Verkehrsspitzen

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HerbertH

Mitglied
Verkehrsspitzen

... ein Geisterfahrer entgegen. Bitte fahren Sie mit größter Vorsicht und äußerst rechts ...

"Mach' doch mal Musik an, den Quatsch können wir uns schenken." Vater beugt sich zum Radio. "Okay" Clara seufzt auf. Na endlich, wird auch Zeit. Ganz schön nervig, die Fahrt. "Aber was Fetziges, wenn's geht." Warum ist sie nur mitgefahren?

"Kind, das ist vielleicht das letzte Mal, dass wir zu Tante Lene fahren können, die überlebt den Winter nicht, hat Onkel Heinz gesagt. Und die würden sich so freuen, Dich mal wieder zu sehen." Da hatten sie am Frühstückstisch gesessen. Vater wie immer hinter seiner Zeitung, er hatte nur gebrummt. "Na schön, dann fahr ich eben mit." Mutter hatte richtig erleichtert ausgesehen. "Fein." Eigentlich hatte Clara sich ja mit Sven am Wochenende treffen wollen. Der würde bestimmt ganz schön feixen. Aber schließlich, was mußte er ja auch immer bei dieser blöden Feuerwehr antanzen. Nie ...

"Scheiße, was macht denn der Idiot?" Mutter schreit. "Pass auf." Vater in Panik. "Der rast genau auf uns zu." Er tritt auf die Bremse, voll. Alle fliegen nach vorne, in die Gurte. Er reißt den Wagen nach rechts. Das kann doch nicht gut gehen. Jetzt nach links. Die Räder rechts, rüber, über den Randstein. Da ist nichts, nur Luft.

"... und wenn an einem Körper zwei verschiedene Kräfte angreifen, deren Angriffspunkte einen Abstand ..." Drehmoment, Drehimpuls, gerade vor einer Woche in Physik. "... ich diesen Quader hier werfe, was passiert ..." Lemkes Demo. Trägheitsmomente, glaub ich, wollt' er zumindest hören. " ... dreht er sich um die Längsachse ..."

Wie in der Achterbahn, die Mageninhalte machen sich selbständig. Vor dem Fenster läuft der falsche Film, in Zeitlupe, die Bäume wachsen jetzt von rechts nach links, nein, schräg nach unten, ...

... wie letztes Jahr, als sie bei Onkel Rolf im Flugzeug mitdurfte, das war echt cool gewesen, bevor er an ihr herumtätschelte, der geile Sack. Hatte wohl gedacht, dass der Looping und die Rolle und das bißchen Auf-dem-Kopf-Fliegen bei ihr die Hormone an- und den Verstand abgedreht hätten. Mann, hatte der den Mund aufgerissen, als sie ihm eine geklatscht hatte. Hihi, den Gesichtsausdruck würde sie nie vergessen. Und erst, als sie ihm gedroht hatte. "Wenn Du das noch mal versuchst, sag' ich das bestimmt meinen Eltern, darauf kannst Du Gift nehmen. Und Deine Frau wird sich bestimmt auch freuen. Ich stehe nicht auf Bierbäuche und Hängebacken, merk' Dir das." Im ersten Moment hatte sie gedacht, er würde sich auf sie stürzen. Angst hatte sie schon gehabt, aber diesem Arsch, dem hatte sie ihr trotzigstes Gesicht gezeigt, und da hatte er den Schwanz eingezogen. Na ja, irgendwo hatte das auch was, hatte sie sich nachher gedacht, wenn man die alten Knacker so richtig in Glut bringen kann. Kein Kind mehr und so. Und wenn es nicht gerade Onkel Rolf gewesen wäre, wer weiß ...

... immer rund, "Mach ...", immer rund, "doch was", Mutter, laß das Schreien, es nützt ja doch nichts, ... Mutters Handtasche wirbelt auf das Vorderfenster zu, zerschlägt es.

"Jetzt schau Dir an, was Du wieder angestellt hast!" Entgeistert schaute Clara auf. Sie schluchzte. "Das habe ich nicht gewollt!" Fast kreischend klang die helle Kinderstimme. Der Küchenboden war übersät mit Gewürzgurken und Scherben. "Was ist hier wieder für ein Geschrei, ich muß doch mal in Ruhe arbeiten können". Wütend stürzte Vater herein. "Ernst, nicht!" Und schon hatte sie eine Ohrfeige bekommen, dass ihr Kopf nur so brummte. Erst links, dann rechts. "Schleudertrauma", hatte der Arzt nachher gesagt. Und "Eigentlich sollte ich Sie anzeigen, Ihr Kind so zuzurichten". Bleich war Vater da geworden. Jähzorn, wenn der ihn packt, ist er nicht wiederzuerkennen. Sonst ist er doch ... doch, lieb ist er, und irgendwo hat es ihm wohl auch leid getan. Und als er ihr Ben, den riesigen Kuschelbären geschenkt hat, da hat sie ihm gleich ...

