Marcus Richter
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Es ist eine der seltsamsten Erscheinungen, dass der Mensch vom Fernweh befallen ist.
Tief im Inneren, verborgen hinter den Windungen und Verschlingungen der pulsierenden Stirnlappen, existieren gedachte Orte, die der Mensch zu bereisen wünscht.
Gemeinhin gibt es blumige Umschreibungen in seinem Wortschatz, die diesem Wunsch Ausdruck verleihen. Einen Tapetenwechsel brauchen, sagt man zum Beispiel, oder auch, sich auf die Socken machen müssen. Wie tief der Wunsch, den das Fernweh beim Namen nennt, allerdings reicht, mag nur die Tatsache beschreiben, dass sich der Mensch, seit seiner Entstehung über den gesamten Erdball ausgebreitet hat, ja sogar Anstalten trifft, sich darüber hinaus anzusiedeln.
Aber ist es so einfach? Beschleichen einen nicht Ängste und böseste Vorahnungen, wenn ein Umzugstransporter durch eine Nebenstraße wankt und über das Kopfsteinpflaster hämmert?
Was geht da im Inneren vor, fragt man sich, wenn die dumpfen Schläge von der Ladefläche durch die Nacht grollen.
Wie Faustschläge hört es sich an, wenn ein auseinander gebauter Schrank gegen einen Schreibtisch bummert, ein Klavier macht sich selbstständig und dröhnt wie der wahr gewordene Alptraum eines wahnsinnigen Ichgestörten. Daneben klingeln und klimpern die Stehlampen mit dem Silberbesteck, und aus einem Gully mischt sich Rattengezirpe in die Einrichtungssonate.
Draußen vor der Stadt dann, biegt das schwankende Gefährt eben nicht auf die A2 und trödelt in die Nacht hinaus! Der Blinker geht zwar wie der gleichmäßige Herzschlag eines Schlafenden und will uns glauben machen, es ginge hier die Auffahrt hinunter; doch trotzdem setzt der Transporter seine Reise in Richtung Müllhalde fort und rappelt über einen Feldweg samt Inneneinrichtung auf einen schwarzen, verschwommenen Hügel zu.
Noch immer schlägt der Blinker seinen eintönigen Takt.
Dann Stille...
Der Fahrer im Dunkel ist kaum zu sehen. Nur das kurz aufleuchtende, gelbe Licht des Fahrtrichtungsanzeigers gibt seinem Äußeren Konturen. Er schlurft zur Hebebühne und lässt alles, was sich auf der Ladefläche befindet auf den stinkenden Boden krachen.
Was eben noch gut und gerne zu verkaufen gewesen wäre, ja was einem Menschen lieb und teuer war, geht in einem gewaltigen Scherbenhaufen auf, und das Holz zersplittert und bricht klagend entzwei.
Wo aber ist derjenige, dem das alles einst gehörte, frage ich! Warum ist er nicht hier und ruft und schreit nach der Polizei?
Nach Berlin verzogen, heißt es. Er hätte dort eine Mansardenwohnung gefunden, mit Geranien auf dem Balkon und Blick nach Süden. Und wenn man dort anruft, dann meldet sich tatsächlich seine Stimme! Nur ist sie anders als sonst. Ihr scheinen jene gewissen Frequenzen zu fehlen, die ihr, nun ja, Persönlichkeit verleihen.
Ist dort überhaupt jemand, fragt man sich die ganze Zeit, während die Stimme auf der anderen Seite der Leitung emotionslos von den Geranien und dem Balkon mit Blick nach Süden erzählt. Ist dort überhaupt ein Mensch?
Aber ach. Nein! Wie kann man nur so töricht sein und annehmen, dass dort ein anderer zu einem spricht. Einem, dem ein Schatten auf der Stimme liegt, wie es scheint. Belegt ist sie, behauptet er, und dass er auf bestem Wege in eine Erkältung sei.
