Verflucht

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Wahnsinn lodert aus ihren Geistern
Von den Massen gepriesen
Erzeugen sie Krankheit und Hass
Keiner ahnt das Unheil heraufziehen

Sie erweisen mir ihr Missfallen
Bearbeiten mich mit ihren Teufelskrallen
Erlegen damit meinen letzten Willen
Ich kann den Tod schon in mir fühlen

Es gibt keinen Ausweg ich bin verflucht
Seht in die Leichenhalle wenn ihr mich sucht

Sie tragen in ihrer Brust einen kalten Schleim
Und spucken damit wie Drachen auf mich ein
Sie laben sich an meiner verzweifelten Qual
Und freuen sich auf mein Totenmahl

Es gibt keinen Ausweg ich bin verflucht
Seht in die Leichenhalle wenn ihr mich sucht

Ihr Handeln säht eine Teufelsbrut
Das treibt mich in eine machtlose Wut
Ihre Worte sind Kälte und Schmerz
Damit zerfetzen sie der Welt das Herz

Es gibt keinen Ausweg ihr seid verflucht
Seht in die Leichenhalle wenn ihr die Kinder sucht

Sie preisen ihre großen Taten
Mein Totengräber nimmt schon den Spaten
Ihr stimmt in ihr Selbstlob ein
Und brecht damit dem eigenen Kind das Gebein

Es gibt keinen Ausweg ihr seid verflucht
Seht in die Leichenhalle wenn ihr die Kinder sucht
 
Hallo Alex Anderson!

Es gehört viel Mut dazu, die Schattenseiten des Lebens zu thematisieren. Man geht damit immerhin das Risiko ein, dass der Text nicht gelesen wird. Denn die gestaltlose Lesermasse wird schnell unruhig, wenn das Happy End ausbleibt. Womöglich müsste sie sich dann selber ein solches ausdenken...
Aber lassen wir die allgemeine Leserbeschimpfung und kehren zu dem Gedicht zurück. Die Atmosphäre der Verdammnis und Ausweglosigkeit kommt gut rüber. Die verwendeten Sprachbilder passen dazu. Langsam schwillt die Unmut an und erreicht schließlich mit der mittleren Strophe ihren Höhepunkt:

Sie tragen in ihrer Brust einen kalten Schleim
Und spucken damit wie Drachen auf mich ein
Sie laben sich an meiner verzweifelten Qual
Und freuen sich auf mein Totenmahl
Lauter paradoxe Bilder:
- Drachen spucken kalten Schleim anstatt heißes Feuer;
- sie laben sich an der Qual anstatt mitzuleiden;
- sie freuen sich auf das Totenmahl anstatt zu trauern.

Von unübertrefflichen Sarkasmus zeugt der Vers:

Mein Totengräber nimmt schon den Spaten
Ja, er ist derartig von Tod umgeben, dass er sogar einen persönlichen Totengräber besitzt, so wie andere Leibärzte und Haushaltshilfen haben.

Eine Kleinigkeit am Rande:

Ihr stimmt in [red]ihr[/red] [blue]euer?[/blue] Selbstlob ein
[blue]Euer [/blue]wäre zumindest schlüssiger. Oder kannst du mir erklären, wer [red]ihr [/red]ist?

Ein Gedicht von hoher Authenzität.

Best regards,
Alexander

P.S. Einige von meinen Erzählungen beschäftigen sich ebenfalls mit den Schattenseiten des Lebens. Als Einstieg eignet sich "Das Sühnopfer".
 

Gabriele

Mitglied
Hallo Alex,

ich finde dieses Gedicht inhaltlich sehr gut, auch die Bilder, die Du verwendest. Ein paar Dinge würde ich aber noch leicht verändern, z.B.:

"Sie erweisen mir ihr Missfallen" klingt für mich fast zu harmlos, wenn man dann weiterliest:
"Bearbeiten mich mit ihren Teufelskrallen
Erlegen damit meinen letzten Willen
Ich kann den Tod schon in mir fühlen"
(war wohl wegen des Reims - vielleicht findet sich noch etwas Passenderes?)

"Es gibt keinen Ausweg ich bin verflucht
Seht in die Leichenhalle wenn ihr mich sucht"
müsste m.E. nicht wiederholt werden. Oder vielleicht variierend (wie Du es ja später auch ansatzweise gemacht hast), z.B.:
"wenn ihr mich sucht" und später:
wenn ihr die Kinder/die Neinsager/die Verrückten sucht"

"Ihre Worte sind Kälte und Schmerz
Damit zerfetzen sie der Welt das Herz"
Das würde ich auch noch ändern (liest sich m.E. eine Spur zu schwülstig).

"Sie preisen ihre großen Taten
Der Totengräber nimmt schon den Spaten"

Mit etwas Feinabstimmung sicher ein gutes Gedicht mit einer starken Aussage!
LG
 
Hallo Alexander Rahm,

vielen Dank für deine Textarbeit. In der letzten Strophe spreche ich die Leser zum ersten Mal direkt an, mit dem zweiten ihr sind die vorher schon in der dritten Person angesprochenen gemeint. Aber um Verwirrung vorzubeugen, werde ich die von dir kritisierte Passage wohl umändern in:
„Ihr stimmt in das Selbstlob ein“

MfG
Alex Anderson


Hallo Gabriele,

auch dir vielen Dank für deine Textarbeit. Tatsächlich hatte ich das Wort „Missfallen“ zu erst ausgewählt und mir dann die Teufelskrallen für den Reim erdacht, deshalb werde ich dies ganz sicher nicht ändern.

Zu deinem zweiten Kritikpunkt wäre zu sagen, dass der Text eigentlich ein Liedtext sein soll, so denke ich dass eine Variation im Refrain ausreicht.

3. Tja ich finde eigentlich meinen ganzen Text eine Spur zu schwülstig, aber genau das soll er sein. Ich denke dir ist
"Ihre Worte sind Kälte und Schmerz
Damit zerfetzen sie der Welt das Herz"
aufgefallen, weil dies doch ein halbwegs realistisches Bild ist. Tatsächlich beschreibt diese Passage meine Gefühle beim Schreiben des Textes genau. Ich habe nur „mir“ mit „der Welt“ ersetzt, um mich nicht zu sehr outen zu müssen, und somit auch die Variation im Refrain ermöglicht.

4. „Der Totengräber“ würde sicher besser zum zweiten Teil passen, da ich ja dort die Kinder thematisiere. Da ich den "Totengräber" aber auf mich beziehen möchte, und „Totengräber“ m. E. erst zum Schluss auftauchen sollte, werde ich dies wohl auch so lassen wie es ist.

Trotzdem nochmals vielen Dank für deine Mühen
MfG
Alex Anderson
 



 
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