Weich müßte es doch sein, das Kissen, das ihr in den Nacken fliegt, aber nichts da, als wäre es ein Sandsack. Und diese Musik, die paßt gar nicht zum Drehrhythmus, als ob dem Wagen nie einer das Tanzen ...

... Wiener Walzer, endlich, ihr Lieblingstanz. Wenn nur der Michael nicht so ein Tölpel wäre. Linksherum, mit dem? Nie im Leben. Jedenfalls nicht bis zum Abschlußball, soviel war klar. Und eigentlich bräuchte sie Schuhe mit Stahlkappen, so oft, wie der ihr drauflatscht. Gabi allerdings war vor Neid geplatzt, als der Michael ... "Clara, magst Du mit mir zur Tanzstunde gehen?" Knallrot angelaufen war er da, der Michael, wie ein zu groß geratener Teddibär hatte er ausgeschaut, richtig süß ... Aber vielleicht hätte sie doch warten sollen, bis Sven sie gefragt hätte. Eigentlich wollte sie ihm ja nur eins auswischen, weil der sich bei der letzten Fete so wenig um sie gekümmert hatte. Als ob er eine andere hätte. Aber als Sven erfuhr, dass sie mit Michael den Kurs machen würde, da hat er ganz verschleierte Augen gekriegt. Na ja, es gab ja auch noch den F-Kurs. ... Schwitzen tat der Michael, furchtbar, und wie er immer glotzte ...

Vaters Augen, im Rückspiegel, er hat sie riesig weit aufgerissen, fast so sehr wie seinen Mund, er brüllt ein langgezogenes "Nein", drückt sich mit beiden Händen vom Lenkrad weg. Mir ist so schlecht ...

... wie damals, als sie so lange auf ihre Regel warten mußte, richtig nervös war sie schon gewesen, vier Tage über der Zeit. Das war, nachdem sie und Sven das erste Mal miteinander geschlafen hatten, im Bootshaus, wo es ein wenig muffig roch. Aber Sven hatte sie so lange geküßt und gestreichelt, bis sie einfach die Kontrolle verlor. Er ja auch. Und die Pille hatte sie sich erst hinterher verschreiben lassen. Es war so schön gewesen, Sven war so zärtlich gewesen, und auch am Anfang hatte es nur ein bißchen weh getan, als er in sie eindrang ...

Warum tut es nur so furchtbar weh, diesmal. "Aaahhh"

... wegen eines schweren Verkehrsunfalles mußte die Bundesstraße ...

"Was hat er denn nur, ist doch nicht das erste Mal, eigentlich müßte er das besser abkönnen. Zugegeben, ist ja kein schöner Anblick, so wie die zugerichtet sind." Der Einsatzleiter sieht sich um. Die Rettungsarbeiten sind so gut wie abgeschlossen. Als er den Wagen da auf der abgebrochenen Baumspitze liegen sah, wie ein Stück Schaschlik auf dem Spieß, da hatte er gleich gewußt, die sind hin. Aber trotzdem mußte man versuchen, mit dem Rettungsspreizer die Opfer aus dem Wrack zu bergen. Ein Wunder, dass kein Feuer ausgebrochen ist, bei all dem Treibstoff, der ausgeflossen ist. Der Feuerwehrmann schüttelt den Kopf. "Er wird sich schon wieder fangen, der Junge."

... "Versuchs mal mit dem Spreizer. Hey, ruhig, was ist denn los?" Das Kennzeichen kannte er doch. Nein, bitte nicht. Lass sie noch leben, bitte. Hastig setzte er das schwere Werkzeug an. Verflucht, jetzt rutschte es ab. Nochmal. Geschafft. "Oh nein!" ... Den Anblick der blutverschmierten Astspitze, die durch Claras Schlund gedrungen war und zwischen ihren zerfetzten Kiefern herausragte, wurde Sven auch nicht los, als er so lange gekotzt hatte, bis er meinte, seine Magenwände würden mit hochkommen.


... An diesem Wochenende starben leider wieder zwölf Menschen auf bundesdeutschen Straßen. Das Wetter ...
 
