Vater

1,50 Stern(e) 2 Bewertungen

Verboholiker

Mitglied
Vater

Im Halse schreit der Mann * mit Sehnsucht nach Verderben
Wo Strick und Stahl das Fleisch * zerreißt und Himmels Nacht
Im Blitzlicht, Brüder, Gott * hat Sinnvolles gemacht
Mein Vater setze Dich * beschaue dieses Sterben

Absituiere es * was du nicht kannst beschaun
Mein Vater, du kannst sehn * wie Lebensglut vergeht
Wie Himmelssterne drehn * wie Mondenschein verdreht
Sich über Mutters Grab * dies Manne anvertraun

Verderben schreit der Mann * und Vater schreit es auch
Die Schlinge zieht sich zu * der Vater hält die Hand
Im Morgen, Stille, hat * der Vater sich gezeigt

Im Morgen dreht der Mond, der Vater dreht sich ab
Am Abend betet er die Senkgrube hinab
Er hält sehr sachte seine Hand. Er betet.
 
A

AchterZwerg

Gast
Es geht um Golgatha?
Ich frage besser vorsichtig nach, bevor ich mich in die Nesseln fallen lasse ...
Zwergengrüßle
 
G

gitano

Gast
Hallo Verboholiker!
Die ZwergIN wird sich wahrscheinlich sehr gut mit dem Inhalt auseinandersetzen, sodaß ich mich mal auf die anderen Aspekte einlasse:

Versform
Alexandrinerlängen, aber kein wirklicher Alexandriner weil die Halverse wenig kontrastierend sind (und einige metrische Schwächen haben) und die Zäsur schwach und nur als Einschnitt in eine lineare Erzählweise greift.
Andreas Gryphius, Martin Opitz und Zeitgenossen in Deutschland und Frankreich lassen grüßen:
Beispiel aus "Der Abend" Andreas Gryphius (um 1650)

Der schnelle Tag ist hin / die Nacht schwingt ihre Fahn /
Und führt die Sternen auff. Der Menschen müde Scharen
Verlassen feld und werck / Wo Thier und Vögel waren
Trauert itzt die Einsamkeit. Wie ist die zeit verthan!

Ich denke hier ist das kontrastieren der Halbverse gut zu vernehmen undes wurde poetisch genutzt.

Textform:
grafisch dargestellt als Sonett, aber ohne ein Sonett zu sein! Warum?

Weder in der Aufbereitung des Inhaltes - noch in den formalen Anforderungen, also ganz weit entfernt davon.
Abweichungen von traditionellen Formen als "experimentell" zu postulieren...dazu gehört einfach formale Innovation die in Beziehung zum Inhalt steht.

Reimschema:
aBBa CDDC EFG HHG (mit Fehlern im zweiten Teil)
die überwiegend männlichen (neben den Fehlern und dem nichttragenden Konzept) Reimendungen stumpfen den Klang am Zeilenende deutlich ab.
Auch Gryphius und Zeitgenossen haben klare Reimkonzepte gehabt die sich an den Inhalten orientierten!

EXPERIMENTELLE LYRIK?
Meiner Meinung nach eher formal und in der inhaltlichen Aufbereitung nicht beherrschte Textform.

Auch jenseits eines Sonettes fehlen mir schlüssige Handlungsstränge

Fazit:
Der Text hat "Werksattzustand"
Form und Inhalt stellen m.M. nach kein Experiment im Sinne von Lyrik dar, sondern die Anforderungen einer bestimmten Textform wurden nicht beherrscht /durchgehalten

inhaltlich mangelt es m.M.nach an Schlüssigkeit

Positiv bleibt zu erwähnen, daß anscheinend ein Interesse an festen Formen ersichtlich wird. Für weitere Versuche und einen Lernweg eine wichtige Voraussetzung!

Weiterhin viele interesante Entdeckungen wünscht
gitano
 

Verboholiker

Mitglied
Hallo Zwerg, hallo Gitano,

"Golgatha" wird auf jeden Fall ein gutes Stichwort sein. Schade, dass es so negativ bewertet wird. Liegt wohl an der Quasi-Sonett-Form, die natürlich Aufmerksamkeit bezieht und dadurch einer besonderen Begutachtung inkl. der … formalen Aspekte unterliegt.

