Unser Bereich hinter dem Bach

WerSchreibt

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Unser Bereich hinter dem Bach

Da! Das ist doch ein Eindringling! Fast ist er nahe dem schmalen Pfad der über den Bach in unser Heim führt. Er gehört hier nicht her, er muss vertrieben werden. Unser Bereich gehört verteidigt! Es ist meine Aufgabe. Mein Meister gibt mir immer etwas zu fressen, er will, dass ich alles fernhalte. Meine Aufgabe für die ich hier existiere, alles für das ich da bin. Ich habe die Aufgabe gut zu machen, sonst bin ich nicht gut. Ich kann überhaupt nicht daran denken was er mit mir macht. Was ist die Strafe? Nein, weg! Er ist streng, ein guter Anführer. Er wüsste eine unaussprechliche Strafe, würde er mich gar verbannen? Endlich weg, der Gedanke tut weh! Geh weg! Weg. Ich kann ich wegmachen den Eindringenden. Denn ich bin groß und furchterregend. Sehr groß. Schwarz und braun, mit ganz tollen Zähnen. Mit denen ich so gut zubeißen kann. Damit habe ich schon so manchen vertrieben. Oh zubeißen ist so toll, die große Erfüllung, das Ziel. Mit kräftigen Gebiss das Gehende da schnappen und zermahlen. Die Wut in meinem Meister hilft mir so gut meine Aufgabe zu erfüllen. Ich kann es spüren. Es ist richtig.
Jetzt kann ich es ein weiteres Mal beweisen, dass ich würdig bin. Ich bin groß, ich bin stark und laut. Ich verteidige was ist unser. Da bleibt er stehen, ja, ich rieche die Angst. Mein Erfolg. Ich komme näher, er weicht davon. Ich bin so laut, es tut gut. Damit brauche ich gar nicht ganz heraus stürmen. Gut so.
Es würde zwar nicht direkt ein Problem gewesen sein, so dicht zu sein, gar kein Problem. Aber wenn der Sieg da ist, vor dem Hineinstürzen bereits. Wenn die Drohung schon reicht, weniger Energie verbraucht, mehr von dem Fressen. Und das habe ich mir heute aber wieder richtig verdient.
Sehr gut, er haut ab! Da hat er sich es anders überlegt. Er geht die Straße weiter und biegt nicht ab in unser Revier, dieser Eindringling. Ein Glücksgefühl strömt, mein Meister wird stolz auf mich sein und mich in seiner Nähe behalten fürs erste.
Auch er mag keine Eindringlinge. Er weiß wie es richtig ist. Immer das Eigene verteidigen. Er mag niemanden der kommt und alles zerstört. Die Balance. Auch mag er keine lauten Geräusche, die uns immer zusammenzucken lassen. Er ist so gut.
Die Haustür knarzt, da kommt er. Die Erfüllung meiner Aufgabe hat ihn herbeigerufen. Er möchte begutachten was ich geschaffen habe.
Er geht langsam, er hat nur zwei Beine und stützt sich auf einen harten, beängstigenden Stock. Meine Waffe sind die Zähne, der Stock sind seine Waffe. Er ist kleiner als die anderen Eindringlinge, aber doppelt so wild. Wenn die Frischlinge kommen und sich auf der anderen Seite des Baches zusammenrotten um uns herauszufordern, weiß ich was zu tun ist. Sie provozieren uns mit Lärm, das lassen wir uns nicht gefallen! Wie sie sich dort immer aufstellen. Zum Kampf. Mich aus dem Bereich locken wollen, wenn mich die lange Kette nicht aufhalten würde...
Aber ich bin trotz ihr treu. Ich bleibe hier. Und warte. Warte darauf, dass einer hinein zu treten versucht. Das hätten Sie immer so gerne! Aber ich bin hier. Niemand wird hineintreten, das schwöre ich auf alles was mir lieb ist.
Und mein Meister, er tritt zu mir heran und macht Laute. Es sind schwächere Laute, zischend und krächzend, aber der Blick sagt mir ich habe es wieder richtig gemacht. Sein Stock droht, aber er tut mir heute nichts. Mein Meister hat mein Werk begutachtet und sieht, dass der Bereich sauber ist. Der Eindringling ist nur noch schwach im Wind zu riechen. So habe ich mit Eindringlingen umzugehen. Ja Meister ich habe verstanden. Ich verinnerliche die Lektion nun wieder ein weiteres Mal. Mein Geist füllt sich mit Wut und Hass.
Er wendet sich wieder der Tür zu, er ist langsam, er riecht seltsam, aber er weiß alles. Er sorgt für mich. Er lässt mich unseren Bereich bewachen, während er in seine Höhle geht und ich weiß auch immer wieder neu, dass ich dazugehöre. So ist die Welt, keine Frage. Es ist so richtig.
Und bisher war es immer so. Mein Meister kommt nicht mehr zu mir. Eines Tages haben andere ihn herausgetragen. Er bewegte sich nicht, er roch kalt. Wohin bringen sie ihn? Auch Andere von unserer Sippe, andere auf zwei Beinen. Der andere, der in der großen staubigen Halle immer Lichtblitze und Staub macht. Da stehen oft diese Donnerdinger und da muss man Lichtblitze rein stoßen. Da bin ich immer nicht hin gegangen. Das gefällt mir nicht, da möchte ich nichts mit zu tun haben. Es stinkt furchtbar. Mit dem anderen wollte ich nie so recht etwas zu tun haben.
Aber jetzt stellt er mir das Fressen hin. Öfter sogar, und mehr. Öfter als ich Eindringlinge vertrieben habe. Ich kann es mir gar nicht alles verdienen. Es steht einfach so da! Und mein neuer Meister berührt mich. Es hatte mich ja erst stark erschrocken, aber dann war es ganz schön am Hals gerieben zu werden. Oder zwischen den Ohren, das ist schön. Und das Fressen steht immer wieder da. Das wusste ich gar nicht, eigentlich ist das Fressen haben viel schöner als aufspringen und dann mit viel Laut auf Eindringlinge zuzustürzen.
Es geht auch gar nicht mehr so gut. Wenn da etwas riecht, dann geht so viel langsamer aufzustehen. Mein Drang ist viel langsamer, wenn der Magen voll ist. Eigentlich trotte ich nur noch auf den Fiesen zu und bringe ihn ganz alleine mit meiner bedrohlichen Erscheinung von seiner Feindseligkeit ab. Ja, so ist es gut, da wollen sie dann auch gut zu mir sein. Ein wenig Kraulen, aber mehr haben sie nicht verdient, dafür, dass sie so gut gehorchen.
 

