Verlassen

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sischa

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Verlassen

„....... dann werde ich dich verlassen!“
Diesen Satz meiner Großmutter hatte ich schon lange vergessen. Erst als er wahr wurde, erinnerte ich mich wieder an ihn.
Immer konnte ich sie anrufen, ob Tag oder Nacht. Jederzeit war sie für mich da. Über Gott und die Welt konnte ich mich mit ihr unterhalten. Nächtelang saßen wir beisammen, um Probleme jeder Art zu lösen. Und jetzt war sie gegangen, ohne Schmerzen einfach eingeschlafen, während ich bei ihr war. Gerade hatte ich ihr von meiner bevorstehenden Hochzeit erzählt und sie gebeten, an Stelle meines Vaters mich zum Altar zu führen, da hatte ihr Herz aufgehört zu schlagen. „..... dann werde ich dich verlassen!“, klang mir in den Ohren.
Sie hatte diesen Satz gesagt, als ich zum Waisenkind wurde nach einem Autounfall meiner Eltern. Sie nahm mir die Angst vor dem Verlassensein und gab mir die Geborgenheit, die ein zehnjähriges Mädchen brauchte. Auch Großvater bemühte sich, mir den Vater zu ersetzen, doch er starb nach einigen Jahren, und wieder sagte meine Großmutter: „...... dann werde ich dich verlassen.“
Die Jahre vergingen sehr rasch mit Schulbesuch und Studium in einer anderen Stadt. Niemand merkte mir an, dass ich eine Waise war, auch ich vergaß es, denn Großmutter war da: Sie hörte geduldig zu, wenn ich mich auf Prüfungen vorbereitete und fragte nach, wenn sie etwas nicht verstanden hatte. Als ich das Diplom in der Tasche hatte, fand ich weit entfernt von ihr eine Arbeitsstelle, fast täglich telefonierten wir mit einander, und übers Wochenende fuhr ich oft zu ihr. Sie tröstete mich bei meinem ersten Liebeskummer und kommentierte auch alle Fotos meiner Freunde. „Der ist nicht gut für dich, .....der ist nicht ehrlich, .....der kann nicht treu sein.“
Vor einigen Monaten lernte ich nun einen jungen Mann kennen, den ich vor meiner Großmutter verschwieg, diesmal sollte sie keinen Kommentar abgeben. Ich hatte mich verliebt, wie noch nie, und es wäre für mich schlimm gewesen, wenn sie ihn abgelehnt hätte. Natürlich merkte sie, dass ich nicht mehr so oft kam. Ich schob Schwierigkeiten in der Firma vor, sie glaubte es mir nicht. „ Ist es ein Mann?“ fragte sie unvermittelt. „Ich werde ihn dir bei Zeiten vorstellen“, war meine knappe Antwort. Doch dies tat ich nicht, im Gegenteil, ich besprach die Hochzeit nur mit meinem Bräutigam und überraschte die Großmutter mit dem Termin und der Bitte, mich vor den Altar zu geleiten. Doch nun war sie tot!
„Erst, wenn du ganz allein zurecht kommst, dann werde ich dich verlassen!“
 
Liebe Sischa,

eine traurige, aber dennoch liebevoll formulierte Geschichte. So eine Großmutter.. würde sich wohl jeder wünschen.

Logisch aufgebaut, Dein Text, auch durch die Auflösung am Ende. Die Pointe ist nicht so stark, aber bei der Thematik absolut angemessen.
Ein wenig Lebendigkeit könntest Du noch einbringen, ich mach Dir ein paar Vorschläge dazu, sie sind jedoch nur als Anregungen zu verstehen:





