Verdrehter Tag

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tastifix

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Bereits in der Nacht vor jenem denkwürdigen Tage fing es an:
Mich quälten schlimme Albträume. Unruhig wälzte ich mich im Bett hin und her. Alle Stunde schreckte ich hoch und warf einen verzweifelten Blick auf die Uhr, um frustriert festzustellen, dass es immer noch mitten in der Nacht und somit Zeit des Tiefschlafes war: 1 Uhr, 2 Uhr, 3 Uhr, 4 Uhr. Erst dann gelang es mir doch tatsächlich, oh Wunder, für die verbleibenden knapp zwei Stunden Nachtruhe nochmals einzudösen. Gottlob erging es mir in meinen Träumen nicht so arg wie meiner Tochter Katja, die nachts zuvor in einem Geisterschloss gelandet und letztendlich von Hunden gefressen worden war. Doch auch meine Abenteuer im Traumland waren nicht von Pappe!

Deshalb am Morgen jenes denkwürdigen Tages dementsprechend schweißgebadet, toll ausgeschlafen und bester Laune erhob ich mich Punkt 6.30 Uhr aus dem Bett. Das sah meiner verrückten Träumerei wegen so zerwühlt aus, als ob eine ganze Horde Teenager dort eine wilde Partie gefeiert hätte. Wie dreimal durch den Wolf gedreht fühlte ich mich. Heute käme ich nur sehr schwer in die Gänge. Gut nur, das der Mist nur ein Traum gewesen war!

Es war Wochenende. Am kommenden Montag stünde Katja, meiner Jüngsten, ein sehr wichtiger Termin in Soligen-Ohligs bevor, der unter keinen Umständen verpasst werden durfte. Wegen der dringend erforderlichen, pünktlichen Ankunft meiner Tochter wollte ich ihr eine Taxifahrt dorthin spendieren. So machte ich mich also nach dem üblichen Spaziergang mit meinen Hunden zeitig auf den Weg zur Sparkasse, um das Geld für die relativ teure Fahrt abzuheben.

Zum Glück bedeutete das nur einen Katzensprung, es war schnell erledigt. So überlegte ich, aber nach einer zum Drittel durchwachten Nacht ist zuviel Denken wohl schädlich für´ s Gehirn und bedeutet Überlastung. Genau das sollte ich in den nachfolgenden Minuten eindrücklichst bestätigt sehen. Denn ich stand vor dem Geldautomaten und erinnerte mich doch tatsächlich nicht mehr an meine Geheimnummer. Die Ziffern kriegte ich ja noch zusammen, aber deren Reihenfolge... ? Verflixt - so ein Mist! Kam mir nicht schleunigst die Erleuchtung, müssten Tina, Katja und ich eifrigst zusammenlegen, um Katja die Fahrt zu ermöglichen.

Auf die Deutsche Bahn oder die anderen öffentlichen Verkehrsmittel verließ ich mich da besser nicht. Ausgerechnet an einem solchen Tag verspätete sich die S-Bahn mit wahrer Vorliebe oder erschien erst gar nicht. Nur „versehentlich“ gab es ab und an doch tatsächlich eine entsprechende Durchsage aus dem Lautsprecher. So stand der „gut erzogene“ Kunde des öffentlichen Verkehrswesens sicherheitshalber wie bestellt und nicht abgeholt doof auf dem Bahnsteig herum und wartete auf den Zug, der ja eventuell wider Erwarten denn doch noch eintrudeln könnte. Oft genug tat er das aber nicht! Aber, beging man den Leichtsinn, dem Bahnsteig etwa dreist den Rücken zu kehren und im Dauerlauf zu der nur wenige Schritte entfernten Bushaltestelle zu spurten, sah man garantiert beim zögerlichen Blick zurück den erhofften Zug einfahren. In dessen Richtung umzukehren, wäre zwecklos gewesen, denn genau während dieser Minuten verschwänden dann natürlich sowohl der liebe Bus als auch die S-Bahn, worauf dann der Möchtegern-S-Bahn-Fahrgast ziemlich sauer und blöd aus der Röhre guckte! Außerdem, standen wichtige Termine an, war sogar der Bus keineswegs immer zuverlässig zur Stelle.