P

Pete

Gast
Einfach klasse, habe nichts auszusetzen!

Die alternierenden Ebenen sind Dir gut gelungen, vor allem, weil sie auf einen gemeinsamen Höhepunkt zielen. Gerade so wie ein Liebespaar, von dem die Geschichte ja auch handelt.

Ich liebe solche Experimente, vor allem wenn sie so gelungen sind, wie bei Dir!

Klar hast Du eine gewisse Splatterfantasie verwirklicht. Aber wenn es passt, so wie hier, ist nichts auszusetzen. Er begründet sogar das tiefe Entsetzen Svens.

Bitte fühle Dich ermutigt, mit Deinen literarischen Bemühungen hier im Forum fortzufahren.

Grüße

Pete
 

maerchenhexe

Mitglied
hallo HerbertH,

ich schließe mich ganz unkreativ der Kommentierung von Pete an. Deine Sprache geht unter die Haut, wenn für mich auch an manchen Stellen hart an die Grenze des Magenverträglichen. Das allerdings zeigt, wie sehr dein Text einen hineinzieht ins Geschehen. Aber eine Kurzgeschichte ist er für mich nicht. Er ist in meinen Augen gute experimentelle Prosa, möglicherweise auf seine Art eine Erzählung, aber Kurzgeschichte? Freue mich auf weitere Werke von dir.

lieber Gruß

maerchenhexe
 

HerbertH

Mitglied
Klasse, danke fürs Lesen und Kommentieren

Lieber Pete, liebe Maerchenhexe,

zunaechst einmal tausend Dank fürs Lesen und Eure lobenden Reaktionen.

Was die Frage angeht, ob das eine Kurzgeschichte ist: Für mich ist sie das und eigentlich gar nicht so experimentell. Zwar gibt es verschiedene Ebenen, etwas, was ich in LL in den Kurzgeschichten selten fand, jedenfalls in meiner noch kurzen Zeit hier. Aber es gibt einen Handlungstrang, der sich durchzieht, und die Assoziationen währenddessen, die den Strang verdeutlichen und mit Leben füllen sowie die Personen näher bringen sollen und müssen. Denn das habe ich gewollt, dass die Geschichte unter die Haut geht, wenn auch eigentlich nicht unbedingt als Liebesgeschichte, sondern eher als Klage über den täglichen Tod auf unseren Strassen. Deshalb auch die aufrüttelnden, eher grausigen Details.

Herzliche Grüsse

Herbert
 

Haremsdame

Mitglied
gelungen

Hallo Herbert,

ich bin total geschockt! Wie Du das rübergebracht hast, ist große Klasse. Ein fast alltägliches Thema - trotzdem ein Thema, mit dem ich lieber nichts zu tun habe.

Mein Lob ist Dir sicher!
Haremsdame
 

HerbertH

Mitglied
schock intendiert - danke für's lob

Liebe Haremsdame,

vielen Dank für dein Lob. Deine Rückmeldung zeigt mir, dass die Geschichte Wirkung zeigt, die gewünschte...

Danke dafür und liebe Grüße

Herbert
 

Eve

Mitglied
Hallo HerbertH,

eine Geschichte, die unter die Haut geht! Der Spannungsbogen ist dir gut gelungen ... und auch die Gliederung in die verschiedenen Ebenen finde ich klasse – so kann der Leser prima verfolgen wer was wann erlebt hat.

Ein paar Anmerkungen hätte ich zu der von dir gewählten Vergangenheitsform in den beiden vorletzten kursiven Absätzen:


... Wiener Walzer, endlich, ihr Lieblingstanz. Wenn nur der Michael nicht so ein Tölpel wäre. Linksherum, mit dem? Nie im Leben. Jedenfalls nicht bis zum Abschlußball, soviel war klar. Und eigentlich bräuchte sie Schuhe mit Stahlkappen, so oft, wie der ihr [red]drauflatschte[/red]. Gabi allerdings war vor Neid geplatzt, als der Michael ... "Clara, magst Du mit mir zur Tanzstunde gehen?" Knallrot angelaufen war er da, der Michael, wie ein zu groß geratener Teddibär hatte er ausgeschaut, richtig süß ... Aber vielleicht hätte sie doch warten sollen, bis Sven sie gefragt hätte. Eigentlich wollte sie ihm ja nur eins auswischen, weil der sich bei der letzten Fete so wenig um sie gekümmert hatte. Als ob er eine andere hätte. Aber als Sven erfuhr, dass sie mit Michael den Kurs machen würde, da [red]hatte [/red]er ganz verschleierte Augen gekriegt. Na ja, es gab ja auch noch den F-Kurs. ... Schwitzen tat der Michael, furchtbar, und wie er immer glotzte ...

