Vertrauen gewonnen

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Vertrauen gewonnen

Wenn meine Ehegattengemahlin Berta mit mir aufe Jagd ging, hockten wir oft gemeinsam auf einer Kanzel drauf. Allerdings nur beim abendlichen Ansitz, denn morgens kam se nich ausse Federn. Dat war auch gut so, denn schon der Abendansitz war für mich ne Zumutung!
Anstatt nach Beute zu peilen, las meine Frau da oben so indischen Schinken und blickte verklärt inne Gegend rum. Dat stank mir zwar gewaltig, aber wat sollte ich denn machen? Da oben ausse Schwarte fahrn und mir dat Wild vergrämen?

Irgendwann hörten diese Kama-Spinnereien auf, da war ich mir sicher.
Wahrscheinlich war se zurzeit auch nur vonne Wechseljahre befallen. Da hab ich ma wat drüber gelesen. Die Weiber sind dann nich mehr wiederzuerkennen. Man muss nur Geduld haben, bis die hormonell wieder im Lot sind. Und wir Jäger haben ja bekanntlich sehr viel Geduld.
Nach en paar Monaten wurden ihre verrückten Erleuchtungen tatsächlich seltener, und dat Jagen mit die Berta machte langsam wieder Laune.
Mit dem Jagdpächter und Jagdhüter kamen wir gut klar. Sehr rasch kapierten wir, wat dat mit dem harten Jagdalltag bedeuten tat. Malochen bis zum Umfallen: Leiter- und Hochsitzbau,Wildäcker anlegen, beim Ansitz Eisbeine holen, den Hintern platt sitzen, Tiere ausweiden, zerlegen und verkloppen usw.
Die ersten sechs Monate im neuen Revier Bassenhausen vergingen rasend schnell.
Berta half mir ohne zu murren beim Bergen und Aufbrechen meiner Beute. Dabei fiel mir auf, dat se dabei keinerlei Abscheu zeigte oder Tränen über dat „arme Tier“ vergießen tat. Ich musste kein Prophet sein, um dat zu deuten.
Et lag allein daran, dat i c h dat Tier erlegt hatte. Also war s i e mit sich im Reinen und konnte gelassen ihrer Wiedergeburt als Vierfüßler entgegen kucken.

Nach son aufregendet Waidmannsheil auf en Keiler, der gerade ne halbe Wiese umpflügen tat, fuhr ich schweißtriefend so gegen Mitternacht zur Jagdhütte, um dort dat Stück aufzubrechen. Meine Berta, der Jagdchef und Uli, der Jagdaufseher, saßen noch gemütlich draußen aufe Bank und hatten sich schon gut einen reingeschüttet.
Ich bekam für den Keiler meinen Schützenbruch, und dann tranken wir die Sau tot. Unverfälscht berichtete ich wie ich dat Tier strecken tat. Na ja, nich ganz unverfälscht. Wenn beispielsweise der Abzugsfinger nach ner halben Stunde en Krampf kriegte, die Augenlider vom Äugen schlapp herunterfielen und die Haare vor Aufregung zu Berge standen, dat Adrenalin am kochen war, weil die Sau immer und immer wieder vonne Bildfläche verschwinden tat, dann hört sich son Bericht doch viel spannender an, oder?
Uli kloppte nach meinem lebendigen Bericht an sein Glas und sprach den Jagdpächter an: „Lieber Engelbert, Willi und Berta haben sich prächtig bei uns eingelebt und verstehen ihr jagdliches Handwerk. Den beiden können wir bedenkenlos unser Wild anvertrauen.“

