Versteuert

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Er hängte die Zapfpistole aus ihrer Halterung und führte sie in den Tank, drückte den kleinen Automatikhebel und trat ein wenig zurück, um nicht die zwar lecker riechenden, aber giftigen Dämpfe des Benzins einzuatmen. Er verfolgte aufmerksam die Literanzeige, und bitter schaute er auf die unteren Zahlen. Da flossen mit dem Benzin die Steuern durch das Zählwerk. Neben der Benzin-, KFZ- und Ökosteuer erhöhte nun noch die Schwefelsteuer den Literpreis, der inzwischen mit satten 70 % Steueranteil längst die Schmerzgrenze überschritten hatte. Von jedem Euro, den er hier für den Liter zahlen musste, klingelten 70 Cent in das Staatssäckel. Wut durchkroch ihn, und es kräuselten sich ihm der Magen in seiner inneren Wandung - und kurz darauf seine Fußnägel. Der rüstige Rentner an der Kasse erinnerte ihn an die Rüstung seines Landes, die ja auch von den Steuern bestritten wurde. Es soll nicht verschwiegen werden, daß er in einem freien Land lebte, das einzige was hier unfrei war, waren manchmal Briefe.

Er schrieb einen solchen an seinen Abgeordneten, seinen Beigeordneten, seinen ihm übergeordneten Volksvertreter, der ihn vertreten sollte – falls er mal nicht konnte - und schlug Folgendes vor:

Warum geht die Regierung nicht dazu über, in einer Zeit, da der Endverbraucher immer mehr den Unwägbarkeiten von Industrie-Abfall-Food-Ketten und Gen-Manipulations-Trusts ausgesetzt ist, den Bürgern das Konsumenten-Etikett abzureißen, und ihm ein Neues aufzukleben: Versuchsobjekt. Auch könnte man ihm mit einem neuen Steuer-Reform-Paket abnehmen, was ihm sowieso nie gehörte: die Luft, die ja teilweise schon über die Vergabe von Lizenzen für Frequenzen versteuert war:

- ungereinigte Luft 30 %
- von Schwermetallen gereinigt 35 %
- von Verstrahlung frei 45 %

Die Maßeinheiten per Kubikmeter müssten für noch zu entwickelnde Zähler geeicht werden:

Ein Tag hätte dann 150 Kubikmeter - in der Stadt,
250 Kubikmeter - auf dem Land
und 350 Kubikmeter - im Urlaub

Beim Wasser könnte man ebenso verfahren, getrennt nach den zur Verfügung stehenden Qualitäten

- bleifrei
- normal und
- super

Beim Tageslicht wäre eine Abgabenpauschale für das Stadt/Land-Gefälle fällig.
In Brauerei-Nähe könnte man an den Hopfen-Siede-Tagen eine Geruchs-Belästigung-Gutschrift erstellen, ebenso im Hafen-Bereich in der Umgebung von Kakao-Firmen und Mineral-Öl-Raffinerien. Der Steuersatz wäre an smogträchtigen Tagen erheblich günstiger und der gesamte Monat November wäre prinzipiell rückerstattbar.

Diesen Brief knallte er dann in seinem Politbüro einer Sekrätärin unwirsch auf den Tisch: „Hier, für eueren Vortänzer!“

Dann ging er zu einem Notar und vermachte in einem Testament seine Organe :
- Lunge an die Tabakindustrie
- Leber an die Alkoholindustrie
- Magen an die Kaffeeindustrie
- Venen an Zuckerindustrie
- Gehirn an die Zeitungskonzerne
- Augen an die Werbeindustrie
- das Gehör an die Gema

Dann gründete er eine Bürgerinitiative, in der man sein Autos kurz vor dem Verschrotten an die Gemeinde überschreiben konnte. Ebenso PCs, Verstärkeranlagen, Mikrowellentoaster usw. Es folgte eine Flut von Anträgen, Aktenberge wuchsen und Verwaltungsangestellte quälten sich durch Gebirge von alten Rechnern, Druckern und Monitoren. Dieser Zweig wurde bald privatisiert.


Aber auch nach dieser Aktion war seine Wut noch nicht verraucht. Er saß am Computer und entwarf einen Begleitbrief an seinen Volksvertreter, seinen Ab-Geordneten, seinen Obmann. Er vermied die persönliche Anrede, wie beim ersten Brief.

"Ich habe heute persönlich einen Brief in Ihrer Geschäftsstelle abgegeben, in der Gewissheit, dass diese auch schnell von Ihren subalternen Mitgliedern an den Chef-Genossen weitergeleitet werden. Seien Sie sich nicht zu sicher in ihrem Dreh-Sessel mit Blick auf die Pfründe einer im Korsett des Steuerrechts geknebelten Gesellschaft!

Und überhaupt: Was heißt schon Gesellschaft? Gesellen, schafft! Das träfe es eher. Denn es hat sich eine Schicht gebildet, eine Crème, die sich darauf versteht, andere für sich arbeiten zu lassen, bis die Bio-Behälter der Steuerzahler keine Einkünfte mehr erzielen, und irgendwie über die Rentenkassen recycelt werden müssen.

Aber ich will Sie nicht von Ihrem Job abhalten, Sie arbeiten sicher gerade mal wieder an einer Steuerreform!

Mit untertänigsten Grüßen"
 



 
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