Vater und Sohn

Heidi

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Vater und Sohn

Harry stieg aus seinem silbernen BMW, schloss die Tür ab und ging forschen Schrittes den mit Feldsteinen gepflasterten Weg zu seinem Elternhaus. Er fühlte sich nicht wohl in seiner Haut.
Harry sah um die Hausecke.
„Tach, Vater.“
„Dach, mien Jung.“
„Wußte ich doch, dass ich dich hier im Garten finde.“
„Jo, bi denn Weller.“
Harrys Vater lehnte den Spaten an den Maschendrahtzaun, nahm sich
Seinen speckigen Elbsegler vom Kopf, wischte sich mit der rechten Hand den Schweiß von der Stirn und setzte die Mütze wieder auf.
„Datt freit mi, datt du kummst.“
„War grad in der Nähe und da wollt´ ich mal reingucken.“
„Denn kumm man her. Bin sowieso all ferdig mit den Umgroben.“
Wilhelm schlurfte in seinen Gummistiefeln zur Gartenbank und machte eine einladende Handbewegung.
„Sett di dol. So schick in Schale hüt?“ Wilhelm musterte seinen Sohn von oben bis unten.
„Ja, komm grad` von Kundenbesuchen.“
Es herrschte eine gespannte Stille.
„Is watt besünners, Harry?“
„Nein, nein. Ich bin froh, dass ich es heut´ mal geschafft habe, dich zu besuchen, Vater. Weißt du, die Arbeit. Wie oft wollte ich schon kommen, aber nun hab ich es zum Glück mal geschafft.“
„Datt freit mi.“
„Rita wär´gern mitgekommen, aber nun passte es heute so gut mit meinem Terminplan. Soll dich schön grüßen. Sie ist auch gerade ziemlich erkältet.“
„Oh, dat deit mi ober leid. De is ja oft krank.“
Die Blicke trafen sich, sein Sohn wandte sich ab.
Wilhelm stopfte sich seine Pfeife und zog dann schmatzend an dem Endstück. Er sog den ersten Zug tief ein und atmete den Qualm genüsslich aus.
„Was machst du denn so den ganzen Tag, Vater? Muss doch langweilig sein.“
„Och nee, dat geit. Siehst jo, de Gorden, de hält mi in Trab.“
„Ja, aber wozu eigentlich? Das Gemüse könntest du dir auch kaufen. Ist so billig heutzutage.
„Lot man, mi macht de Orbeit Spoß.“
Sein Blick wanderte den Fluss entlang, hielt an dem Entenpärchen inne,
welches gerade das Ufer an der gegenüberliegenden Seite hinaufwatschelte.
„Wie geht´s denn deinem Bein? Wir haben uns große Sorgen gemacht, Vater.“
„Allns best“, nuschelte Wilhelm undeutlich und ließ die Laute links und rechts an seiner Pfeife vorbeirauschen.
„Du Vater, Benni hat ja Konfirmation in drei Wochen. Wollt dich nochmal dran erinnern. Du kommst doch?“
„Klor, ick kumm.“
„Rita läßt fragen, ob du was zum Anziehen hast. Sonst würde sie mit dir nochmal zum Einkaufen fahren.“
„Nee, deit nich nödig. Ick heff watt tun Antrecken. Ick loup ans ja uck nich nackt.“
„Nein, so ist das ja auch gar nicht gemeint. Übrigens, mit ´nem Geschenk... Weißt du, die jungen Leute heute...“
„Ick heff schon een Geschenk.“
„Hast du es schon gekauft? Soll dir von Rita ausrichten, dass er sich sonst Geld wünscht. Du weißt ja, die Jugendlichen haben so große Wünsche heute.“
„Nee, nee ick heff schon een Geschenk.“
Stille.
Ohne seinen Kopf zu bewegen, sah Harry zur Uhr. Er wandte nur seine Augen nach links unten an sein Handgelenk.
„Wedder no Hus?“
„Nee, nee, Vater. Hab noch Zeit. – Sei froh, dass dein Fahrradsturz so glimpflich verlaufen ist. Es wäre ja nicht auszudenken, wenn...“
„Nee, allns weller klor. Mi geit dat got.“
„Du hast einen Schutzengel gehabt, Vater. Soll dich noch von Rita fragen...“
„Rita, Rita, Rita... Schull se man süms komen wenn se wat frogen wull.“
„Du weißt doch, sie ist krank. Sonst...“
„Verstoh schon. Watt will se weten?“
„Och, nichts bestimmtes. Nur macht sie sich ja solche Sorgen um dich.“
„Sorgen? Dat wunnert me jo, datt se dann nich mol komen deit.“
„Ach, der Haushalt, die Kinder, aber sobald sie wieder gesund ist, Vater...“
„Is schon good.“
Schweigen
„Ja, an deinem Haus alles in Ordnung, Vater? Am Dach müsste auch mal was gemacht werden.“
„Jo“
„Wenn das erst kaputt ist und es erst reinregnet.“
„Is nich kaputt.“
„Noch nicht.“
„Nee, noch nich.“
„Immer kannst du hier ja auch nicht wohnen?“
„Nee, wenn ick dood bün, nich meer.“
„Wer spricht denn vom Tod, Vater. Bis dahin...“
„Bis dahin wohn ick hier.“
„Ja Vater, das wäre dir ja zu wünschen, aber man weiß ja nie. Und mit deinem Haus, weißt du, wenn da nicht was dran gemacht wird, dann... . Rita sagt auch, dass..“
„Watt denn? Wilhelm rückte sich seinen Elbsegler zurecht.
„Watt hett de denn to seggen öber min Hus?“
„Sie macht sich eben Gedanken. Vielleicht wärst du woanders besser aufgehoben. Falls dir mal was passieren sollte. Denk an deinen Nachbarn. Ein Schlaganfall und schon musste er ins Heim.“
„Jo, ober solang hat er in sin Hus wohnt. Un dat mok ick uk.“
„Vater, nun hör doch mal zu!“ Harrys Ton verschärfte sich.
„Bruks ja nich gleich zu schriegen.“
„Mit dir ist ja einfach nicht zu reden!“
„Wüso? Wie schnackt doch die ganze Tied. Segg doch watt du wullst. Jümmer um den heeten Brei herum.“
„Vater, was du gleich denkst!“
Harry hob seinen linken Arm, sah auf die Uhr.
„Oh, nun wird es aber Zeit! Schon gleich sechs!“
Harry erhob sich, stand einen Moment neben seinem Vater.
Wilhelm streckte ihm die Hand entgegen.
„Ja denn Tschüß bis in dree Weeken.“
Harry gab ihm die Hand.
„Tschüß Vater.“
Harry ging mit ungutem Gefühl zurück zu seinem Wagen und fuhr zu seiner Familie.
 



 
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