[...]

Das war, nachdem sie und Sven das erste Mal miteinander geschlafen hatten, im Bootshaus, wo es ein wenig muffig [red]gerochen hatte[/red]. Aber Sven hatte sie so lange geküßt und gestreichelt, bis sie einfach die Kontrolle [red]verloren hatte[/red]. Er ja auch. Und die Pille hatte sie sich erst hinterher verschreiben lassen. Es war so schön gewesen, Sven war so zärtlich gewesen, und auch am Anfang hatte es nur ein bißchen weh getan, als er in sie [red]eingedrungen war [/red]...


Viele Grüße,
Eve
 

HerbertH

Mitglied
Zeiten

Liebe Eve,

vielen Dank für die guten Worte zu meinem Beitrag. :)

Mir ist nicht so ganz klar, was Du mit den Kommentaren zu den Zeiten meintest.

"drauflatschte" ist zugegebenermassen umgangssprachlich, aber bewusst und gewollt so gewählt. Denn es ging mir darum, das möglichst als Gedankenfluss darzustellen, als Bilder, die durch den Kopf sausen.

Bei den Plusquamperfekten scheint mir das grammatikalisch ok. Stilistisch kann man sich sicher streiten, ob man das heute so schreiben soll. Ich denke nochmal darüber nach.

Liebe Grüße

Herbert
 
P

Pete

Gast
Hallo Eve,
hallo Herbert,

sorry, dass ich so I-Tüpfelchen scheiße. Aber meiner Beobachtung nach erfolgt aus solchen Kommentaren oft eine Verschlimmbesserung eines Textes, das ansonsten gut im Sprachgefühl des Autors aufgehoben wäre.

Bis auf den letzten beiden Punkte halte ich die Änderungen von Eve für unnötig. Im inneren Monolog ist die Präsenz-Form von "drauflatscht" angemessen, da sie korrespondiert mit der aufgeführten Notwendigkeit von Stahlkappenschuhen (andauernde Zeitform -> Präsens).

"da hat er ganz feuchte Augen" -> gleiche Regeln wie wörtliche Rede, charakterisiert Protagonistin als jugendlich, umgangssprachlich.

"gerochen hatte" ist falscher Tempus, da es sich auf den Zeitpunkt der Rückschau bezieht: Es roch (immer noch) muffig, nachdem sie miteinander geschlafen hatten. Eves Vorschlag suggeriert, dass der Geruch vergangen ist.

Grüße

Pete
 

Eve

Mitglied
Hallo HerbertH,

die Verben, die ich in den Absätzen rot markiert habe, standen in deinem Text in einer anderen Zeit (z. B. im Präsens, als sie in die Vergangenheit (den Tanzabend) zurückblickt) oder in der normalen Vergangenheit, als alle anderen Verben in "hatte ..." standen.

Mir fiel das nur beim Lesen auf, und ich dachte, ich gebe das mal an dich weiter ... ;-)

Viele Grüße,
Eve
 

Eve

Mitglied
Hallo Pete,

ich wollte da auch keine Endlos-Diskussion um ein, zwei Wörter lostreten ;-) mich hatte das beim Lesen "gestört" bzw. ich bin etwas darüber gestolpert. Wahrscheinlich, weil man selbst beim Schreiben ja auch immer nochmal überprüft, ob die Zeiten richtig gewählt sind.

[gerade in dem Absatz mit dem Tanz-Rückblick steht der Rest für mein Empfinden aber durchaus in der Vergangenheit - aber egal!]

Und natürlich "fordere" ich (oder wer sonst kommentiert) sicherlich keine sofortige Änderung ;-) Tipps oder Anmerkungen kann man annehmen, muss man aber nicht. Und wenn ein Autor feststellt, dass seine Version die bessere oder die ultimative ist, dann ist das doch prima.

Viele Grüße,
Eve
 

HerbertH

Mitglied
Verkehrsspitzen

... ein Geisterfahrer entgegen. Bitte fahren Sie mit größter Vorsicht und äußerst rechts ...

"Mach' doch mal Musik an, den Quatsch können wir uns schenken." Vater beugt sich zum Radio. "Okay" Clara seufzt auf. Na endlich, wird auch Zeit. Ganz schön nervig, die Fahrt. "Aber was Fetziges, wenn's geht." Warum ist sie nur mitgefahren?

