Vertippt

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Helmut Kramer hatte es im Feierabendverkehr gerade bis vor die letzte Ampel auf seinem Heimweg geschafft, als der leise gestellte Klingelton seines Handys ihm verriet, dass eine SMS angekommen war. Er warf einen flüchtigen Blick auf das Handy, das auf dem Beifahrersitz lag. Da die Ampel sich nicht entschließen konnte, auf "Grün" zu wechseln, nahm er das Handy an sich und las die letzte Nachricht.
"Hi Dieter! Erinnerst du dich an mich, Samstagabend, auf Michaels Geburtstagsfeier ? Hier hast du meine Nummer, wie versprochen. Deine Dorle."
Offensichtlich war die SMS ein Irrläufer. Dorle hatte sich wohl vertippt, einen Zahlendreher eingegeben. Oder was auch immer. Er überlegte, ob er sie über den Irrtum aufklären sollte, doch warum eigentlich? War ja nicht seine Schuld, wenn sie so dämlich war und eine Handynummer nicht richtig eintippen konnte. Was ging es ihn an.

Endlich sprang die Ampel um. Aufseufzend startete er den Motor, froh, endlich nach Hause zu kommen, auch wenn Babette nicht da war. Oder vielleicht gerade deshalb, weil sie nicht da war? Er lächelte in sich hinein. Nein, er war froh, wenn sie von ihrer Klassenreise zurück war, auch wenn es mit einem Teenager im Haus manchmal anstrengend sein konnte, vor allem, wenn man ihn alleine aufziehen musste. Babettes Mutter hatte sich vor Jahren aus dem Staub gemacht, um einen reichen Snob zu heiraten, damit sie sich ein schönes Leben machen könnte und sich vor jeder Verantwortung gedrückt. Helmut konnte nie an sie denken, ohne dass sich seine Mundwinkel vor Verachtung kräuselten. Sollte sie jemals wieder vor seiner Tür auftauchen, würde er ihr diese umgehend vor der Nase zuschlagen.

Zuhause spähte er in seinen gähnend leeren Kühlschrank und beschloss, sich eine Pizza zu bestellen. Als er das Handy holte, um die Pizzeria anzurufen und versehentlich die falsche Taste drückte, leuchtete auf dem Display noch einmal die letzte Nachricht auf. Er beschloss, sie jetzt einfach zu löschen. Was ging ihn Dorles verkorkstes Liebesleben an. Eine Frau, die es nötig hatte, einem Mann so hinterher zu laufen, konnte kein befriedigendes Liebesleben haben. Vermutlich war sie der Typ Frau, der Angst hatte, keinen Mann mehr abzubekommen und deswegen alles mit allen Mitteln versuchen würde, in der Hoffnung, dass einer schon dumm genug sein würde, auf sie reinzufallen. Vermutlich spekulierte sie noch darauf, dass der Zukünftige reich war und sie sich ein sorgenfreies Leben ohne Arbeit und Verantwortung machen konnte. So wie Babettes Mutter, die es sich ja nun gutgehen ließ. Bei diesem Gedanken fiel ihm ein, dass er Dorle vielleicht einfach eine Lektion erteilen sollte, denn erstens war sie bestimmt Babettes Mutter sehr ähnlich und verfolgte ganz gewiss dieselben Ziele (das war ja unschwer an ihrem unverfrorenen Schreibstil zu erkennen) und zweitens (und das nicht zu knapp), ärgerte er sich darüber, dass er mit dem Anbandeln zweier ihm vollkommen fremder Personen belästigt wurde, nur weil Dorle es noch nicht einmal fertig bekam, sich an den richtigen Adressaten zu wenden. Wahrscheinlich würde diese Dorle noch erwarten, dass er, Helmut, die Sache richtig stellte. Da hatte sie sich aber tüchtig geschnitten. Nicht mit ihm.

Zunächst bestellte er sich die Pizza, denn Dorle sollte sich nicht einbilden, dass er sich noch vor seinem Essen um ihre Angelegenheiten kümmern würde. Eigentlich eine Frechheit, dass sie das überhaupt erwartete.

Er betrachtete die Nachricht noch einmal und schrieb dann:
"Hallo Dorle! Ja, ich erinnere mich an dich. Auch an dein Benehmen. Ich wundere mich, dass du dich daraufhin noch meldest. Ich muss dir leider mitteilen, dass ich an dir kein Interesse habe.
Dieter"

Er nickte zufrieden, als er sich den Wortlaut noch einmal durchlas. Dann schickte er die SMS ab und lehnte sich glücklich lächelnd zurück.

Dieter würde ihm gewiss dankbar sein.
 