Wipfel

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hi, ich finde den ersten Satz richtig gelungen. Ausreichend Wort, ein passendes Satzzeichen. Eigentlich genial.

Grüße von wipfel
 

Vagant

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Hallo WerSchreibt,

jo, das passt schon so, denn spätestens in der zweiten Zeile ist es klar, dass hier aus der Perspektive des Hundes erzählt wird. Das muss dann nicht auch noch extra erwähnt werden. Wie denn auch? Ein Icherzähler muss sich allein aus seinem Handeln und aus dem, was er sagt heraus erklären - er kann nicht erst noch ein ellenlanges Statement abgeben: Ja Hallo, ich bin derundder, wohne hierundda und mache diesunddas. Im Roman schon, aber in einer Kurzgeschichte sollte man das umschiffen und den Protagonisten durch die Szenen erklären.
Allerdings fehlt mir bei deinem Hund etwas Eigenes, ein bisschen Personality - so, wie bei vielen anderen Protas hier. Denkbar wären: eine Marotte, ein Sprachfehler, vielleicht eine Dialektfärbung oder eine Vorliebe für ein bestimmtes Vokabular - wobei mir da bei einem Wachhund gleich ein Militär-Polizei-Sprech einfallen würde, also Uhrzeit als ZwölfNullNull, Richtungen in Gradangabe, usw..Oder man könnte ihn so prollig anlegen, wie einen dieser typischen Pitbullhalter - also keine Angst vorm Klischee und einfach mal so richtig schön überzeichnen, auf die Kacke hauen, dick auftragen. Der Plot gibt das ja her, denn man ist ja durch die Wahl des Erzählers ohnehin schon ins Absurde abgeglitten. Wobei ich mit dem auf-die-Kacke-hauen nicht meine, dass du einen Klamauk aus der Story machen solltest; da ist halt Fingerspitzengefühl gefragt, denn das kann dann auch schnell kippen. Paul Auster hat in 'Timbuktu' gezeigt, wie es richtig geht. Mr. Bones erzählt da die Geschichte seines Halters, einem ins straucheln geratenen Tramps, und hat dies allein durch den immer wiederkehrenden Verweis auf die besondere Perspektive - also die permanenten Gerüche und den tiefen, erdnahen Standpunkt - sehr authentisch gestaltet. Durch ein paar zusätzliche Eigenheiten in der Sprache hat man dann einen Hund, dem man auf der Stelle abkauft, er könne nichts anderes sein als der Erzähler.

Gern gelesen, Vagant.
 

WerSchreibt

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Danke für den Tipp, ich habe es gesehen und darüber nachgedacht. Der Hund ist ja ein Gefäß für den Hass, darum sollte der selber eher blass beschrieben werden. Aber natürlich könnte ich da noch etwas hinzufügen. Wenn es besser auf den Leser wirkt.
 



 
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