Vatertag

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Aceta

Mitglied
(Heute, da ich es schreibe
und da ich es poste:
es ist - rein zufällig ?!
- gerade jetzt "Vatertag")

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Vatertag

„Sehen Sie nur!“ er wies auf das Hologramm mit graphischer Darstellung der Chromosomen.
„Ja“, antwortete sie und wirkte resigniert.
„Die Telomerenverkürzung ist weit fortgeschritten.“
„Ja,“ pflichtete sie bei, dabei klang ihre Stimme keine Spur fröhlicher als zuvor.

Fassungslos beobachtete ich die Szenerie und verstand doch so wenig von dem, was meine Augen und Ohren wahrnahmen!
Wie eine unbeteiligte Beobachterin saß ich wie ein kleines Mädchen in der Ecke des Raumes auf einem Stuhl neben dem Krankenbett. Drei ernste Gestalten in diesem Raum besprachen gerade, was sie eigentlich mir erklären wollten, vergaßen offenbar völlig, dass ich längst anwesend ihnen zuhörte und jedes ihrer Worte, jede Geste, jeden Gesichtsausdruck zu deuten bemüht war um überhaupt zu verstehen ...

„Die Telomere sind die Enden der Chromosomen“, wandte sich die Frau an mich. „Wir wissen seit langem, dass die Länge der Telomeren mit zunehmendem Lebensalter abnimmt. Genau genommen mit jeder Zellteilung. Irgendwann sind sie verbraucht, genau wie Lebenskerzen, die niederbrennen in den Märchen der Kinder.

- Ich erinnere mich an Tabaluga, den Drachen, der die Lebenskerze seines Vaters im letzten Flackern sah: Tyrion starb danach in wildem Kampf mit den Winden, erinnere ich mich, wurde gegen Felsen geschmettert und hauchte sein Leben aus mit einem versöhnlichen Bekenntnis zu seinem Sohn.
- Wie nahe, überlege ich, bewegt sich diese Geschichte heute an meinem Schicksal!

Freilich bin ich nicht Drache, glaube ich nicht an Lebenskerzen, die der Tod ausblase in fremdzaubernen Höhlen.

Doch wo die Ärzte mir nun von Telomeren berichten, sind Wirklichkeit und Kindermärchen einander allegorisch schier unglaublich nahe!

Mein Vater also – gegen die Winde der Zeit im letzten und entscheidenden Kampf, von dem sie mir bereits jetzt sagen, er werde ihn nicht bestehen? Mein Vater wie Tyrion, der Drachenvater?
... und meine Rolle? – In meiner Zeit?
Ich bin nur seine kleine Tochter, wie eine Kerze in windiger Nacht – wohin könnte der Schein meines Lichtes reichen?

Mein Vater ist Wissenschaftler und Politiker. Eigentlich aber verstand ich ihn stets wie einen Priester, wie einen indianischen Medizinmann, der seine Rolle in unserer modernen Gesellschaft gesucht und gefunden hat.

Sie reden jetzt auch nicht von „Krebs“, von „schwachem Herz“ –
Sie flüstern mir schlicht und ergreifend zu: sein Leben sei verwirkt, verbraucht, zuende!
Medizin kann dem Leben helfen – nicht jedoch den Tod besiegen!

Er war eine große Seele, ein ordnender Geist und eine Stütze für so viele Menschen. Er konnte hart sein – gleichermaßen gegen sich, gegen mich und gegen andere – aber er war es aus einer inneren Überzeugung und er war gerecht gegen andere wie gegen sich selbst. Er trug den Schatz einer Weisheit in sich, der ihm zu entscheiden erlaubte, wo andere Menschen verzweifelten. Er konnte zu den Entscheidungen stehen mit Gelassenheit und Zuversicht.

Sein Lebenslicht flackere – wie Tyrions Kerze?
Ich kann es nicht glauben – doch ich spüre, es gibt noch eine andere Wahrheit.

Ich sehe zu ihm hin und bemerke, wie seine Augen wach sind und auf mir ruhen.
Ich wende mich ihm zu, halte seine Hand und spreche ihn leise an. Aber er will keinen Trost, keine Beschwichtigung.
Er drückt meine Hand, als würde ein Vertrag besiegelt –
... und er lächelt mich dabei an.

„Ohh, Papa!“ möchte ich schreien. „Wenn ich mit meiner Liebe die Enden deiner Telomere aufglühen lassen könnte, würde ich es tun! Wenn ich dir von meinen deinen Genen etwas zurück geben könnte, würde ich so viel -
ohh -
so viel möchte ich noch von dir erfahren!“

Spüre eine Kraft in mir, seinen Geist empfangend, seine Zuversicht, seine Klarheit.
Schaudere und möchte mich schütteln, wie alles über mich fällt.
Doch ich halte es aus:
Ich ertrage Wahrheiten und Geheimnisse ...

Ich werde unser neues ICH ...
 

