Vanitas (gelöscht)

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aligaga

Gast
Die Idee, dass der Tod sich verlieben könnte, ist in etwa so alt wie die Menschheitsgeschichte; es gibt sie in vielerlei Variationen. Allerdings ist diesen Mythen allen gemeinsam, dass der Tod es nicht mit seinesgleichen treibt, sondern sich an hübsche, knusprige Sterbliche hält und sie, ob sie wollen oder nicht, mit in sein Reich nimmt. Der olle Schubert hat's kräftig besungen, gleich zwiefach - einmal nach Matthias Claudius in der traditionellen und einmal nach Goethes Pädo-Version.

Bei deinen Gerippen, lieber @Marker, störten Ali die Leere der Schädelkapseln und der Augenhöhlen ebenso wie das Geschepper und Geklapper der Knöcherln. So ein zentralfriedhöflicher Totentanz ist doch recht unglamourös!

Da ist ihm die Version von "Rendezvous mit Joe Black" schon lieber. Brad Pitt spielte den Tod und Claire Forlani die kuhäugige Schönheit. Der Film erwies sich wegen seiner Länge als Kassengift und erschien just in der Zeit, in der Kipper und Ina aufeinandertrafen. @Ali hat gleich zu Beginn seines Romans immer wieder Bezug darauf genommen:
"Schwierigkeiten lösen sich manchmal ganz von allein"; "Ich liebe dich so sehr!"
und, vor allem:
"Muss ich mich fürchten?" - "Nicht einer wie du!"
Heiter immer weiter

aligaga
 

Lord Nelson

Mitglied
Selten wurde eine Skelettdame anmutiger beschrieben. Die brüchige Stimme des Todes zeugt durchaus von Emotion. Der Aame! Sehr passend die Fliegen. Beim Tod erfordert die Schwermut andere Bilder als bei unsereins, und dennoch: ein Gerippe ist, so scheint’s, auch nur ein Mensch. :)

Unsterblich verliebt blieb er wie angewurzelt stehen,
Dass er verliebt ist, schriebst du ja schon eingangs. "Unsterblich verliebt" hat beim Tod natürlich eine andere Qualität, trotzdem erscheint mir der Ausdruck an dieser Stelle etwas zu sachlich.
 

Marker

Mitglied
Hallo ihr beiden!

@ali: Mein Text ist eher der (Corps-Bride)-Romantik eines Tim Burton verpflichtet, als der eines Martin Brest, dessen «Tod-verliebt-sich-in-schöne-Maid» für mich fast einzig wegen dem charismatischen Hopkins sehenswert war). Weshalb monierst du den fehlenden Glamour beim Totentanz? Glamour ist doch nur oberflächliches, klebriges Zeugs, vergleichbar mit Zuckerguss: Schöner Schein. Den braucht bei solch einer Szene nun wirklich keiner …
Gefreut hätte mich z.B. ein Hinweis zu der von mir verwendeten Sprache etc.
@Lord Nelson: Danke! Ja, ich finde Vanitas auch sehr anmutig – könnte mich glatt in sie verlieben. Dieses zweimal erwähnte verliebt ist eindeutig zuviel des Guten, ich hab den Anfang entsprechend geändert.

LG, Marker
 
A

aligaga

Gast
Sorry,

aber da sind @ali und der Rest der Welt anderer Ansicht! Ein Totentanz ist und bleibt ein Totentanz, zutiefst un(gl)amourös. Skelette verliebt und "sinnlich" miteinander tanzen zu lassen, verstößt gegen die angeborenen menschlichen Schlüsselreize: Blut, Knochen und Eiter transportieren alles andere denn Amouröses. Humorig gesagt: Du ziehst "Erotik" dort an Haaren herbei, wo schon längst keine mehr wachsen. Sowas ist eher kindisch als lustig.

