Hallo Label,
auch mir gefällt die Idee deines Gedichtes, in dem das Lyrische Ich hinter der Aggression oder Wut eines Gegenübers verletzte Gefühle entdeckt, weil dies meiner Meinung nach ein guter Weg ist, einen friedlicheren Umgang miteinander zu pflegen.
Ich finde jedoch auch, dass diese Idee im Gedicht nicht ausreichend vermittelt wird, da du in meinen Augen zu sehr auf Abstrakta setzt, welche kaum Impulse verleihen, in die Wirklichkeit des Textes einzusteigen. Erinnerung, Schmerz, Vertrauen, selbst das Verb ahnen bieten mir in dieser Häufung kaum einen Weg, an dem sich meine Vorstellung orientieren kann. Damit will ich nicht ausdrücken, dass die Verwendung derartiger Begriffe per sé von Nachteil ist, aber nachdem du mit einer konkreten Handlung (stehen) beginnst, geht mir die Vorstellung in der folgenden unkonkreten Innenschau etwas verloren. Es gibt freilich durchaus sehr gute philosophische Gedichte, die kaum eine konkrete Auskunft geben, aber in meinen Augen vermischen sich die abstrakte und konkrete Ebene in deinem Text in einem Maße, dass ich das Gefühl habe, er würde einiges liegen lassen.
Ich würde trotzdem an diesem Gedicht keine Änderung vornehmen, weil der jetzige Text keine Vorgaben liefert, anhand derer man die abstrakte Ebene zu Gunsten einer höheren Immersion etwas in den Hintergrund versetzen könnte.
Insgesamt hat mir dein Text aber trotzdem ein gutes Gefühl vermittelt!
Viele Grüße
Frodomir