Wie lautete denn noch mal diese dämliche Nummernfolge? Des fehlenden Schlafes und beträchtlicher innerer Unruhe wegen dieses Termins ziemlich neben mir stehend, startete ich frustriert einen Eingabeversuch. Falsch! Ich überlegte nicht mehr, sondern tippte meine Ziffern aufs Geratewohl in beliebiger Reihenfolge ein. Erst recht verkehrt! Jetzt war ich innerlich so down, so dass ich einfach auf die Tastatur einhieb, als ob ich Klavier spielen wollte. Als Antwort auf meine Dreistigkeit teilte mir der nette Automat nach diesem dritten Flopp höflich mit, dass eine Rücksprache mit meiner Sparkassenberaterin angeraten war. Nach toller dreifacher Fehlleistung wurde mir die weitere Nutzung der Geldautomaten der Sparkasse vorübergehend verwehrt. Diesen Hinweis auf das Beratergespräch verbuchte ich unter „extrem hilfreich!“, denn bekanntlich war Samstag und die liebe Sparkasse zu. Wütend auf mich selber und die verfahrene Situation überlegte ich, wie gemeinsam mit meinen Töchtern das Finanzielle zu regeln war.

Doch der dicke Klops kam ja erst noch: Kaum mehr als fünf Schritte vom Automaten entfernt, fiel mir schlagartig ein, dass ich zur Sicherheit die Nummer in einem winzigen Seitenfach meines Geldtäschchens hinterlegt hatte, was zwar leichtsinnig, jedoch eine prima Gedächtnishilfe für solch verrückte Momente war. Diese verspätete Eingebung von oben verhalf mir endgültig in die obersten Wipfel der berühmten Palme. Ich kochte regelrecht in Gedanken an Zugverspätungen, fehlende Busverbindungen und an durch mein Verschulden zu Streiken animierte Geldautomaten einer gewissen Bank! Wie Sie soeben lesen konnten, hatte ich ja just in der vergangenen Viertelstunde in hervorragender Weise Nutzen aus meiner Gedächtnisprothese gezogen.

Daheim berichtete ich alles Katja und Tina, die beide recht verständnislos reagierten:
„Aber,... dreimal, Mamaa??“
Lahm verteidigte ich mich:
„Das passiert Anderen auch!“
Taktisch klug, unterblieb eine diesbezügliche Stellungnahme meiner Jüngsten.

Am Sonntag wanderte ich nochmals gen Sparkasse. Vielleicht war aus allerdings dann logisch nicht nachvollziehbaren Gründen die Sperrung bereits wieder aufgehoben? Doch ernsthaft rechnete ich natürlich nicht damit. Versuchsweise führte ich meine Karte ein, um kurz darauf die gleiche Auskunft wie am Vortage abzulesen. Zuhause erklärte mir Katja, die gemeinsam mit Schwesterchen vor dem Computer saß:
„Ich nehme die S-Bahn!“
Sie hatte sich inzwischen per Internet über die Strecke informiert und war zu dem Ergebnis gekommen, dass ihr Ziel doch relativ einfach zu finden war. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Bis Ohligs galt die Preisstufe „B“. Damit war das Problem gelöst.

Jedoch hielt dieser Samstag für mich noch einige Überraschungen parat!
Beim Betreten meines Wohnzimmers gestand ich mir ein, dass die Glashängelampe samt ihrer Messingkuppel über unserem großen Esstisch dringend der Reinigung bedurfte. In solchen Dingen eine Frau der Tat, kramte ich das nötige Putzmittel für Edelmetalle ( Silber, Messing, usw.) heraus und begab mich ans Werk. Als Erstes sollte die Kuppel über der Platte dran glauben. Aber, so, wie die aussah, kam ich mit Sicherheit nicht wie angegeben mit „nur ein paar Tropfen“ dieser Flüssigkeit aus, um den alten Glanz wieder hervor zulocken. Ich übernahm die Verantwortung für putzemanzipiertes Verhalten und langte bei diesem Mittelchen so richtig zu.

Trotz besseren Wissens (Gefahrenpunkte im Haushalt!) erstieg ich einen der wackeligen Esseckenstühle und fing an zu wienern. Bald blitzte mir wirklich schon an einigen Stellen Metall entgegen. Aber gleichzeitig bemerkte ich noch etwas Anderes. Etwas, was mich ziemlich sauer werden ließ! Wegen der viel zu großen Menge des Putzmittels tropfte die Flüssigkeit von der Messingkuppel abwärts über die unter ihr hängende Glasplatte und dann lustig auf den Esstisch herunter. Die Kuppel sah fix wieder einigermaßen repräsentabel aus. Dagegen war nun die Glasplatte total versaut. Eine Glasfläche mit ausgeprägten Putzmittelflecken - grauenhaft!

