Verzaubert

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Estella

Mitglied
Es war an einem Sonntag im August. Ein heißer, schwülwarmer Tag, wie all die Tage auch davor. Adrian war früh aufgebrochen, um der stickigen Stadtluft zu entkommen. Gegen neun Uhr hatte er den Schluchsee erreicht. Er stellte seinen Wagen ab und machte sich auf, den See zu umwandern.

Langsam schlenderte Adrian Becker, ein junger Mann, schlank und hochgewachsen, den von Bäumen überschatteten Weg entlang. Der See, der Wald, es herrschte eine laue, träge Stimmung. Während er die Wolken beobachtete, die am Himmel hinzogen und dem Zittern der Baumwipfel lauschte, empfand er ein Gefühl der Ruhe. Der Weg und der Strand waren menschenleer. Die Sonntagsspaziergänger würden wohl erst am Nachmittag auftauchen. Nach etwa einer Stunde machte er Rast, setzte sich auf einen großen Stein, am Rand des Weges, zog die Wasserflasche aus dem Rucksack und nahm einen kräftigen Schluck. Eine Weile saß er still, ließ die Beine baumeln und seine Gedanken schweifen. Wie er da ruhte, in der Hitze des Sommers und in seiner Einsamkeit, wurde er plötzlich aufmerksam.

Ein Geräusch hatte ihn aufgeschreckt. Glockenhelle Stimmen, Lachen, laut und wieder verhalten. Woher kamen diese Geräusche? Der See lag so still, wie vorher. Auf dem Weg bewegte sich niemand. Adrian lauschte. Zirpen, der Ruf einer Nachtigall, Rascheln unter tief hängenden Ästen und wieder Stimmen. Kichern, locken, rufen. Nur wenige Schritte trennten den Weg von einem Waldstück, das sich dunkel und geheimnisvoll am Seeufer entlang zog. Adrian ließ sich von dem Stein gleiten. Einen Augenblick lang zögerte er, bevor er mit langen Schritten den Wald betrat. Hier war es schattig und kühl. Adrian bemerkte eine Spur in dem hoch stehenden Heidekraut, die tiefer in den Wald hinein führte.
Jetzt, wieder, ganz in der Nähe, Flüstern und Raunen, ein Flirren und Singen, Adrian folgte den Stimmen mit klopfendem Herzen.

Einige Schritte weiter sah er den See, der mit seinen hohen Ufern, tief in den Wald geschnitten, plötzlich vor ihm lag. Über dem schwarzen Wasser schwebten weiße Schleier. Als er näher kam, waren sie verschwunden. Am Ufer sah er eine Mädchengestalt sitzen. Zerbrechlich zart wirkte sie auf ihn. Sie musste ihn nicht bemerkt haben, denn sie drehte sich nicht um. Das Mädchen trug ein weißes Kleid, ihr schwarzes Haar reichte ihr bis zu den Hüften. Sie hielt den Kopf ein wenig vornüber geneigt, in der Hand hielt sie ein hauchzartes Tuch, das sich im Wind blähte.

Sie stieß einen Schrei aus, als sie ihn bemerkte und sprang auf. Ihre glänzenden Augen waren auf ihn gerichtet, Adrian erstarrte. Er sah in ein Gesicht von so wunderbarere Schönheit, wie er noch nie eines gesehen hatte. Von den hohen geschweiften Augenbrauen zog sich eine gerade Linie über die Nase, deren Flügel zitterten, bis zu den sinnlichen Lippen. Er sah ihren schlanken Hals, bemerkte die Rundungen ihrer Brüste, die sich beim Atmen hoben und senkten. So stand sie ihm gegenüber, in Sonnenlicht gehüllt.

Schließlich fing sie zu lächeln an, streckte den Arm aus und winkte ihn zu sich. Und als er neben ihr stand, vernahm er den wundervollen Duft, der aus ihrem Haar zu kommen schien. Adrian fühlte sich zu dem Wesen hingezogen, er war wie verzaubert und nicht mehr Herr seiner Sinne. Sie fasste seine Hand und ließ sich mit ihm zusammen ins Heidekraut fallen.
„Wer bist du?“ flüsterte er nahe ihrem Ohr.
„Eine Nymphe“, antwortete sie, schlang ihre Arme um seinen Körper und zog ihn an sich. Das zarte Gespinst ihres Schleiers bedeckte ihn, die Hitze ihrer Hüften setzte ihn in Flammen.
Lange lagen sie so. Versunken, schwebend. Mit jeder Minute wuchs der Taumel, die Ungeduld, das Verlangen. Adrians Herz trommelte in der Brust, während die Nymphe seinen Kopf an ihr Herz drückte. Sie betastete seinen Leib, gab ihm Küsse auf das Gesicht, auf den Mund, auf die Augen. Jede ihrer Berührungen ließ ihn vor Wonne vergehen. Ein Schauer durchbebte ihn bis ins Mark und ein Seufzer entstieg seiner Brust.

