Verwandlung

4,60 Stern(e) 23 Bewertungen

Vera-Lena

Mitglied
Verwandlung

Dein Lächeln strahlt durch Fensterscheiben.
Den Atemhauch erahne ich.
Bei Schnee bist du des Schnees Treiben,
beim Geigenspiel der Bogenstrich.

Spätabends bist du aufgestiegen.
Am Himmel blinkt ein neuer Stern?
Als Schleier möchte ich bei dir liegen
nur ein paar Lichtjahre noch fern.

Du hast dich mir zurückgelassen.
Im Garten weht noch dein Gebet.
Die Blumen können es erfassen,
weil es als Licht zu ihnen geht.

Mir bist du Lied in meinen Sinnen,
ein Brausen auch wie Orgellaut.
Was draußen war, jetzt lebt es innen,
gefühlt, gehört, verzückt geschaut.
 

Trunzun

Mitglied
Wow! Also irgendwie spricht mich das Gedicht wirklich an
ICh kann aber nicht erkennen (liegt wohl an miener unerfahrenheit^^) um was genau es sich handelt :D könntest du es mir bitte erläutern? =) wäre sehr nett. danke =)
 

Vera-Lena

Mitglied
Verwandlung

Dein Lächeln strahlt durch Fensterscheiben.
Den Atemhauch erahne ich.
Bei Schnee bist du des Schnees Treiben,
beim Geigenspiel der Bogenstrich.

Spätabends bist du aufgestiegen.
Am Himmel blinkt ein neuer Stern?
Als Schleier möcht ich bei dir liegen
nur ein paar Lichtjahre noch fern.

Du hast dich mir zurückgelassen.
Im Garten weht noch dein Gebet.
Die Blumen können es erfassen,
weil es als Licht zu ihnen geht.

Mir bist du Lied in meinen Sinnen,
ein Brausen auch wie Orgellaut.
Was draußen war, jetzt lebt es innen,
gefühlt, gehört, verzückt geschaut.
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo Trunzun,

da scheint jemand fortgegangen zu sein:

"Spätabends bist du aufgestiegen.
Am Himmel blinkt ein neuer Stern?"


Das lyrische Ich ist voller Sehnsucht:

"Als Schleier möcht ich bei Dir liegen (da wird es sich wohl um einen Wolkenschleier handeln)


Aber dann gelingt es, dem lyrischen Ich, seine Sehsucht umzuwandeln in ein Empfinden des andern, so als ob er noch anwesend wäre. Alles, was es früher mit dem geliebten Du erlebt, empfunden und erfahren hat, kann es in seinem Inneren wieder lebendig werden lassen und auf diese Weise, wird die Sehnsucht wenigstens zu einem Bruchteil gestillt.

Das ist der Inhalt, der mir beim Schreiben vorschwebte. Nun hoffe ich, dass Du Dir den Text auch entschlüsseln kannst.

Es freut mich natürlich sehr, dass Dir der Text gefällt und ich danke Dir für Deine Nachfrage. :)

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

presque_rien

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

wie schön, nach einer Lupenpause so ein wunderbares Gedicht von Dir zu lesen! Ich lese es als Liebesgedicht, aber auf der anderen Seite könnte es auch ein religiöses Gedicht sein, denn diese Idee der Verwandlung
Was draußen war, jetzt lebt es innen
ist sehr weitreichend.