"Kind, das ist vielleicht das letzte Mal, dass wir zu Tante Lene fahren können, die überlebt den Winter nicht, hat Onkel Heinz gesagt. Und die würden sich so freuen, Dich mal wieder zu sehen." Da hatten sie am Frühstückstisch gesessen. Vater wie immer hinter seiner Zeitung, er hatte nur gebrummt. "Na schön, dann fahr ich eben mit." Mutter hatte richtig erleichtert ausgesehen. "Fein." Eigentlich hatte Clara sich ja mit Sven am Wochenende treffen wollen. Der würde bestimmt ganz schön feixen. Aber schließlich, was mußte er ja auch immer bei dieser blöden Feuerwehr antanzen. Nie ...

"Scheiße, was macht denn der Idiot?" Mutter schreit. "Pass auf." Vater in Panik. "Der rast genau auf uns zu." Er tritt auf die Bremse, voll. Alle fliegen nach vorne, in die Gurte. Er reißt den Wagen nach rechts. Das kann doch nicht gut gehen. Jetzt nach links. Die Räder rechts, rüber, über den Randstein. Da ist nichts, nur Luft.

"... und wenn an einem Körper zwei verschiedene Kräfte angreifen, deren Angriffspunkte einen Abstand ..." Drehmoment, Drehimpuls, gerade vor einer Woche in Physik. "... ich diesen Quader hier werfe, was passiert ..." Lemkes Demo. Trägheitsmomente, glaub ich, wollt' er zumindest hören. " ... dreht er sich um die Längsachse ..."

Wie in der Achterbahn, die Mageninhalte machen sich selbständig. Vor dem Fenster läuft der falsche Film, in Zeitlupe, die Bäume wachsen jetzt von rechts nach links, nein, schräg nach unten, ...

... wie letztes Jahr, als sie bei Onkel Rolf im Flugzeug mitdurfte, das war echt cool gewesen, bevor er an ihr herumtätschelte, der geile Sack. Hatte wohl gedacht, dass der Looping und die Rolle und das bißchen Auf-dem-Kopf-Fliegen bei ihr die Hormone an- und den Verstand abgedreht hätten. Mann, hatte der den Mund aufgerissen, als sie ihm eine geklatscht hatte. Hihi, den Gesichtsausdruck würde sie nie vergessen. Und erst, als sie ihm gedroht hatte. "Wenn Du das noch mal versuchst, sag' ich das bestimmt meinen Eltern, darauf kannst Du Gift nehmen. Und Deine Frau wird sich bestimmt auch freuen. Ich stehe nicht auf Bierbäuche und Hängebacken, merk' Dir das." Im ersten Moment hatte sie gedacht, er würde sich auf sie stürzen. Angst hatte sie schon gehabt, aber diesem Arsch, dem hatte sie ihr trotzigstes Gesicht gezeigt, und da hatte er den Schwanz eingezogen. Na ja, irgendwo hatte das auch was, hatte sie sich nachher gedacht, wenn man die alten Knacker so richtig in Glut bringen kann. Kein Kind mehr und so. Und wenn es nicht gerade Onkel Rolf gewesen wäre, wer weiß ...

... immer rund, "Mach ...", immer rund, "doch was", Mutter, laß das Schreien, es nützt ja doch nichts, ... Mutters Handtasche wirbelt auf das Vorderfenster zu, zerschlägt es.

"Jetzt schau Dir an, was Du wieder angestellt hast!" Entgeistert schaute Clara auf. Sie schluchzte. "Das habe ich nicht gewollt!" Fast kreischend klang die helle Kinderstimme. Der Küchenboden war übersät mit Gewürzgurken und Scherben. "Was ist hier wieder für ein Geschrei, ich muß doch mal in Ruhe arbeiten können". Wütend stürzte Vater herein. "Ernst, nicht!" Und schon hatte sie eine Ohrfeige bekommen, dass ihr Kopf nur so brummte. Erst links, dann rechts. "Schleudertrauma", hatte der Arzt nachher gesagt. Und "Eigentlich sollte ich Sie anzeigen, Ihr Kind so zuzurichten". Bleich war Vater da geworden. Jähzorn, wenn der ihn packt, ist er nicht wiederzuerkennen. Sonst ist er doch ... doch, lieb ist er, und irgendwo hat es ihm wohl auch leid getan. Und als er ihr Ben, den riesigen Kuschelbären geschenkt hat, da hat sie ihm gleich ...