TTip: Guck doch mal in McCarthy's "Ein Kind Gottes". Da paart sich der Hauptdarsteller ausschließlich mit toten, gut abgehängten Mädchen. Der Autor erwartet vom Leser nicht, dass der die Gefühle des Protagonisten (er heißt Ballard) teilte, sondern lässt ihn mehr oder minder entsetzt und am Ende ratlos stehen - was soll man mit so einem "Kind Gottes" wohl anfangen?

Gleichwohl heiter

aligaga
 

Marker

Mitglied
Lieber @ali (alias Sprachrohr der Welt). Ja, lass uns zum Pläsier des anwesenden Publikums ruhig ein bisschen die Wort-Klingen kreuzen ;-)
Nö, mein Text ist total unerotisch – aber sinnlich! Lustig find ich ihn auch nicht – aber originell! Vielleicht unter dem Strich doch ein bisschen kindisch? Vielleicht ... Nö, ich denke nicht.

Na, wie parierst Du nun diesen Hieb? Kannst Du gar nicht, und dort wo er trifft, wächst garantiert kein Gras mehr, pardon: Haar!

Unkindisch, mit Kriegsbemalung,
Marker
 

Silbenstaub

Mitglied
Lieber Marker,
durch den Titel „Vanitas“ werde ich als Leserin auf einen Text eingestimmt, der sich auf einer philosophisch/metaphysischen Ebene bewegt. Von daher sind bei mir Assoziationen, beispielsweise an den Film "Rendezvous mit Joe Black", der ja ganz nett anzuschauen ist, aber sonst keine Tiefe zu bieten hat, gar nicht erst entstanden.
Sprachlich arbeitest du mit einer barocken Fülle (die mir bei anderen Texten bisweilen zu viel ist), aber hier der Begegnung sperriger Knochen eine zarte poröse Sinnlichkeit einzuhauchen vermag. Das hat mir gefallen.
Was mir noch auffiel:
Am Anfang verwendest du Bilder wie „Fußball spielen“ und „Bowlingkugel“, finde ich ganz gut, so etwas taucht nicht noch einmal auf. Vielleicht wäre es eine Idee, am Schluss des Textes, auf diese Ebene zurückzukehren.
LG
Silbenstaub
 

Paulina

Mitglied
... aber da sind @ali und der Rest der Welt anderer Ansicht!
Ich nicht!
Ooooh, ich trau mich was! Gehöre ich doch wohl auch zum schäbigen, unwissenden Rest der Welt. Und stolz darauf bin ich auch noch! Na sowas!

Deine Vergleiche, o @ali, hinken auf beiden Beinen. Schau dir die Protagonisten an!
Die Liebe des Todes zu seiner Angebeteten kann ich verstehen. Ist doch der Zustand der Liebsten der, den der Tod anstrebt.
... dass der Tod es nicht mit seinesgleichen treibt, sondern sich an hübsche, knusprige Sterbliche hält und sie, ob sie wollen oder nicht, mit in sein Reich nimmt.
Ist das allgemeingültig, ein Gesetz so zu sagen?
Und warum muss
ein zentralfriedhöflicher Totentanz
glamourös sein?
Schon mal was von Phantasie gehört, @ali?

Lieber Marker, ich verweise an dieser Stelle auf deine sehr schöne Signatur:
Meine Phantasie ist mein Paradiesgarten, aus dem mich auch kein Engel mit gezücktem Schwert vertreiben kann
Lass dich also nicht mit gezücktem Schwert daraus vertreiben!
Nicht von einem Engel und auch nicht vom Sprachrohr der Welt!

Es ist eine gute Kurzprosa, sprachlich und inhaltlich! Schön und treffend gewählte Worte, schön gemalte Bilder!
Deswegen neun Punkte von Paulina! :)
 
A

aligaga

Gast
Die Zu-Stimmungen zu diesem Texterl, wo gesagt wird, wie sexy es sei, wenn ein Skelett am anderen rüttele, weil's so tiefe Augenhöhlen habe, solltest du nicht überbewerten, o @Marker. Es ist zu wesentlichem Anteil der @ali-Effekt, der sich sofort einzustellen pflegt, wenn dieser mit Allgemeinverbindlichkeiten ankommt. Da kriegt so mancher gleich die Kiemenschwellung, wie du bei den nachgeordneten Zuschriften unschwer feststellen kannst (wenn du genau hingucktest).

