der samtene Schleier öffnete sich und offenbarte dahinter eine riesige Nische in der Stirnseite der Halle.
Und in der Nische hockte etwas Gewaltiges, Dunkles, Atmendes, Lauerndes, und stechende blaue Augen, groß wie Mühlräder, richteten sich auf Eric.
Komm zu mir, mein Sohn, sagte eine Stimme in seinem Kopf, dumpf, tief, mächtig, keinen Widerspruch duldend und nicht menschlich.
Und Eric warf einen allerletzten Blick auf Mona und Lisa, und dann tat er wie ihm geheißen und wurde zu ihrem Bruder.
 
Meine Anmerkungen:
1. Warum kennt Eric niemand auf dem X-treme Clubbing, obwohl er regelmäßig hingeht? Ist er der einzige, der öfters teilnimmt, bis er ein "Bruder" wird?
2. Die Begegnung mit Mona finde ich etwas überzeichnet, da wäre etwas weniger mehr gewesen.
3. Die Szene zwischen Lisa und Mona kam für mich etwas abrupt, ich hätte den Sex etwas "langsamer" eingebaut, ist aber nur eine Randbemerkung und absolut Geschmackssache
4. Der Titel : Unheimliche Geschehnisse ist genauso nichtssagend wie Schwestern. Wie wäre es mit "Begierde der Lust" oder "Sehnsüchte"?

War auf jeden Fall ein großer Lesegenuß, ich hoffe, es gibt noch mehr zu lesen.

Mit höllischen Grüßen
Michael
 
Pardauz!

Na, das sind aber mal zauberhafte Schwestern, sind sie nicht? Hexen, Vampire oder schleimige grüne Marsmonster, die sich als Venusmonster getarnt haben? Oder gar (würg!) Beamte der Steuerbehörde? Jedenfalls könnte man fast auf die Idee verfallen, diese Geschichte habe ein Jurist verfaßt, weil einem doch immer wieder kalte Schauer über den Rücken laufen. Hoffe auf viele weitere Storys und werde jetzt mal Eric beneiden, der sich gerade wahrscheinlich wilden satanischen Orgien hingibt.

Vg

Chris

PS: Orcs sind viel viel stärker als Goblins! Oder meinst Du Gobelins?
 

Tekky

Mitglied
Lob, Kritik und meine Meinung

Hallo Goblin,

ich habe Deine Story sehr genossen.

Nur hin und wieder hast Du gewagte Satzkonstruktionen eingebaut, die mich aus etwas aus der Stimmung gerissen haben. Es ist dann so ein Gefühl, als ob man im offenen Cabrio eine wunderschöne Strasse fahren würde, entspannt, bis die Strasse auf einmal in engen Haarnadelkurven voller Schlaglöcher übergeht. Ein Beispiel: "Eric konnte den seinen ebensowenig von ihr abwenden wie die Maus den ihren von der vor ihr aufragenden Schlange."
Ich denke, einiges lässt sich einfacher schreiben.

Für meinen Geschmack beschreibst Du zu häufig die tanzenden Menschen. Steckte da etwa Absicht hinter? Denn es war eine richtige Erholung, als Eric Mona sieht und alles um sich herum vergisst.

Die Hauptsache aber: der Plot ist gut und klischeefrei, das Ende unerwartet. Du hast ein wunderbares Talent, Atmosphäre zu schaffen.

Ich freue mich schon auf weitere Beiträge von Dir...
 



 
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