Immer konnte ich sie anrufen, ob Tag oder Nacht. Jederzeit war sie für mich da. Über Gott und die Welt konnte ich mich mit ihr unterhalten. Nächtelang saßen wir beisammen, um Probleme jeder Art zu lösen.
[blue]hier könntest Du etwas konkreter schreiben oder diesen Part weglassen, denn Du wiederholst ihn ja unten nochmal. Würde gleich mit der Kinderzeit beginnen, wie die Oma sie aufzieht, vielleicht nebenher arbeiten geht und trotzdem alles schafft und ihr dabei in der Schule mit Rat und Tat zur Seite steht[/blue]
Und jetzt war sie gegangen, ohne Schmerzen einfach eingeschlafen, während ich bei ihr war. Gerade hatte ich ihr von meiner bevorstehenden Hochzeit erzählt und sie gebeten, an Stelle meines Vaters mich zum Altar zu führen, da hatte ihr Herz aufgehört zu schlagen. „..... dann werde ich dich verlassen!“, klang mir in den Ohren. [blue]beschreib diese Szene noch genauer. Liegt sie im Bett. Kommt die Enkelin einfach so ins Zimmer? sitzt sie neben ihr auf dem Sofa? Hier liegt ja das elementare Merkmal enthalten, also ruhig ein genaues Bild zeichnen, vielleicht die Hand, die sie nochmal kurz drückt und dann nachlässt...[/blue]
Sie hatte diesen Satz gesagt, als ich zum Waisenkind wurde nach einem Autounfall meiner Eltern. Sie nahm mir die Angst vor dem Verlassensein und gab mir die Geborgenheit, die ein zehnjähriges Mädchen brauchte. Auch Großvater bemühte sich, mir den Vater zu ersetzen, doch er starb nach einigen Jahren, und wieder sagte meine Großmutter: „...... dann werde ich dich verlassen.“
Die Jahre vergingen sehr rasch mit Schulbesuch und Studium in einer anderen Stadt. Niemand merkte mir an, dass ich eine Waise war, auch ich vergaß es [blue]weitgehend[/blue], denn Großmutter war da: Sie hörte geduldig zu, wenn ich mich auf Prüfungen vorbereitete und fragte nach, wenn sie etwas nicht verstanden hatte. Als ich das Diplom in der Tasche hatte, fand ich [blue]nur[/blue] weit entfernt von ihr eine Arbeitsstelle, [blue]doch[/blue] fast täglich telefonierten wir mit einander, und übers Wochenende fuhr ich oft zu ihr. [blue]-->besuchte ich sie oft[/blue] Sie tröstete mich bei meinem ersten Liebeskummer und kommentierte auch alle Fotos meiner Freunde. „Der ist nicht gut für dich, .....der ist nicht ehrlich, .....der kann nicht treu sein.“ [blue]gute Idee![/blue]
Vor einigen Monaten lernte ich nun einen jungen Mann [blue]warum hier keinen Namen? würde sich sehr gut machen[/blue] kennen, den ich [strike]vor[/strike] meiner Großmutter verschwieg, diesmal sollte sie keinen Kommentar abgeben. Ich hatte mich verliebt, [red]kein Komma[/red] wie noch nie, und es wäre für mich schlimm gewesen, wenn sie ihn abgelehnt hätte. Natürlich merkte sie, dass ich nicht mehr so oft kam. Ich schob Schwierigkeiten in der Firma vor, sie glaubte es mir nicht. „ Ist es ein Mann?“ fragte sie [blue]eines Tages[/blue] unvermittelt. „Ich werde ihn dir bei Zeiten vorstellen“, war meine knappe Antwort. Doch dies tat ich nicht, im Gegenteil, ich besprach die Hochzeit nur mit meinem Bräutigam und überraschte die Großmutter mit dem Termin und der Bitte, mich vor den Altar zu geleiten. Doch nun war sie tot! [blue]nocheinmal streichelte ich über ihre kalte Hand, die voller feiner Äderchen war [/blue]
„Erst, wenn du ganz allein zurecht kommst, dann werde ich dich verlassen!“

liebe Grüße

Klabautermann
 

GabiSils

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Hallo Sischa,

trotz aller Traurigkeit liegt das Positive im Schluß: Die Großmutter hat damit indirekt die Ehe gutgeheißen. Ein tröstlicher Gedanke.

Gruß,
Gabi
 

driver2

Mitglied
Hallo sischa,
ich finde dein Text sehr schön, obwohl er natürlich auch traurig ist. Du hättest vielleicht etwas klarer beschreiben können was sie gerade macht, als sie bei ihr ist. Ansonsten finde ich ihn so gut.

Gruß,
driver2
 

sischa

Mitglied
hallo Klabautermann,
danke für die Besprechung! Wenn ich so an meine Geschichten denke, sind sie fast alle recht kurz, vielleicht habe ich mir die Ratschläge von anderen Literaten zu sehr zu Herzen genommen, nichts Überflüssiges zu schreiben, was von der eigentlichen Geschichte ablenken könnte: dem Verlassensein.
Du hast mir gut geraten. Ich werde daraufhin die Geschichte ergänzen.
Gruß und Dank auch an Gabi und driver2. Ja, Oma hat den neuen Freund gut geheißen.

Gruß Sischa
 



 
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