Ein paar Anmerkungen:
Dein Lächeln strahlt durch Fensterscheiben.
Den Atemhauch erahne ich.
Bei Schnee bist du des Schnees Treiben,
beim Geigenspiel der Bogenstrich.
Sehr schön, wie hier Elemente des Wetters - Sonne, Wind, Schnee - zusammengefügt werden. Allerdings finde ich des Schnees Treiben nicht ideal, denn die Dreisilbigkeit ist bemüht. Vielleicht: Bei Schnee bist du der Flocken Treiben? Oder: Bei Schnee bist du das weiße Treiben? Auch stört mich - aus grammatisch unerklärlichen Gründen - das m im beim.
Spätabends bist du aufgestiegen.
Am Himmel blinkt ein neuer Stern?
Als Schleier möcht ich bei dir liegen
nur ein paar Lichtjahre noch fern.
Ich fände Frühabends besser, wenn man die Zeitangabe metaphorisch betrachtet; denn das Lyri braucht Zeit, um zur Erkenntnis der Verwandlung zu gelangen. Die Frage in V6 finde ich aufgrund der Satzform etwas seltsam. Also entweder das Lyri weiß, dass dort ein neuer Stern blinkt, dann fällt das Fragezeichen weg. Oder das Lyri ist überrascht / entzückt, dann wäre eine Frageform passender wie: Blinkt nicht dort oben noch ein Stern? Nach meinem Gefühl benutzt man Fragen, die den Satzbau einer Aussage haben, nur dann, wenn man etwas, was jemand anders bereits gesagt hat, verwundert wiederholt. Hmm, aber vielleicht meinst du es ja auch so, dass LyrDu das Lyri hat wissen lassen, dass er jetzt als Stern vom Himmel blinkt, und Lyri wiederholt es? ... V8 fällt aus dem Rhytmus, vielleicht: Ein Lichtjahr oder zwei noch/nur fern? Bei Schleier dachte ich übrigens nicht an Wolken, sondern an diese Bilder, die man von Galaxien und Sternhaufen kennt :).
Du hast dich mir zurückgelassen.
Im Garten weht noch dein Gebet.
Die Blumen können es erfassen,
weil es als Licht zu ihnen geht.
Ja, hier habe ich wirklich nichts zu meckern - meine Lieblingsstrophe. Toll, wie du die Motive aus der ersten Strophe (Wind, Sonne) wieder aufgreifst!
Mir bist du Lied in meinen Sinnen,
ein Brausen auch wie Orgellaut.
Was draußen war, jetzt lebt es innen,
gefühlt, gehört, verzückt geschaut.
In V13 finde ich sehr gelungen, dass du von Sinnen sprichst, nicht bloß von Ohren. Das sind so diese kleinen Details, die wirklich gute und eher mittelmäßige Gedichte unterscheiden. V14 allerdings gefällt mir nicht, insbesondere das auch, aber auch der -laut. Für mich macht Orgellied Sinn, oder Orgelklang, aber (ein einzelner) Orgellaut, der alleine alleine für sich braust, und auch noch ohne Artikel.. ;) naja.. Mir fällt spontan was ein, auch wenn es unsauber ist (aber an einer entscheidenden Stelle!):
Mir bist du Lied in meinen Sinnen,
ein Brausen wie ein Orgellied. / du braust durch mich als Orgellied
Was draußen war, jetzt lebt es innen,
gefühlt, gehört, geschaut, geliebt.
Nur so ein paar Gedanken...
Lg Julia
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Julia,

danke für eine Anmerkungen! Auch mir ist die dritte Strophe die liebste.

"Des Schees Treiben" hört sich für mich geradezu traumhaft an, geschrieben finde ich es auch unschön. Da Lyrik aber immer laut gesprochen wird, stumm gelesen ist sie nur die Hälfte wert, werde ich das Wörtchen so stehen lassen.
Das "m" beim Geigenspiel gefällt auch mir nicht so richtig. Besser wäre es gewesen, wenn in beiden Zeilen hätte "Bei" stehen können. Ich glaube, ich tausche das "Beim" Geigenspiel gegen "im Geigenspiel" aus. Da stört das "m" dann gar nicht mehr, weil das "i" den Klang auf eine andere Ebene verlegt hat.

"frühabends" ist eine gute Idee, weil es die Assoziation zu "viel zu früh" herstellt.

Die Zeile: Am Himmel blinkt ein neuer Stern?" hatte ich zuvor ganz anders, ich weiß aber nicht mehr wie das war. Jedenfalls erschien es mir zu aufdringlich, zu behaupten, dass der Geliebte jetzt seinen Platz am Sternenhimmel einnimmt. So habe ich aus Scheu und Schüchternheit das Fragezeichen gesetzt, obgleich es für das Lyri außer Frage steht, dass der Geliebte seinen Platz dort gefunden hat. Ich werde das Fragezeichen wegnehmen.

Vers 8 werde ich von Dir übernehmen. Mir war der falsche Rhythmus auch aufgefallen, aber weil es mehrere betonte Silben hintereinander gab, konnte man es auch so stehen lassen, aber Dein Vorschlag gefällt mir besser.

Bei dem "Schleier" hat natürlich jeder seine Assoziationen. Ich wollte nur Trunzun nicht "Im Regen" stehen lassen.