ThomasQu

Mitglied
Hallo Delfine,

Wäre das mit der verirrten SMS meine Anfangsidee gewesen, ich hätte kaum der Versuchung widerstehen können, das Spiel so lange zu spielen, bis sich Helmut und Dorle treffen.
Schade, dass du das nicht so weit vorangetrieben hast.
Überleg mal, ob du im vorletzten Satz anstatt glücklich nicht diabolisch einsetzen willst.
Auf jeden Fall ist dieser Text schon etwas straffer als deine früheren.

Grüße,

Thomas
 
Hallo ThomasQu,

danke für deinen Kommentar. Ich dachte anfangs auch daran, in der Richtung zu schreiben, doch dann wäre die Geschichte wieder lang geworden und vermutlich hätte ich wieder eine Fortsetzungsgeschichte draus gemacht. Das wollte ich aber hier nicht, sie sollte kurz sein.

Danke für dein Lob, ich habe dir in der Hinsicht einiges zu verdanken, als du mir bei einer meiner anderen Geschichten die überflüssigen Erklärungen aufgezeigt hast. Seitdem denke ich beim Schreiben immer daran und vermeide sie.

LG SilberneDelfine
 

ThomasQu

Mitglied
Versuch doch mal bei diesem Text den ersten Teil des ersten Absatzes zu kürzen. Der liest sich ein wenig umständlich.
Dreimal das Wort Handy in fünf Zeilen.
 

Lord Nelson

Mitglied
Hallo Delfine,

eine kugelrunde Geschichte, deren Ende pupstrocken und dabei trotzdem realistisch rüberkommt - hab sie sehr gern gelesen.

Helmut Kramer bestraft die aus seinem Dunstkreis entflohene Babette für das Vergehen, ihn verlassen zu haben, indem er eine aufkeimende Romanze zwischen der ihm völlig unbekannten Dorle und deren Dieter rabiat unterbindet. Dazu kam es (Ironie des Schicksals), weil er versehentlich eine falsche Taste drückt - ein Versehen, für welches er Dorle kurz zuvor noch als “dämlich” bezeichnet hatte.

Einige Kritikpunkte:

Die Wiederholung von “Handy” wurde bereits angesprochen.

Das “glücklich lächelnd” am Schluss erscheint mir etwas dick aufgetragen und nimmt der Story die Leichtigkeit - wie wäre es stattdessen mit “entspannt” oder “wohlig” ("zufrieden" ist ja schon vergeben)?

Der Schlussatz (“Dieter...”) ist an sich schon okay, doch etwas feiner erschiene mir die Geschichte ganz ohne diesen.

Viele Grüße
Lord Nelson
 
Hallo ThomasQu,

da habe ich den Text nun zehnmal gegengelesen und dass das Wort "Handy" so oft vorkommt, ist mir nicht aufgefallen. :)

Hallo Lord Nelson,

danke für deinen Kommentar. Freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat. Allerdings handelt es sich nicht um Babette, sondern Babettes Mutter, die Helmut verlassen hat. Ich zauderte, ihr einen Namen zu geben, aber um genau diese Verwechslung auszuschließen, hätte ich es besser getan.

Ich finde, der Schlusssatz, dass Dieter ihm sicher dankbar wäre bzw. dass Helmut das tatsächlich glaubt, ist eigentlich die Pointe der Geschichte. Deswegen würde ich ihn nicht weglassen.

LG SilberneDelfine
 

ThomasQu

Mitglied
Hallo Frau Delfine,

sorry, dass ich jetzt noch mal nachhake, aber ich habe mit Kürzen nicht nur dreimal das Wort Handy in fünf Zeilen gemeint.

Helmut Kramer hatte es im Feierabendverkehr gerade bis vor die letzte Ampel auf seinem Heimweg geschafft, als der leise gestellte Klingelton seines Handys ihm verriet, dass eine SMS angekommen war. Er warf einen flüchtigen Blick auf das Handy, das auf dem Beifahrersitz lag. Da die Ampel sich nicht entschließen konnte, auf "Grün" zu wechseln, nahm er das Handy an sich und las die letzte Nachricht.

Das ist der erste Teil deines ersten Absatzes und der ist nach meinem Empfinden etwas zu ausufernd geraten.
Einzige wichtige Info: Ein Mann schaut auf sein Handy! Alles andere ist nicht von Belang.
Es ist ja schön, wenn du genau beschreibst, aber das solltest du in erster Linie in den entscheidenden Passagen einer Geschichte tun und dich nicht so ausführlich mit Nebensächlichkeiten aufhalten.
Dadurch würden deine Geschichten insgesamt viel gewinnen.

Gruß, Th.
 
Mir gefällt der Text so, wie er ist. Der etwas breiter angelegte Start mit dem mehrmaligem "Handy" und der lakonische, pointierte Schluss. Das passt!
 



 
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