Weich müßte es doch sein, das Kissen, das ihr in den Nacken fliegt, aber nichts da, als wäre es ein Sandsack. Und diese kratzende, heulende Musik, die paßt gar nicht zum Drehrhythmus, als ob dem Wagen nie einer das Tanzen ...

... Wiener Walzer, endlich, ihr Lieblingstanz. Wenn nur der Michael nicht so ein Tölpel wäre. Linksherum, mit dem? Nie im Leben. Jedenfalls nicht bis zum Abschlußball, soviel war klar. Und eigentlich bräuchte sie Schuhe mit Stahlkappen, so oft, wie der ihr drauflatscht. Gabi allerdings war vor Neid geplatzt, als der Michael ... "Clara, magst Du mit mir zur Tanzstunde gehen?" Knallrot angelaufen war er da, der Michael, wie ein zu groß geratener Teddibär hatte er ausgeschaut, richtig süß ... Aber vielleicht hätte sie doch warten sollen, bis Sven sie gefragt hätte. Eigentlich wollte sie ihm ja nur eins auswischen, weil der sich bei der letzten Fete so wenig um sie gekümmert hatte. Als ob er eine andere hätte. Aber als Sven erfuhr, dass sie mit Michael den Kurs machen würde, da hatte er ganz verschleierte Augen gekriegt. Na ja, es gab ja auch noch den F-Kurs. ... Schwitzen tat der Michael, furchtbar, und wie er immer glotzte ...

Vaters Augen, im Rückspiegel, er hat sie riesig weit aufgerissen, fast so sehr wie seinen Mund, er brüllt ein langgezogenes "Nein", drückt sich mit beiden Händen vom Lenkrad weg. Mir ist so schlecht ...

... wie damals, als sie so lange auf ihre Regel warten mußte, richtig nervös war sie schon gewesen, vier Tage über der Zeit. Das war, nachdem sie und Sven das erste Mal miteinander geschlafen hatten, im Bootshaus, wo es ein wenig muffig roch. Aber Sven hatte sie so lange geküßt und gestreichelt, bis sie einfach die Kontrolle verlor. Er ja auch. Und die Pille hatte sie sich erst hinterher verschreiben lassen. Es war so schön gewesen, Sven war so lieb, so zärtlich gewesen, und auch am Anfang hatte es nur ein bißchen weh getan, als er in sie eindrang ...

Warum tut es nur so furchtbar weh, diesmal. "Aaahhh"

... wegen eines schweren Verkehrsunfalles mußte die Bundesstraße ...

"Was hat er denn nur, ist doch nicht das erste Mal, eigentlich müßte er das besser abkönnen. Zugegeben, ist ja kein schöner Anblick, so wie die zugerichtet sind." Der Einsatzleiter sieht sich um. Die Rettungsarbeiten sind so gut wie abgeschlossen. Als er den Wagen da auf der abgebrochenen Kiefernspitze liegen sah, wie ein Stück Schaschlik auf dem Spieß, da hatte er gleich gewußt, die sind hin. Aber trotzdem mußte man versuchen, mit dem Rettungsspreizer die Opfer aus dem Wrack zu bergen. Ein Wunder, dass kein Feuer ausgebrochen ist, bei all dem Treibstoff, der ausgeflossen ist. Der Feuerwehrmann schüttelt den Kopf. "Er wird sich schon wieder fangen, der Junge."

... "Versuchs mal mit dem Spreizer. Hey, ruhig, was ist denn los?" Das Kennzeichen kannte er doch. Nein, bitte nicht. Lass sie noch leben, bitte. Hastig setzte er das schwere Werkzeug an. Verflucht, jetzt rutschte es ab. Nochmal. Geschafft. "Oh nein!" ... Den Anblick der blutverschmierten Astspitze, die durch Claras Schlund gedrungen war und zwischen ihren zerfetzten Kiefern herausragte, wurde Sven auch nicht los, als er so lange gekotzt hatte, bis er meinte, seine Magenwände würden mit hochkommen.


... An diesem Wochenende starben leider wieder zwölf Menschen auf bundesdeutschen Straßen. Das Wetter ...
 

HerbertH

Mitglied
Verkehrsspitzen

... ein Geisterfahrer entgegen. Bitte fahren Sie mit größter Vorsicht und äußerst rechts ...