Er schreckte hoch. Dieser Seufzer, kam der aus seinem Mund? Er fand sich alleine im tiefen Heidekraut sitzen. Wo war die Nymphe? Wo war dieses Mädchen voller Schönheit und Anmut? Hatte er alles nur geträumt?

Der See lag still, dunkel und geheimnisvoll zu seinen Füßen. Adrian ließ seine Augen wandern, über das Wasser und zum anderen Ufer hinüber. Lange stand er so, gefangen in Sehnsucht und Trauer. Als er sich umdrehte, um fort zu gehen, entdeckte er ein zartes Gewebe im Schilf. Der Schleier der Nymphe! Hatte sie ihn verloren? Oder für ihn hinterlassen? Adrian spürte, wie sein Blut in Wallung geriet, wie seine Nerven vibrierten. Er rutschte die Uferböschung hinunter, ließ sich ins Wasser gleiten, kämpfte sich durch Farne und Schilfrohre bis er den Schleier greifen konnte. Schon hielt er ihn in der Hand, da verlor er den Boden unter den Füßen. Eine unbekannte Macht zog ihn tiefer und immer tiefer. Er ruderte mit den Armen, er strampelte mit den Beinen, da schlug eine mächtige Welle über ihm zusammen. Adrian versank in der Tiefe.
 
U

USch

Gast
Hallo Estella,

die story finde ich zu abgehoben. Entweder Fantasy oder Kurzgeschichte! Die Mischung gefällt mir persönlich nicht.

LG Uwe
 

Estella

Mitglied
Vielen Dank, USch, für deine Meinung zu meiner Geschichte.

Ich finde es sehr interessant, wie unterschiedlich die Beurteilungen ausfallen. Im Forum meiner Schreibschule fand gerade diese Geschichte viel positive Beachtung. Man drängte mich, den Text für eine Ausschreibung: Anthologie, einzusenden. Ich habe eine andere Geschichte gewählt, was sicher nicht verkehrt war.

Trotzdem herzlichen Dank!
Estella
 
K

KaGeb

Gast
Hallo Estella,

deine Geschichte liest sich in gewisser Weise wie ein Märchen – vielleicht solltest du sie dahingehend verändern (ist natürlich Lese-Ansichts-Geschmacks-Sache).

Es war an einem Sonntag im August. Ein heißer, schwülwarmer Tag, wie all die Tage auch davor. Adrian war früh aufgebrochen, um der stickigen Stadtluft zu entkommen. Gegen neun Uhr hatte er den Schluchsee erreicht. Er stellte seinen Wagen ab und machte sich auf, den See zu umwandern.
Hier wäre interessant, was ihn gerade zu diesem See gezogen hat. Der Hinweis „es war an einem Sonntag im August...“ reicht IMHO völlig aus, um den Sommer rüber zu bringen. Der nachfolgende Satz ist m.M.n. redundant. Auch der Hinweis „...gegen neun“. Hier reicht „ Früh“.

Langsam schlenderte Adrian Becker, ein junger Mann, schlank und hochgewachsen, den von Bäumen überschatteten Weg entlang.
Adrian hast du schon eingeführt. Wieso benennst du den Prot. noch mal als Adrian Becker? Die Hinweise „junger Mann, schlank und hochgewachsen“ – alles redundant. Wichtig ist es m.M.n. bei einer KG, dass nur Hinweise gestreut werden, die dem Plot in der Zukunft voran bringen.

Der See, der Wald, es herrschte eine laue, träge Stimmung. Während er die Wolken beobachtete, die am Himmel hinzogen und dem Zittern der Baumwipfel lauschte, empfand er ein Gefühl der Ruhe.
Wolken ziehen grundsätzlich nur am Himmel und wie lauscht man dem „Zittern der Baumwipfel“?

Nach etwa einer Stunde machte er Rast, setzte sich auf einen großen Stein, am Rand des Weges, zog die Wasserflasche aus dem Rucksack und nahm einen kräftigen Schluck. Eine Weile saß er still, ließ die Beine baumeln und seine Gedanken schweifen.
Er "kletterte" wohl auf den Stein, um die Beine baumeln zu lassen. Setzen bedeutet ja, dass ich mich in gleicher Höhe knieseits einknicken lasse. Wenn er aber die Beine baumeln lässt, muss er zunächst hochklettern.