Und obwohl alles ganz normal ist, und man sich erst gestern noch gesehen hat, überkommt einen sofort, nachdem der Hörer auf der Gabel liegt, das schreckliche Gefühl,
dass der andere für immer verschwunden ist…
Tief im Inneren, verborgen hinter den Windungen und Verschlingungen der pulsierenden Stirnlappen, existieren gedachte Orte, die der Mensch zu bereisen wünscht.
Gemeinhin gibt es blumige Umschreibungen in seinem Wortschatz, die diesem Wunsch Ausdruck verleihen. Einen Tapetenwechsel brauchen, sagt man zum Beispiel, oder auch, sich auf die Socken machen müssen. Wie tief der Wunsch, den das Fernweh beim Namen nennt, allerdings reicht, mag nur die Tatsache beschreiben, dass sich der Mensch, seit seiner Entstehung über den gesamten Erdball ausgebreitet hat, ja sogar Anstalten trifft, sich darüber hinaus anzusiedeln.
Aber ist es so einfach? Beschleichen einen nicht Ängste und böseste Vorahnungen, wenn ein Umzugstransporter durch eine Nebenstraße wankt und über das Kopfsteinpflaster hämmert?
Was geht da im Inneren vor, fragt man sich, wenn die dumpfen Schläge von der Ladefläche durch die Nacht grollen.
Wie Faustschläge hört es sich an, wenn ein auseinander gebauter Schrank gegen einen Schreibtisch bummert, ein Klavier macht sich selbstständig und dröhnt wie der wahr gewordene Alptraum eines wahnsinnigen Ichgestörten. Daneben klingeln und klimpern die Stehlampen mit dem Silberbesteck, und aus einem Gully mischt sich Rattengezirpe in die Einrichtungssonate.
Draußen vor der Stadt dann, biegt das schwankende Gefährt eben nicht auf die A2 und trödelt in die Nacht hinaus! Der Blinker geht zwar wie der gleichmäßige Herzschlag eines Schlafenden und will uns glauben machen, es ginge hier die Auffahrt hinunter; doch trotzdem setzt der Transporter seine Reise in Richtung Müllhalde fort und rappelt über einen Feldweg samt Inneneinrichtung auf einen schwarzen, verschwommenen Hügel zu.
Noch immer schlägt der Blinker seinen eintönigen Takt.
Dann Stille...
Der Fahrer im Dunkel ist kaum zu sehen. Nur das kurz aufleuchtende, gelbe Licht des Fahrtrichtungsanzeigers gibt seinem Äußeren Konturen. Er schlurft zur Hebebühne und lässt alles, was sich auf der Ladefläche befindet auf den stinkenden Boden krachen.
Was eben noch gut und gerne zu verkaufen gewesen wäre, ja was einem Menschen lieb und teuer war, geht in einem gewaltigen Scherbenhaufen auf, und das Holz zersplittert und bricht klagend entzwei.
Wo aber ist derjenige, dem das alles einst gehörte, frage ich! Warum ist er nicht hier und ruft und schreit nach der Polizei?
Nach Berlin verzogen, heißt es. Er hätte dort eine Mansardenwohnung gefunden, mit Geranien auf dem Balkon und Blick nach Süden. Und wenn man dort anruft, dann meldet sich tatsächlich seine Stimme! Nur ist sie anders als sonst. Ihr scheinen jene gewissen Frequenzen zu fehlen, die ihr, nun ja, Persönlichkeit verleihen.
Ist dort überhaupt jemand, fragt man sich die ganze Zeit, während die Stimme auf der anderen Seite der Leitung emotionslos von den Geranien und dem Balkon mit Blick nach Süden erzählt. Ist dort überhaupt ein Mensch?
Aber ach. Nein! Wie kann man nur so töricht sein und annehmen, dass dort ein anderer zu einem spricht. Einem, dem ein Schatten auf der Stimme liegt, wie es scheint. Belegt ist sie, behauptet er, und dass er auf bestem Wege in eine Erkältung sei.
Und obwohl alles ganz normal ist, und man sich erst gestern noch gesehen hat, überkommt einen sofort, nachdem der Hörer auf der Gabel liegt, das schreckliche Gefühl,
dass der andere für immer verschwunden ist…