"Mach' doch mal Musik an, den Quatsch können wir uns schenken." Vater beugt sich zum Radio. "Okay" Clara seufzt auf. Na endlich, wird auch Zeit. Ganz schön nervig, die Fahrt. "Aber was Fetziges, wenn's geht." Warum ist sie nur mitgefahren?

"Kind, das ist vielleicht das letzte Mal, dass wir zu Tante Lene fahren können, die überlebt den Winter nicht, hat Onkel Heinz gesagt. Und die würden sich so freuen, Dich mal wieder zu sehen." Da hatten sie am Frühstückstisch gesessen. Vater wie immer hinter seiner Zeitung, er hatte nur gebrummt. "Na schön, dann fahr ich eben mit." Mutter hatte richtig erleichtert ausgesehen. "Fein." Eigentlich hatte Clara sich ja mit Sven am Wochenende treffen wollen. Der würde bestimmt ganz schön feixen. Aber schließlich, was mußte er ja auch immer bei dieser blöden Feuerwehr antanzen. Nie ...

"Scheiße, was macht denn der Idiot?" Mutter schreit. "Pass auf." Vater in Panik. "Der rast genau auf uns zu." Er tritt auf die Bremse, voll. Alle fliegen nach vorne, in die Gurte. Er reißt den Wagen nach rechts. Das kann doch nicht gut gehen. Jetzt nach links. Die Räder rechts, rüber, über den Randstein. Da ist nichts, nur Luft.

"... und wenn an einem Körper zwei verschiedene Kräfte angreifen, deren Angriffspunkte einen Abstand ..." Drehmoment, Drehimpuls, gerade vor einer Woche in Physik. "... ich diesen Quader hier werfe, was passiert ..." Lemkes Demo. Trägheitsmomente, glaub ich, wollt' er zumindest hören. " ... dreht er sich um die Längsachse ..."

Wie in der Achterbahn, die Mageninhalte machen sich selbständig. Vor dem Fenster läuft der falsche Film, in Zeitlupe, die Bäume wachsen jetzt von rechts nach links, nein, schräg nach unten, ...

... wie letztes Jahr, als sie bei Onkel Rolf im Flugzeug mit durfte, das war echt cool gewesen, bevor er an ihr herumtätschelte, der geile Sack. Hatte wohl gedacht, dass der Looping und die Rolle und das bisschen Auf-dem-Kopf-Fliegen bei ihr die Hormone an- und den Verstand abgedreht hätten. Mann, hatte der den Mund aufgerissen, als sie ihm eine geklatscht hatte. Hihi, den Gesichtsausdruck würde sie nie vergessen. Und erst, als sie ihm gedroht hatte. "Wenn Du das noch mal versuchst, sag' ich das bestimmt meinen Eltern, darauf kannst Du Gift nehmen. Und Deine Frau wird sich bestimmt auch freuen. Ich stehe nicht auf Bierbäuche und Hängebacken, merk' Dir das." Im ersten Moment hatte sie gedacht, er würde sich auf sie stürzen. Angst hatte sie schon gehabt, aber diesem Arsch, dem hatte sie ihr trotzigstes Gesicht gezeigt, und da hatte er den Schwanz eingezogen. Na ja, irgendwo hatte das auch was, hatte sie sich nachher gedacht, wenn man die alten Knacker so richtig in Glut bringen kann. Kein Kind mehr und so. Und wenn es nicht gerade Onkel Rolf gewesen wäre, wer weiß ...

... immer rund, "Mach ...", immer rund, "doch was", Mutter, laß das Schreien, es nützt ja doch nichts, ... Mutters Handtasche wirbelt auf das Vorderfenster zu, zerschlägt es.

"Jetzt schau Dir an, was Du wieder angestellt hast!" Entgeistert schaute Clara auf. Sie schluchzte. "Das habe ich nicht gewollt!" Fast kreischend klang die helle Kinderstimme. Der Küchenboden war übersät mit Gewürzgurken und Scherben. "Was ist hier wieder für ein Geschrei, ich muss doch mal in Ruhe arbeiten können". Wütend stürzte Vater herein. "Ernst, nicht!" Und schon hatte sie eine Ohrfeige bekommen, dass ihr Kopf nur so brummte. Erst links, dann rechts. "Schleudertrauma", hatte der Arzt nachher gesagt. Und "Eigentlich sollte ich Sie anzeigen, Ihr Kind so zuzurichten". Bleich war Vater da geworden. Jähzorn, wenn der ihn packt, ist er nicht wieder zuerkennen. Sonst ist er doch ... doch, lieb ist er, und irgendwo hat es ihm wohl auch leid getan. Und als er ihr Ben, den riesigen Kuschelbären geschenkt hat, da hat sie ihm gleich ...