So knöpfte ich mir als Nächstes die arme Platte vor. Doch große Hoffnung, sie ebenfalls in einen blitzenden Zustand zurückversetzen zu können, machte ich mir, offen gesagt, nicht. Es gab nämlich keine widersprüchlichere Liebe als die zwischen ´Glasreinigung und mir`. Schon seit etlichen Jahren widerstanden sämtliche so gearteten Flächen im Hause, insbesondere alle Fenster, mit extremem Erfolg hartnäckig meinen Säuberungsversuchen. Gleichgültig, mit welchen modernen, raffinierten Methoden ich probierte, ihrem Dreck Herr zu werden: Meistens sahen sie nach meinen Reinigungsattacken schlimmer aus als vordem. Ich stand dann dem Heulen nahe vor den geliebten Scheiben und dachte frustriert:
„Andere schaffen´ s doch auch. So blöd kannst du nicht sein!“
Zwecks Frustbekämpfung redete ich mir gut zu, dass ich zwar nicht Fenster putzen, aber stattdessen im Gegensatz zu vielen meiner Mitmenschen komplizierte Möbel zusammenbaute. Allerdings Marke „Erwachsenen-Playmobil“; d.h., nach Aufbauanleitung! Diese beiden ach so verschiedenen Sparten überhaupt in Relation zueinander zu setzen, war an sich schon ein Witz der besonderen Art, doch mich rettete das vor Depressionsanfällen und da mir diese Unlogik half - was sollte es?!

Während all dieser Überlegungen tropfte übrigens mein Edelmetallglanz nach Kurzbesuch des Esstisches munter weiter abwärts auf den Boden. Doch ich war dermaßen versunken in die Bearbeitung der Scheibe, dass ich das Geschehen da unter mir doch tatsächlich ein paar Minuten lang stur ignorierte. Meine Glasplatte war mir entschieden wichtiger. Ohne vernünftig nachzudenken, drehte ich sie emsig fortwährend in ein- und derselben Richtung. Klüger wäre es gewesen, ich hätte gewisse Dinge bedacht. Solche Scheiben werden nämlich mittels einer starken Schraube mit ihrer Kuppel zusammengehalten. Die wiederum hat die tückische Eigenart, sich durch Drehen in immer derselben Richtung heraus lösen zu lassen. Sie verweigert dann in Folge immens erfolgreich ihre Aufgabe, zwei Teile aneinander zu fesseln.

Da ich also immer fleißig in derselben Richtung drehte, emanzipierte sich die besagte Schraube und verabschiedete sich schließlich. Deswegen total baff hielt ich plötzlich die geliebte Glasplatte in der linken Hand. Auf Grund ihrer Größe kam die Scheibe auf nicht ganz zärtliche Weise mit dem Tisch in Berührung. Leider so arg, dass ihre Birne zu Bruch ging. Sie selbst blieb unverletzt.

Glück im Unglück! Keine schöne Platte hin. Verschwunden blieb dagegen die blöde Schraube. Ich fand sie weder auf den Sitzflächen der Eckbank bzw. der Stühle noch auf dem Boden. Sogar unter einem schmalen Standregal an der gegenüber liegenden Wand forschte ich nach. Nichts! Wo die wohl hin gesprungen war?! Frustriert gab ich die Sucherei auf. Hauptsache, die Lampe war mir unbeschädigt erhalten geblieben.

Wie heißt es so schön? Nie sollte man den Tag vor dem Abend loben! Bis dahin waren es immerhin noch mehrere Stunden. Das Reinigungsfläschchen hatte in einem für die Glasplatte bestens zu erreichendem Abstand auf dem Esstisch gestanden. So versetzte diese dem noch unverschraubten Fläschchen, einen kleinen Schubs. Es reagierte sofort und ergoss seinen Inhalt über den halben Tisch, auf dem zur Zeit eine große Puzzleplatte plus angefangenem Puzzle lag, das dann natürlich eine gehörige Portion „Edelmetallglanz“ abbekam. Ein paar seiner Ecksteinchen nahmen das übel, verloren erst ihre Farbe, dann auch ihre Konsistenz. Ich beruhigte mich damit, dass bei ja tausend Teilen fünf Plättchen keine so erhebliche Rolle spielten.

Viel mehr ärgerte ich mich über die Schweinerei, die sich inzwischen nicht ausschließlich auf dem Tisch, sondern auch auf dem Boden breitgemacht hatte. Mit weißem Küchenpapier (da kein echtes Bounty, benötigte ich mehr davon!), entfernte ich erst einmal den kleinen Bruder des Bodensees da unter dem Tisch und einem der Stühle. Mittlerweile rochen auch meine Hände reichlich penetrant nach Metallreiniger. Nachdem zumindest bei nur flüchtiger Begutachtung des Bodens nicht mehr feststellbar war, was sich da abgespielt hatte, begann ich mit dem Dampfreiniger, diesem Wunderknaben der Sauberkeit, die gründliche Fliesenreinigung. Erleichtert beobachtete ich, wie auch die letzten Putzmittelschlieren verschwanden.

