Vida

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Grayson

Mitglied
Regelmäßig lesen wir in der Zeitung von Menschen, die in Situationen geraten, bei denen man sich denkt: „Scheiße, zum Glück ist mir das nicht passiert.“ Dies ist einer von den Momenten. Wenn du an einen Stuhl gebunden bist und um dein Leben flehen musst weißt du, dass du etwas vermasselt hast. Die Rede ist von Louie. Louie hat Mist gebaut.

Hier riecht es nach Putzmittel. Zitrone. Aus irgendeinem unbekannten Grund muss ich dabei immer an einen Glatzkopf in weißem Shirt denken. Ich fand es schon immer befremdlich, dass Vida diesen Raum reinigen ließ. Würde der charakteristische metallische Blutgeruch in dem von uns liebevoll genannten „Prügelkeller“ doch jeden direkt nervös werden lassen. Stattdessen gibt es „frische Zitrone“. Louie hat weder Glatze noch weißes Shirt, dafür ganz viel Pech. Ihm werden Dinge angehängt, die er möglicherweise nicht getan hat. Louie war der Familie gegenüber stets loyal, nur ist er tollpatschig und unüberlegt genug, dass er ungeschützt eine leichte Zielscheibe war. Er wird des Hochverrats bezichtigt, soll Drogen an Zuhälter verkauft haben, woraufhin mehrere Prostituierte an Koks-Überdosen starben. Angeblich war das Koks mit zerriebenen Ibuprofentabletten gestreckt.
Vida wird alles tun, um ihr Familienimperium und alles, was damit in Verbindung steht, zu schützen. Von ihrem Vater geerbt, der es wiederum von seinem Vater geerbt hat, ist Vida die erste Frau in ihrer Blutlinie, die zu dem Privileg kommt diese Ansammlung an Unternehmen, die unter der Dachorganisation „Vitoria“ laufen, zu führen. Medizin, Haushaltschemie, Hygieneartikel...nennen sie mir ein Produkt und ich werde ihnen sagen, dass Vida Gonzalez' ihre Finger auch dort im Spiel hat. Zugegebenermaßen sind manche Geschehnisse in „Vitoria“ nicht ganz legal, aber wie wir wissen: Für ein Omelett gehen auch ein paar Eier drauf. Und wir frühstücken täglich. Mann, den Satz wollte ich schon immer sagen.

Nach dem fünften Mal endlich beim Klau eines seiner Laster erwischt, wurde Louie als Jungspund von Vidas Dad, Vitor, rekrutiert. Louie besaß die Entschlossenheit und den Hunger, den dieses Geschäft bedingt. Er war der Mann für die unangenehmen Sachen, hat auch mal Menschen an den Kragen gepackt, um an Geld zu gelangen. Ich stieß, kurz vor Louie, auf eine ganz triviale Weise zu den Gonzalez: Ich kam aus einer anständigen Familie. Mein Vater arbeitete bei einem Zulieferer für Autoteile und meine Mutter war Lehrerin. Wir wohnten neben der Gonzalez-Familie, ich war der beste Schüler in meiner Klasse und gab Vida gegen Kleingeld etwas Nachhilfe. Mittlerweile ist das auch schon 20 Jahre her und Vida ist nicht nur meine Vorgesetzte, sondern auch meine Schwester, die ich nie hatte, aber immer wollte. Wenn ich sie sehe verspüre ich tiefsten Respekt für ihre Ambitionen, zugleich aber auch brüderliche Schutzinstinkte.
Louie war, wie sie es sich denken konnten, schon immer ein Rabauke. Vidas Vater hat sich sofort seiner angenommen und versucht, ihn zu formen und möglicherweise das Geschäft übernehmen zu lassen. War er doch immerhin männlich und ehrgeizig. Doch abgesehen von den Geburtstagskerzen auf seiner Torte nahm bei Louie nix zu. Er ist kaum aufnahmefähig, denkt weiterhin zu impulsiv und hinterfragt nicht seine Emotionen. So wirklich klar kam er damit nicht, dass jemand anderes den für ihn designierten Posten übernahm. Dann noch eine Frau. Letzten Endes sollte Vitor mit dieser Entscheidung Recht behalten: Seit fünf Jahren läuft es besser denn je für uns. Wir wachsen und eine Ende ist nicht in Sicht. Uns ging es noch nie so gut.