Holomino

Mitglied
Tschulligung,

ganz unschuldig gefragt: was macht dieser Beitrag bei SciFi?
Technischer Fehler? (traue niemals der Software Deines Rechners)
 

Aceta

Mitglied
Hi,

aus der Tatsache, es gerade hier eingestellt zu haben hatte ich erwartet, es werde mit einem Hintergrund gelesen und verstanden, der sich aus der Beschreibung des Forums ergibt.
- Wenn ich noch mehr selbst dazu erklären muss, dann habe ich wahrscheinlich falsch entschieden.
Ob der Text dann besser in "Märchen" gehört, zweifle ich an, denn die Allegorie ist nicht der Inhalt.
Ob ich besser in "Tagebuch" eingestellt hätte? - Ich hatte es bereits - fand aber meine Idee dort schlecht aufgehoben.

Darüber, mich mit diesem Text nicht klassisch "auf der Linie" zu bewegen bin ich mir aber durchaus im Klaren und hatte diese Frage erwartet.
Ich will sie aber nicht anders beantworten als eben mit: ich habe es bewußt ausgewählt ... und nicht der Software meines Rechners überlassen, ein Forum zu finden!

Wer mag meine Intention nachempfinden?
*lächel*

Aceta
 

endlich

Mitglied
Hallo aceta,

naja, sooo falsch aufgehoben finde ich es nun auch wieder nicht hier, jedenfalls wenn man die Idee zugrunde legt, dass die Menschen noch irgendwann lernen, Gedanken und Erfahrungen ohne Worte auszutauschen. Außerdem guckt in diesem Zusammenhang heute ja wohl keiner nach irgendwelchen Telomeren, die kürzer werden, oder?
Davon abgesehen, wohin sonst damit?

Viele Grüße
endlich
 

Nina H.

Mitglied
Ich finde die Zuordnung zur SF gerechtfertigt. Immerhin vermischt sich hier wissenschaftliche Erkenntnis mit Fiktion. Heute würde noch kein Arzt die Länge der Teleomere messen, um zu sehen, wie es um seinen Patienten bestellt ist – das ist derzeit noch „Zukunftsmusik“.
Der Text war äußert interessant zum Lesen und hat mich zum Nachdenken angeregt.

Hier noch ein paar Verbesserungsvorschläge:
Eigentlich aber verstand ich ihn stets wie einen Priester, wie einen indianischen Medizinmann, der seine Rolle in unserer modernen Gesellschaft gesucht und gefunden hat.
Zum einen finde ich, dass man mit Wörtern wie „eigentlich“ außerhalb der wörtlichen Rede sehr sparsam umgehen sollte. Zum anderen: Müsste es nicht „als“ statt „wie“ heißen?

Sie flüstern mir schlicht und ergreifend zu: sein Leben sei verwirkt, verbraucht, zuende!
Ich bin mir nicht ganz sicher, wie es in der neuen Rechtschreibung aussieht, aber an und für sich glaube ich, dass man nach dem Doppelpunkt groß weiterschreibt. Vielleicht sollte man noch „ist“ statt „sei“ verwenden. Und es müsste doch „zu Ende“ heißen.
 

Aceta

Mitglied
Guten Abend -

ich war wieder einige Wochen im Ausland und besuche nun meine Threads ... Danke für die Gedanken, Vorschläge und überhaupt: für Euer Interesse!

"Als oder Wie": ich nehme mir die dichterische Freiheit, es so geschrieben zu haben ...

Falls es sprachwissenschaftliche Kommentatoren herausfordert, bin ich auf deren Stellungnahme gespannt - bei den "Deutschklausuren" meiner Kinder sind die Probleme viel, viel, viel profaner (leider) ...

"Alte und neue Rechtschreibung":
Ich bin Opfer - nicht Täter!

Meine Computerprogramme (familiär werde ich zu neuen Programmversionen gedrängt) arbeiten mit der "neuen" Rechschreibung. Ich komme deshalb kaum umhin, diese zu achten.
Aber was passiert bei Ausnahmen?
-> Ich entscheide nach meinem Gefühl.

Ich habe aufgegeben, nachzuschlagen und zu suchen, was "richtig" wäre - ich bin mein eigenes Maß!!

(Ich schreibe seit ca. 20 Jahren ... alles, was ich früher schrieb wäre "falsch"?) - Vielleicht bis heute unveröffentlicht - und nun ??

Lese in Jugendbüchern meines Vaters - und erschaudere, wie sehr Tradition durch den Wandel der Regeln zerstört werden kann! (Wer kann denn "Sütterlin" noch lesen?)

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Diese Diskussion in SF ?!
Ja !!
es ist ein originäres Problem dieses Forums!
Zugegeben - eher inhaltlich als formal ... (ohh !?)

Aceta
 

Nina H.