Die Frage ist trotzdem, warum man hier von "formalen" Fehlern schreibt. "Grafisch dargestellt als Sonett, aber ohne ein Sonett zu sein! Warum?" Das wird auch noch fett gedruckt, als habe es eine unglaublich wichtige Bedeutung und sei besonders... empörend. Deswegen habe ich es ja nicht in den "festen Formen" untergebracht, weil es eben kein funktionierendes Sonett ist. Das soll es auch nicht sein, so behauptet es sich auch nicht.
Auch zum Reimschema: Zitat "aBBa CDDC EFG HHG (mit Fehlern im zweiten Teil)" - Mit Fehlern im zweiten Teil? Und schlüssige Handlungsstränge? Reden wir noch von Lyrik?
Der Text habe "Werksattzustand [sic!]". Es werde ein Interesse an festen Formen [in die es nicht hinein gehört, Anm. d, Schreibers] ersichtlich, und jetzt mein persönlicher Lieblingssatz aus dieser Rezension: „Für weitere Versuche und einen Lernweg eine wichtige Voraussetzung!“. Das klingt so: „Der Schüler beherrscht ansatzweise die Grundkenntnisse des Stoffes, weiß sie aber noch nicht recht umzusetzen. Kopfnote 4 oder 5“.
Was ist das für eine Form der Kritik? Muss sie denn direkt schulmeisternd sein? Wir kennen uns alle, meistens, gegenseitig nicht, da MUSS man, wie ich finde, zunächst das Beste glauben und das Schlechteste höchstens ahnen. Zumindest ist es so, dass ich mich vielleicht, was gewisse „Experimente“ angeht, zurückhalten werden muss, aber es wird auch so sein, da bin ich ganz sicher, dass hier Kritiker wie Du sich in der kritischen Würdigung beweisen müssen, was für mich auch bedeutet, jedem Werke seine Daseinsberechtigung von Natur aus einzuräumen, und das heißt auch, dementsprechend darauf einzugehen, fernab von irgendwelchen Formalitäten.
Nur ganz nebenbei, so mache ich es: Ich schaue mir an, welche Werke die wenigsten Reaktionen hier im Forum haben, und diese lese ich genauer.

Nun, Gitano, trotzdem danke ich für Deine Mühe, das hier gelesen zu haben. Ich schaue mir auch mal Deine Dichtung an. Und das sit keine Drohung (s. o.)

Gruß,

Der Verboholiker
 
G

gitano

Gast
Hallo Verboholiker!
Die "3" als Bewertung ist nicht von mir! oder der ZwerGIN

Wenn Dein Text genauso gedacht war, wie er hier steht - und eben nicht ein aus dem Ruder gelaufener Sonettansatz mit Alexandrinern ist, Wäre mein Kommentar von oben natürlich unpassend!

Es bleiben die Fragen nach der Versform
und
es werden noch sehr viel mehr Fragen auf als vorher aufgeworfen:
nach Form im Verhältnis zu Inhalt.

Du schreibst selbst von einer "Quasi-Sonettform"...was dies nach Deiner Auffassung ist kannst Du uns vielleicht mal näher bringen.

Anscheinend hat Dich der "Tonfall" meines ersten Beitrages genervt ...dies war natürlich nicht meine Absicht, sorry bitte! Ich gliedere gern (einfach der Übersicht halber) und habe nix mehr als eine Meinung die niemals Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt! Die aber sehr wohl ihre Annahmen begründet und ich habe auch mehrmals betont daß dies meine Meinung ist. Andere werden vielleicht andere Meinungen haben und vertreten...:

Vielleicht äußerst Du dich ja mal zu den angesprochenen Kritikpunkten?

Vom Inhalt verstehe ich trotz größerem Bemühen nur Fragmente ...aus Inhalt und Form ergibt sich für mich kein "Gesamtbild" einer Idee

Wenn ich nun als Leser (der experimentelle Lyrik mag und selbst auch Einiges schreibt) auf Deine Hilfe angewiesen bin zu verstehen...wie mag es den weniger geübten Leser gehen?

Vielleicht hast Du auch ein Bild oder einen Eindruck als Idee die/der sich aber leider auf Leserseite (im Text) nicht
so schlüssig wiederfindet? Oder schließt Du dies aus?

Wenn mir Dein Text egal wäre...würde ich mich damit nicht so lange und ausführlich befassen. Ich bräuchte nix schreiben- sondern vielleicht nur punkten. Ich dachte Du bist an einem Lese-Eindruck interessiert....der muß Dir ja nicht zwingend gefallen

ja, schau mal auf meine problematischen Texte!
und Tschüß
gitano
 

Verboholiker

Mitglied
Hallo Gitano,

habe nur etwas gegen Kommentare, die, wie ich es schon angemerkt habe, schulmeisternd, belehrend sind. Das würde ich niemals tun bei Künstlern, die ich nicht kenne, von denen ich immer nur einen Augenblick einfangen kann. Es soll hier, auf der Leselupe, doch nicht darum gehen, jemanden zu zügeln oder zurechtzuweisen, so wie es bei Dir - in Deinem Kommentar – offensichtlich den Anschein hatte. Zitate habe ich schon in meiner letzten Nachricht gebracht.
Aus meinem Studium kenne ich: Nimm zunächst den Text an, auch die Widersprüche, die Stilbrüche etc. und bestimme das, was Du überhaupt wissen kannst - und bewerte es zunächst neutral. Ganz nach dem Prinzip von Histoire und Discours. Da geht es doch nicht um Kohärenz, um Plausiblität, um Schönheit, um Gefälligkeit schon gar nicht, finde ich. Auch erwarte bitte jetzt nicht von mir, dass ich mich großartig dazu äußere. Aus der Ecke heraus lässt es sich nicht gut zu Unmöglichem äußern. Versuche doch selbst mal, etwas tiefer zu gehen, ohne die ganzen „formalen Fehler“ zu beachten. Fang doch an wie der 8. Zwerg, das ist schon ein guter Ansatz. Und im Dialog erschließt sich, worum es geht und wo und wie und warum es „Fehler“ zu geben scheint.
Natürlich weiß ich es zu würdigen, dass Du Dir den Text überhaupt angesehen und letztlich mindestens zwei Kommentare dazu abgegeben hast. Nun gut.

Gute Nacht!,

Der Verboholiker
 



 
Oben Unten