@Ali bleibt dabei - diese sprachlich recht bemüht angerührte Knöcherlsülze ist nicht "originell", sondern a bissl kindisch. Mit den Köpferln kegelten die Knochenmänner doch schon bei einem, der auszog, das Fürchten zu lernen ...

@Ali wettet, du habest noch gar nicht geschnallt, worauf alles er in seinem Erstkommentar angespielt hatte - unter and'rem auch auf das da. Das ist originell und beweist uns, dass es mit dem originell Sein ungefähr so läuft wie mit der Coolness - die kann man nicht haben wollen, sondern die muss man besitzen. Der Ambros war früher mal richtig cool, und die Gebrüder Grimm waren's zu ihrer Zeit auch.

Anyway - deswegen müssen wir uns nicht in die Wolle kriegen. Das ist die Sach' nicht Wert, meint der böhse @ali

heiteren Sinns

aligaga
 

Marker

Mitglied
Liebe Silbenstaub,

Hab vielen Dank. Möglicherweise sind diese Bilder wie „Fußball spielen“ und „Bowlingkugel“ auch Fremdkörper im Text, eben weil nachher nichts Ähnliches mehr vorkommt. Aber deinen Input finde ich gut und ich werde diesbezüglich mal in mich gehen. Denkbar wäre, dass der Tod sich ganz am Ende den Schädel runternimmt und ihn frustriert in den Nachthimmel kickt (nur so als Beispiel).

Lieber 'böhser' @Ali,

Wir beide kriegen uns bestimmt nicht in die Wolle. Das war doch nur Säbelrasseln von meiner Seite, von wegen Kriegsbemalung und so … Danke für den Link, ich werd’s mir noch anschauen und will auch versuchen, es ganzheitlich zu schnallen. Ich lass Dir gerne deine Ansicht über den Text, es ist okay, wenn Du ihn so empfindest wie von Dir geschildert. Vielleicht hat tatsächlich auch ein bisschen das uncoole Kind in mir mitgetextet, wer weiss.

Wünsche euch beiden ein schönes Weekend,

Bis bald,
LG, Marker
 
A

aligaga

Gast
Noch ein kleiner Hint am Rande: die von @ali zu Beginn angesprochene Pädo-Nummer des Gemeiraths meinte natürlich den "Erlkönig".

Die Ballade wird im Süddeutschen auch als "Das Lied vom Kind mit dem verbog'nen Gesicht" tituliert - wegen der Strophe
"Mein Sohn, was biagst du so bang dein Gesicht?"
Ein Uralt-Schölerwätz.

Quietschvergnügt

aligaga
 

Marker

Mitglied
liebe paulina,
hab vielen dank fuer das lesen, kommentieren, bewerten und verteidigen meines textes. freu mich sehr darueber.
liebe gruesse vom helvetischen dunklen ritter mit dem schwarz-romantischen herzen :)
Marker
 

FrankK

Mitglied
Schön, dieses wunderbare Stück wieder lesen zu dürfen. :)


Beehrt uns auch bald mal wieder die "Magierin" des Maestros?


Herzlichst
Frank
 

Marker

Mitglied
Lieber Frank,
Schoen, nach Jahren wieder von Dir zu hoeren, ich hoffe, Du bist wohlauf. Ja, ich stelle einige fruehere Werke unter neuem Nickname wieder in die Lupe. Du hast seinerzeit meiner Skelettdame mit guten Argumenten das Grinsen ausgetrieben. Die Kommentare dazu finden sich noch unter meinem alten Namen. Ob ich die Magierin auch wieder reinstellen werde, weiss ich noch nicht. Geplant ist eine Mischung aus eben aelteren und neueren Texten. Mal schaun ...
Wuensche Dir eine gute Zeit, lieber Frank!
Bis bald,
Marker/Markus
 
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