Froh, diesen Mist endlich beseitigt zu haben, öffnete ich ohne weiteres Nachdenken eine Sekunde zu früh den Verschluss meines Gerätes. Zisch! Sofort quoll mir ein Schwall heißen Dampfes entgegen. Zum Glück erwischte der mich nur andeutungsweise an der Augenbraue, jedoch umso mehr meine linke Hand, die innerhalb von Sekunden puterrot anlief und obendrein in gemeinster Weise juckte. Um Brandblasen zu vermeiden, kühlte ich die Braue fix mit einem feuchten Waschlappen. Bereits nach wenigen Minuten war die Rötung verschwunden. Über die Hand ließ ich eiskaltes Wasser laufen. So blieb auch sie von längerfristigem Schaden verschont. Da zeigte es sich mal wieder, dass ich unter der Obhut eines ganz besonders tüchtigen Engels stand, einem mit „Erz“ davor, der deswegen natürlich noch besser solch gefährliche Situationen meisterte als ein nur „normaler“ Engel. „Engelchen, da hast du dir aber ein großes Lob verdient. Es hätte viel schlimmer enden können!“
Normalerweise wäre mir ein solcher Fehler niemals unterlaufen. Aber an jenem Tage wunderte mich überhaupt nichts mehr!


Das wiederum war auch ausgesprochen gut. Noch war der Tag ja nicht überstanden. Allerdings hätte es mir an Überraschungen für einen einzigen Tag bereits gelangt.

Doch der liebe Gott hatte anderes mit mir im Sinn.
Eine halbe Stunde später besuchte ich zum dritten Mal an diesem Wochenende die Sparkasse, diesmal, um eine Überweisung in den Außenbriefkasten zu werfen. Der Deckel des Kastens war in einem Winkel von 45 Grad nach oben zu öffnen. Nun sind 45 Grad bei weitem nicht so viel, wie sich das anhört. Da mein Schein sicher im Innern verschwinden sollte, steckte ich ihn mit der Hand recht weit nach hinten durch den Schlitz. Prompt steckten Mittel- plus Zeigefinger für ein paar Sekunden fest zwischen Deckel und Kasten eingeklemmt. Immerhin bewahrte ich die Ruhe, meine Zappeligkeit war auf einmal wie weggeblasen. Vorsichtig ruckte ich mit der Hand hin und her, damit denn meine Finger möglichst dranblieben. Rasch kriegte ich die Hand dann wieder frei und lachte kopfschüttelnd vor mich hin. Immer noch leicht schmunzelnd spazierte ich nach Hause.

Dort kam mir Tochter Tina entgegen, der ich sofort die neueste Episode unter die Nase rieb:
„Du, ich setze mich am besten nur noch an den Tisch und halte mich an dessen Kante fest. Ich könnte ja letztendlich noch vom Stuhl kippen. Heute mach ich gar nichts mehr. Ich rühr nichts mehr an!“
Grinsend drehte ich mich in Richtung Wohnzimmer und bestaunte die nicht vorhandene Hängelampe:
„So eine entzückende, leere Messingkuppel ohne schmückende Lampenschale hat nicht jeder über seinem Esstisch hängen. Sieht eigentlich doch gar nicht so übel aus. Vielleicht sollte das für alle Zeiten so bleiben?!“
„Aber, Mamaa!“

Ob Sie`s glauben oder nicht:
An jenem Tage blieb ich meinem Vorsatz treu und ließ sicherheitshalber sämtliche Hausarbeit liegen.
Begründung: Noch mehr Stoff für diese Geschichte war eigentlich eindeutig unnötig!!
 
Der Teile des Texts sind zu lange, um die Botschaft rüberzubringen. Das könntest Du - so glaube ich - noch straffen. Vor allem viele der Gedanken der Protagonistin geben keine weitere Information zur Handlung, sie verwässern nur die "Pointen".

Marius
 

tastifix

Mitglied
Meine Antwort

Hallo Marius!

Danke für Deinen Hinweis.
Ich werde den Text nochmals überarbeiten.

Lieben Gruß
Gaby
 

tastifix

Mitglied
Meine Antwort!

Hallo Marius!

Ich bin Dir sogar dankbar dafür, dass Du diesen Punkt angesprochen hast. Ich kämpfe nämlich gegen meine Angewohnheit, beim Erzählen relativ weit auszuholen.

Dankeschön nochmals!

Lieben Gruß
Gaby
 



 
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