Und nun sitzt Louie hier. Nervös und die Augen verbunden, vermutlich in seiner eigenen Angstpisse eingeweicht. Es läuft eine Mischung aus Blut und Schweiß von seiner Stirn runter. Das weiße Stück Stoff um seine Augen erinnert an ein schmutziges Bettlaken eines zwölfjährigen Schulmädchens. Louie, du Narr. Wieso hast du das nur getan?
Mit der Glock in der Hand sagte Vida mir, sie wolle das hier selber erledigen. Normalerweise haben wir für die groben Dinge unsere Gorillas, die den Gnadenschuss geben, doch dieser Prozess hat einen einzigartigen Stellenwert für die Familie. Immerhin hat uns eine wichtige Person verraten.

„Du weißt, dass ich das nicht war. Warum sollte ich das tun, Vida?“, stöhnt Louie mit seinen letzten Energiereserven.

„Das frage ich mich weniger als du. Du bist immer noch verbittert, weil ich bevorzugt wurde. Das ist doch offensichtlich. Du hast dir alles versaut. Wie kann man nur ein so komfortables Leben aus Groll ablehnen?“

„Ich war es aber nicht. John kann es bezeugen“, kann ich, doch werde ich nicht.

Eine Stillepause von 15 Sekunden, die sich wie 15 Minuten anfühlen. Ein Auto fährt draußen am Gebäude vorbei, die Xenon-Scheinwerfer schmeißen ihr Licht durch das schmale Kellerfenster. Für kurz ist Louies braungebrutzelte Visage erstaunlich blass. Er reibt seine Füße aneinander, ich würde ihm aus Mitleid wahrscheinlich vor seinem Tod sogar die juckenden Knöchel kratzen, wenn das das Erlebnis irgendwie besser machen sollte. Er setzt zum letzten Effort an. Ich hoffe auf rettende, deeskalierende Worte:

„Du warst schon immer eine hinterlistige Fotze, Vida.“

„Fotze“. Es gab wenige Dinge, die Vida aus der Fassung brachten, doch dieses Wort ist für sie weiterhin wie ein Messer im Brustkorb. Es repräsentiert die Verachtung, die sie für ihr Geschlecht über all die Jahre ertragen musste. Sie legt ihren rechten Zeigefinger auf den Abzug. Vida ist sehr dankbar dafür, dass ich ihr Berater bin und ihre Ideen feinjustiere. Für mich wiederum ist es ein sicherer Weg in einer Position zu sein, in der ich Dinge lenke und dennoch nicht die erste Person bin, die dafür den bildlichen Nackenklatscher bei einem Fehler bekommt. Louie abzusägen stimmte ich nur widerwillig zu, solche Missgeschicke wären auf angenehmere Weisen lösbar. Doch hauptsächlich war ich froh, dass es nicht mich verdienterweise traf.

"Fotze....", wiederholt sie.

Wie immer versuche ich unauffällig wegzugucken. Nach all der Zeit kann ich Menschen immer noch nicht sterben sehen. Vida drückt ab, fünfmal öfter als es notwendig war. Stellen zerplatzen in Form von roten Spritzern in Louies Gesicht. Kaum zu glauben, dass mein Nebenerwerb so enden würde.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Grayson, herzlich Willkommen in der Leselupe!

Schön, dass Du den Weg zu uns gefunden hast. Wir sind gespannt auf Deine weiteren Werke und freuen uns auf einen konstruktiven Austausch mit Dir.

Um Dir den Einstieg zu erleichtern, haben wir im 'Forum Lupanum' (unsere Plauderecke) einen Beitrag eingestellt, der sich in besonderem Maße an neue Mitglieder richtet. http://www.leselupe.de/lw/titel-Leitfaden-fuer-neue-Mitglieder-119339.htm

Ganz besonders wollen wir Dir auch die Seite mit den häufig gestellten Fragen ans Herz legen. http://www.leselupe.de/lw/service.php?action=faq

Eine "klassisch" verlaufene Geschichte aus einem Milieu, das keine Zugeständnisse kennt. Um dem Ganzen noch mehr Pfeffer zu verleihen, könntest Du den Teil der Rückblende straffen.


Viele Grüße von DocSchneider

Redakteur in diesem Forum
 

Maribu

Mitglied
Hallo Grayson,
eine interessante Geschichte aus einem Milieu, das die meisten nicht kennen.
Das kriminelle Familien-Imperium der Gonzales tickt natürlich nicht anders als andere 'Mafia-ähnliche-Familien'.
Skrupellos gegenüber anderen, empfindlich, wenn es um die
Familienehre geht. Verrat wird meistens tödlich bestraft.
Loui wäre vielleicht noch davongekommen, aber Vida mit "Fotze"
zu beschimpfen, war zuviel. Gute Idee, zu zeigen, dass auch abgebrühte Typen irgendwo Gefühle haben, meistens nur für sich
selbst!
 