Wie er da ruhte, in der Hitze des Sommers und in seiner Einsamkeit, wurde er plötzlich aufmerksam.
Diesen Satz finde ich völlig daneben. „Wie er da ruhte ...“ – Sorry, schlimmer geht nimmer. Dann „wurde er plötzlich aufmerksam“.
Warum verwendest du ständig stehende Redewendungen? Im Text knallts erst, wenn es direkt passiert. Ergo nicht schreiben, was passiert, sondern es passieren lassen!!!


Ein Geräusch hatte ihn aufgeschreckt. Glockenhelle Stimmen, Lachen, laut und wieder verhalten. Woher kamen diese Geräusche? Der See lag so still, wie vorher. Auf dem Weg bewegte sich niemand. Adrian lauschte. Zirpen, der Ruf einer Nachtigall, Rascheln unter tief hängenden Ästen und wieder Stimmen. Kichern, locken, rufen. Nur wenige Schritte trennten den Weg von einem Waldstück, das sich dunkel und geheimnisvoll am Seeufer entlang zog.
Idee:
Plötzlich, ein Geräusch, er schreckte hoch, lauschte mit offenem Mund. Da waren Stimmen, nah, dann fern – der See lag still.
Zu still.
Er schluckte schwer, wischte sich über die Stirn und lauschte: Zirpen, eine Nachtigall, Rascheln im Wald – und wieder Stimmen. Lautes Lachen, rufen ...


Adrian ließ sich von dem Stein gleiten.
Das meine ich mit "passiver" Redewendung. Nicht beschreiben, was passiert, sondern es passieren lassen!!!

Adrian rutschte vom Stein runter.


Einen Augenblick lang zögerte er, bevor er mit langen Schritten den Wald betrat.
Wie kann er mit langen Schritten den Wald betreten? Dazu reicht ein Schritt :)
Auch ist mir als Leser Wur"sch"t, wie lange er zögert. "Einen Augenblick" ist ergo redundant.

Vielleicht sowas wie: Entschlossen schritt er zum Wald, zögerte kurz, bevor er den ersten Schritt hinein wagte.

Hier war es schattig und kühl. Adrian bemerkte eine Spur in dem hoch stehenden Heidekraut, die tiefer in den Wald hinein führte.
Jetzt, wieder, ganz in der Nähe, Flüstern und Raunen, ein Flirren und Singen, Adrian folgte den Stimmen mit klopfendem Herzen.
Idee: Die Stimmen wurden lauter, er vernahm ein Flüstern und Raunen, sein Herz schlug bis zum Hals, und doch setzte er die nächsten Schritte. Er folgte der Spur im Heidekraut, immer tiefer in den Wald hinein.

So, hier erst mal ein ultimatives Ende meiner Betrachtungen. Ich weiß ja gar nicht, ob dir die Richtungssicht angenehm ist. Bei Interesse gern weiteres Input.

LG KaGeb
 

Estella

Mitglied
Hallo KaGeb,

ein Geschenk am Sonntag! Herzlichen Dank, dass du dir mit meiner Geschichte so viel Mühe gemacht hast. Deine Korrekturen und Verbesserungsvorschläge weiß es sehr zu schätzen, ich werde meine Arbeit überarbeiten.

Meine Geschichte ist angelehnt an Sagen und Mythen. Ich habe mich inspirieren lassen.

Einen schönen Sonntag wünsche ich dir!
Estella
 

Raina

Mitglied
Hallo Estella,
bitte überarbeite Deine Geschichte nicht zu sehr, mir gefällt sie, so wie sie ist. Leider wird heutzutage viel zu direkt geredet und geschrieben, da bleibt die Phantasie oftmals auf der Strecke. Bei Deiner Geschichte gefällt mir besonders, dass sie eben diese Phantasie anregt, es ist wie eine Eintrittskarte zum "Kopfkino".
Nur der Schluss ist mir etwas zu klischeehaft. Klar, so steht es in den meisten Mythen von Nymphen und Wasserwesen, sie bringen einen Sterblichen oftmals den Tod, aber dieser Tod geschieht in Deiner Geschichte für meinen Geschmack etwas zu abrupt, so als wolltest Du die Geschichte nun schnell zu Ende bringen. Da lässt sich mit Sicherheit mehr daraus machen.
Gern gelesen!

Liebe Grüße und Dir ein gesegnetes Weihnachtsfest.
Raina
 

Estella

Mitglied
Hallo Raina, ich freue mich, dass du meine Geschichte gelesen hast und danke dir für deinen Kommentar.

Schön, dass dir mein Text gefällt. Danke auch für den Hinweis auf den Schluß. Ich werde meine Geschichte überprüfen.

Dir auch ein frohes Weihnachtsfest!
Amelie
 



 
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