Weich müßte es doch sein, das Kissen, das ihr in den Nacken fliegt, aber nichts da, als wäre es ein Sandsack. Und diese kratzende, heulende Musik, die paßt gar nicht zum Drehrhythmus, als ob dem Wagen nie einer das Tanzen ...

... Wiener Walzer, endlich, ihr Lieblingstanz. Wenn nur der Michael nicht so ein Tölpel wäre. Linksherum, mit dem? Nie im Leben. Jedenfalls nicht bis zum Abschlußball, soviel war klar. Und eigentlich bräuchte sie Schuhe mit Stahlkappen, so oft, wie der ihr drauflatscht. Gabi allerdings war vor Neid geplatzt, als der Michael ... "Clara, magst Du mit mir zur Tanzstunde gehen?" Knallrot angelaufen war er da, der Michael, wie ein zu groß geratener Teddibär hatte er ausgeschaut, richtig süß ... Aber vielleicht hätte sie doch warten sollen, bis Sven sie gefragt hätte. Eigentlich wollte sie ihm ja nur eins auswischen, weil der sich bei der letzten Fete so wenig um sie gekümmert hatte. Als ob er eine andere hätte. Aber als Sven erfuhr, dass sie mit Michael den Kurs machen würde, da hatte er ganz verschleierte Augen gekriegt. Na ja, es gab ja auch noch den F-Kurs. ... Schwitzen tat der Michael, furchtbar, und wie er immer glotzte ...

Vaters Augen, im Rückspiegel, er hat sie riesig weit aufgerissen, fast so sehr wie seinen Mund, er brüllt ein langgezogenes "Nein", drückt sich mit beiden Händen vom Lenkrad weg. Mir ist so schlecht ...

... wie damals, als sie so lange auf ihre Regel warten musste, richtig nervös war sie schon gewesen, vier Tage über der Zeit. Das war, nachdem sie und Sven das erste Mal miteinander geschlafen hatten, im Bootshaus, wo es ein wenig muffig roch. Aber Sven hatte sie so lange geküsst und gestreichelt, bis sie einfach die Kontrolle verlor. Er ja auch. Und die Pille hatte sie sich erst hinterher verschreiben lassen. Es war so schön gewesen, Sven war so lieb, so zärtlich gewesen, und auch am Anfang hatte es nur ein bisschen weh getan, als er in sie eindrang ...

Warum tut es nur so furchtbar weh, diesmal. "Aaahhh"

... wegen eines schweren Verkehrsunfalles musste die Bundesstraße ...

"Was hat er denn nur, ist doch nicht das erste Mal, eigentlich müsste er das besser abkönnen. Zugegeben, ist ja kein schöner Anblick, so wie die zugerichtet sind." Der Einsatzleiter sieht sich um. Die Rettungsarbeiten sind so gut wie abgeschlossen. Als er den Wagen da auf der abgebrochenen Kiefernspitze liegen sah, wie ein Stück Schaschlik auf dem Spieß, da hatte er gleich gewusst, die sind hin. Aber trotzdem mußte man versuchen, mit dem Rettungsspreizer die Opfer aus dem Wrack zu bergen. Ein Wunder, dass kein Feuer ausgebrochen ist, bei all dem Treibstoff, der ausgeflossen ist. Der Feuerwehrmann schüttelt den Kopf. "Er wird sich schon wieder fangen, der Junge."

... "Versuchs mal mit dem Spreizer. Hey, ruhig, was ist denn los?" Das Kennzeichen kannte er doch. Nein, bitte nicht. Lass sie noch leben, bitte. Hastig setzte er das schwere Werkzeug an. Verflucht, jetzt rutschte es ab. Nochmal. Geschafft. "Oh nein!" ... Den Anblick der blutverschmierten Astspitze, die durch Claras Schlund gedrungen war und zwischen ihren zerfetzten Kiefern herausragte, wurde Sven auch nicht los, als er so lange gekotzt hatte, bis er meinte, seine Magenwände würden mit hochkommen.


... An diesem Wochenende starben leider wieder zwölf Menschen auf bundesdeutschen Straßen. Das Wetter ...
 

HerbertH

Mitglied
Hallo erbsenrot,

habe gerade beim Überdenken dieses alten Textes festgestellt, dass ich versehentlich nicht auf Deinen Kommentar geantwortet hat.

Danke für das Kompliment

Liebe Grüße

Herbert
 



 
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