Mitglied
Ich bin selbst ein Vertreter der alten Rechtschreibung und stehe damit sicher nicht alleine da. Ich schreibe so gut wie alles alt, es sei denn, es wird ausdrücklich anders verlangt (z.B. in einer Wettbewerbsausschreibung).
Ob alt oder neu ist immer noch Geschmackssache - nur Mischformen sollte man vermeiden. Wer ein neues Wordprogramm hat, kommt jedoch oft nur schwer umhin, denn manche Dinge (z.B. daß in dass) werden einfach automatisch ausbessert, trotz dem Abschalten der Autokorrektur. Was Grammatik anbelangt: Das ist - abgesehen vielleicht von experimenteller Lyrik - doch etwas, wo die künstlerische Freiheit aufhört und es anfängt, einfach nur falsch zu sein. Das soll jetzt kein persönlicher Angriff sein, ich denke jedoch, daß sich eine Tilgung solcher Fehler auf jeden Fall lohnt und eine Verweigerung auch einer möglichen Veröffentlichung in gedruckter Form im Wege stehen würde.
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Punkt 1:

„Eigentlich aber verstand ich ihn stets wie einen Priester, wie einen indianischen Medizinmann, ….“
heißt: ich verstehe ihn, wie ich einen Priester/Medizinmann verstehen würde

„Eigentlich aber verstand ich ihn stets als einen Priester, als einen indianischen Medizinmann, ….“
heißt: ich verstehe ihn so, dass ich ihn genausogut Priester / Medizinmann nennen könnte.

Das sind zwei völlig verschiedene Aussagen – "wie" oder "als" ist also keine dichterische Freiheit, sondern eine fundamentale Entscheidung über die Aussage, die getroffen werden soll.

Im Kontext wird schnell klar, dass hier "wie" schlichtweg falsch ist.




Punkt 2:

Die Übergabe des Gedankengutes an das "Kind" ist kaum mehr als eine vage Vermutung – sie wird im Text durch nichts vorbereitet und eigentlich auch nicht gesagt. Da dies aber das Einzige ist, was dem Text eine gewisse Hierseinsberechtigung verleiht, empfehle ich, es deutlicher zu machen.




Punkt 3:

„Sie reden jetzt auch nicht von „Krebs“, von „schwachem Herz“ –
Sie flüstern mir schlicht und ergreifend zu: sein Leben sei verwirkt, verbraucht, zuende!“

Wieso? Haben sie das vorher – von Krebs geredet und von "schwachem Herzen"? Wenn ja: Im Zusammenhang mit dem Vater? Wenn ja: Dann hat die Telomeren-Verkürzung hier nichts zu suchen: Diese Patienten sterben nicht am Altern (nichts anderes ist die Telomerenverkürzung) sondern am vorzeitigen Versagen bestimmter Organe.



Punkt 4:

„Fassungslos beobachtete ich die Szenerie und verstand doch so wenig von dem, was meine Augen und Ohren wahrnahmen.“

Wenn jemand etwas fassungslos beobachtet, dann heißt das ja schon: "fasst er es nicht".
Hier: Entweder: "Fassunglos beobachtete ich die Szenerie und verstand nicht…" oder "Fassungslos beobachtete ich und weigerte mich, zu verstehen…"



Punkt 5:

„Wie eine unbeteiligte Beobachterin saß ich wie ein kleines Mädchen in der Ecke des Raumes auf einem Stuhl neben dem Krankenbett.“

Meinst du: "Wie eine unbeteiligte Beobachterin saß ich in der Ecke" ODER "Ich saß wie ein kleines Mädchen in der Ecke"? Beides sind zwei völlig verschiedene Bilder. Auch wenn ein kleines Mädchen auf den ersten Blick wie eine unbeteiligte Beobachterin wirken kann, wird allein durch die Tatsache, dass sie als kleines Kind die Energie aufbringt, zu beobachten, suggeriert, dass etwas am Geschehen ihr sehr nahe geht (und sie innerlich sehr wohl beteiligt ist).


Punkt 6:

Ist sie nun ein Kind? Die Art, wie die Krankenschwester (?) mit ihr redet, legt es nahe. Auch dass sie an Tabaluga denkt (was ich als Maffay-Fan NIE in so einer Situation täte!), legt das nahe. Aber dann stimmt die ganze Sprache nicht – die ist so "hoch", wie sie kein Kind benutzen würde (nicht mal zum „was Schönes Schreiben", geschweige denn zum (Durch)Denken – erst recht nicht, wenn der Vater grade stirbt.)
Ja, wenn sie vorher kindlich spräche und nach der Vereinigung dann so…


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Am Rande dieses Threads, zugleich ganz grundsätzlich und nicht zur Diskussion stehend:



„Ich habe aufgegeben, nachzuschlagen und zu suchen, was "richtig" wäre - ich bin mein eigenes Maß!!“
…aber nicht hier! Hier gilt die deutsche Rechtschreibung. Vornehmlich die neue, bei alten Sachen (, die so lang sind, dass Umschreiben echt mühsam wäre) von mir aus die alte.
 



 
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