Junge, dat waren erlösende Worte. Der Jagdherr reichte mir bedeutungsvoll die Hand und bot Berta und mir dat „Du“ an. Er bemerkte schlicht: „Schön, dass wir uns alle so gut verstehen, so soll es sein.“
Jetz musste i c h ja wat erwidern: „Liebe Jagdfreunde, wat soll ich sagen? Ich bin gerührt. Wir danken für dat große Vertrauen. Man äugt ja jedem Jagdbewerber nur vorn Kopp, wenn er sich vorstellen tut. Dat iss in meiner Klempnerklitsche genauso. Du äugs dem Gesellen inne Lichter rein, entweder klickt et, und er iss dir auf Anhieb sympathisch, oder du hass sofort son komischet Gefühl im Bauch, dat der Kerl nich ganz koscher iss. Meistens hab ich mit dat Bauchgefühl richtig gelegen. Jedenfalls hat et bei mir sofort angenehm geklickt als wir mit Euch zum ersten Mal int Gespräch kamen.
Ich fühle et in mir, ich bin jetz jagdlich so gut drauf, dat ich all den theoretischen Stoff inne Praxis umsetzen kann, wobei ich anmerken tu, dat die raue Wirklichkeit erheblich vonne grauen Theorie abweicht. Auch im Namen von Berta sach ich Euch en dicket Waidmannsdank!“
Uli sachte noch wat Bemerkenswertet:
„Es hat mir auch viel Freude gemacht, mit Euch zu arbeiten. Ich habe dabei meine Kenntnisse ebenfalls vertieft. Ein Jäger lernt niemals aus. Wer das nicht begreift, ist in meinen Augen ein eseliger Klugscheißer.
Und was ich noch sagen wollte: Ihr müsst dringend ein paar wichtige Leute im Dorf kennen lernen. Man kann nie wissen, wie nützlich das mal sein kann, wenn Engelbert altersbedingt die Jagd nicht mehr ausüben möchte.
Morgen um zehn würde ich Euch gerne mit dem Ortsbürgermeister bekanntmachen, der ist auch 2. Vorsitzender der Jagdgenossenschaft. Der Mann ist Kommunalpolitiker mit SPD-Parteibuch. Willi, der prüft sofort Deine politische Gesinnung, sei auf der Hut, wenn Du nicht direkt bei dem unten durch sein willst. Imker ist der auch. Erzähl was über Bienenweide und Wildäcker. Der verkauft auch gerne seinen Honig, der schmeckt übrigens ausgezeichnet.
Um 11.00 Uhr besuchen wir dann den größten Landwirt im Ort, den Schweinejupp. Der ist 1. Vorsitzender der Jagdgenossenschaft. Pass auf, dass er Dich nicht mit Westerwälder Kümmel voll macht. Der säuft gerne. Außerdem ist das ein ganz ausgebufftes Schlitzohr und ein widerlicher Weiberheld. Der zieht jede Frau mit seinen Augen aus. Wenn Du dem die Hand gibst, musst Du anschließend die Finger zählen. Ich habe bei Wildschäden jedes Mal das größte Theater mit dem Kerl. Letztlich wird sich zwar geeinigt, aber vorher reizt er Dich bis zur Weißglut. Wenn Du mal Geräte brauchst, dann ist er zwar entgegenkommend, aber lässt sich die Hilfe gut bezahlen.
Übrigens, der Gemeinderat wünscht ebenfalls, dass Ihr Euch bei passender Gelegenheit mal vorstellt. Das könnte bei der nächsten Gemeinderatsversammlung sein. Das hat aber noch Zeit.“ Ich kriegte Panik.
„Hömma, Uli, dat iss zwar allet sehr nett mit die Vorstellerei, aber glaubse wirklich, dat ich solche Gespräche vonne Materie her packen tu? Ich hab doch gar keine Ahnung vonne hiesigen Kommunalpolitik oder von Ackerbau und Viehzucht.“
Jetzt mischte sich Berta sehr energisch ein. Die kuckte mich dabei überhaupt nich an, ich war für sie Luft: „Uli“, sagte se ganz aufgeregt, „der Willi, dat iss en selbständigen Handwerksmeister, der in seiner Kundschaft vom einfachen Bergmann bis zum verarmten Hochadel allet vertreten hat. Der wird morgen locker und flockig mit diesen Herren sprechen. Außerdem bin i c h bei diesen Gesprächen zugegen. Wat meinze, wat ich morgen tragen soll. Dat grüne Schlichtkleid oder son bissken wat Gewagteret?“
Dat musste ja kommen! So war dat Berta eben. Engelbert und Uli prusteten vor Lachen.
„Berta“, sachte ich, „aufbrezeln läuft morgen nich, Du ziehst dat braune Schlichtkleid an. Wenn Dorfkirmes iss, dann kannze dat schwarze Dirndl mit dem freien Molliblick tragen, morgen iss erst ma leichtet Anpirschen bei die Dorfbewohner angesacht.
 



 
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