Deinem Vorschlag in der letzten Strophe möchte ich nicht folgen. Einmal möchte ich nicht kurz nacheinander "Lied" zu stehen haben und zum anderen bedeutet Orgellaut für mich nicht eine laute Orgel*lach* (das hast Du ja auch nicht gemeint), sondern der "Laut" also der Klang einer Orgel. Das nachgestellte "auch" begeistert mich ebenfalls nicht unbedingt, aber nur deshalb, weil es nachgestellt ist. Keine Ahnung, ob ich da eine andere Lösung finde, jedenfalls brauche ich das Brausen.

Ein Brausen gleich dem Orgellaut

So könnte man den Orgellaut auch als Orgelklang verstehen, und ich glaube, dann gäbe es da nichts mehr zu beanstanden, allerdings fehlt mir dann das "auch", denn ich wollte schon verdeutlichen, wie vielfältig der Geliebte in mir singt.
Trotzdem, ich werde auf das "auch" verzichten und diesen Vers in der letzten Strophe wie oben geschrieben verändern.

Danke, danke, danke für Deine Hinweise, die mir, wie immer, hilfreich sind!!!!!

Dass der Text auch eine religiöse Ebene anspricht, ist auch mir bewusst. Selbst die griechische Antike könnte einem einfallen, in der Menschen als Sternbilder an den Himmel versetzt werden zB "Das Haar der Berenike".

Dir ganz liebe Grüße
Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Verwandlung

Dein Lächeln strahlt durch Fensterscheiben.
Den Atemhauch erahne ich.
Bei Schnee bist du des Schnees Treiben,
im Geigenspiel der Bogenstrich.

Frühabends bist du aufgestiegen.
Am Himmel blinkt ein neuer Stern.
Als Schleier möcht ich bei dir liegen
ein Lichtjahr oder zwei noch fern.

Du hast dich mir zurückgelassen.
Im Garten weht noch dein Gebet.
Die Blumen können es erfassen,
weil es als Licht zu ihnen geht.

Mir bist du Lied in meinen Sinnen,
ein Brausen gleich dem Orgellaut.
Was draußen war, jetzt lebt es innen,
gefühlt, gehört, verzückt geschaut.
 

Walther

Mitglied
Lb. Vera-Lena,

das ist wieder ein solche Vera-Lena-Text, nach dem wenig Spiel bleibt, noch tiefer seinen Hut zu ziehen. Die jetzige Form ist perfekt.

Danke für den Lesegenuß, den Du immer wieder schenkst.

Gruß W.
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Walther,

danke für Dein großes Lob!!! :)

Mit Julias Unterstützung steht nun jedes Wort an seinem Platze.

Dir einen schönen Abend!
Liebe Grüße
Vera-Lena
 
L

label

Gast
Liebe Vera-Lena

perfekt!

Auch der Titel, der zu Beginn des Gedichts die Verwandlung des Lyrdu beschreibt
am Ende aber ist es Lyri


mit lieben Gruß
label
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe label,

Eigentlich waren die Beiden ja schon miteinander verschmolzen, bevor sie getrent wurden.Denn das was man liebt, damit verschmilzt man. Siehe: "Herr und Hund", wie sie nach langjähriger Feundschaft einander immer ähnlicher werden. Insofern hatten sie sich "gegenseitig ineinander verwandelt", wenn Du so willst.

Aber nun hat sich die äußere Situation gewandelt und der zurückgebliebene Teil der Beiden muss sich jetzt in seinem Verhalten verwandeln und die früher ganz selbstverständliche Nähe herstellen, indem er seine inneren Schätze, den ganzen Reichtum, den er durch das Miteinandersein geschenkt bekommen hat, am Leben erhält.

So hatte ich die "Verwandlung" für mich selbst verstanden, aber Deine Sichtweise ist natürlich auch einleuchtend.

Danke für Deinen Kommentar!
Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Marie-Luise,

ich denke, ich weiß schon, was Dein warmes Herz zu diesem Text sagen möchte und so sage ich auch Dir aus vollem Herzen:"Danke für Deine lieben Worte!"

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Sta.tor

Foren-Redakteur
Hallo Vera-Lena,

es ist ja hier schon so viel Gutes zu Deinem Gedicht gesagt worden, so dass ich nur noch bescheiden anfügen möchte:
auch mich hat Deine lyrische 'Verwandlung' sehr angesprochen.

Viele Grüße
Sta.tor :)
 



 
Oben Unten