Grayson

Mitglied
Hallo,

Danke soweit für eure Eindrücke. Ich bin persönlich total von Geschichten über dubiose Familien begeistert (kommt hauptsächlich durch die bekannten Filme von Coppola). Die Rückblende hätte ich auf jeden Fall schaffen können, nur ist mir kein guter Zeitsprung eingefallen. Vielleicht wäre eine simple Überschrift a la "Vor 10 Jahren" ausreichend gewesen.

Allgemein faszinieren mich Geschichten total, nur ist das hier ein neues Hobby von mir, das ich angreifen und deutlich verfeinern möchte. Ich freue mich auf eine produktive Zeit im Forum :)
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Durchgehend recht „harter“, kühler Sound, aber bei einem so kurzen Text ist das völlig okay. Alles in allem gefällt mir die Story, auch wenn das Interessante in Wirklichkeit nicht in der Handlung passiert sondern in den ellenlangen Vorstellungen der Figuren. Das Interessante an der Handlung (wie reagiert Louie auf den Verrat?) findet gar nicht statt.

Details:

Regelmäßig lesen wir in der Zeitung von Menschen, die in Situationen geraten, bei denen man sich denkt: „Scheiße, zum Glück ist mir das nicht passiert.“ Dies ist einer von den Momenten. Wenn du an einen Stuhl gebunden bist und um dein Leben flehen musst[red]KOMMA[/red] weißt du, dass du etwas vermasselt hast. Die Rede ist von Louie. Louie hat Mist gebaut.
Überflüssig langes Vorwort. Der Inhalt ist in dem Sinne banal, als er so schon Tausende Male aufgetaucht ist. Allein die Wendung, dass nicht (wie bei so einem Seintieg meist der Fall) der Erzähler am Stuhl festgebunden ist, ist (mir) neu und kam überraschend.
Der Bezug "wir" ist problematisch: Wer ist das? Der Point of View ist generell nicht 100%ig sauber durchgezogen.

Hier riecht es nach Putzmittel. Zitrone. Aus irgendeinem unbekannten Grund muss ich dabei immer an einen Glatzkopf in weißem Shirt denken.
Hier ist zum Beispiel ein kleiner PoV-Bruch drin: Der Ich-Erzähler sagt, dass der Grund "unbekannt ist". Er ist vielleicht ihm unbekannt, das ist aber was anderes. Nun ist es so, dass man es mit solchen Dingen nicht so genau nimmt, wenn man eine Story im Nachhinein einem Publikum (z. B. am Stammtisch) erzählt. Diese Story hier klingt aber nicht danach.

Beispiel, das hier weicher zu machen:
Hier riecht es nach Putzmittel. Zitrone. Ich weiß nicht, warum, aber bei diesem Duft muss ich immer an einen Glatzkopf in weißem Shirt denken.
Was ist weicher? Der Bezug wird vom abstrakten "dabei" (wobei? Beim Riechen nach Zitrone??) in das konkrete "Duft" übersetzt und statt der Substantiv-Sprache "aus unbekanntem Grund" wird Handlung mit Personenbezug (Ich weiß nicht) verwendet.
Dazu kommt, dass "aus unbekanntem Grund" mit drei dunklen Lauten („au“ und „u“), fünf "Knall-Konsonanten" (wie es mal nennen will) wie b, k, t, g und d aufwartet, zwei davon echt „hart“ sind (k und t) und das doppelte n den einzig weichen Vokal (a) ganz kurz macht. "Ich weiß nicht, warum" ist hingegen breit (ei, normal langes a) und weich (2x ch, 2x w, nur ein "Knall-Konsonant"). – Man kann natürlich nicht ganze Texte so konstruieren, dass man immer nach diesen Lautschlüsseln sucht, zumal das ja nur ein Element bei Klang und Rhythmus ist, aber man kann versuchen, sich die Klangunterschiede bewusst zu machen und sie gezielt zu nutzen.

Ich fand es schon immer befremdlich, dass Vida diesen Raum reinigen ließ. Würde der charakteristische metallische Blutgeruch in dem von uns liebevoll genannten „Prügelkeller“ doch jeden direkt nervös werden lassen.
hartes Element: Die Abtrennung des unvollständigen Satzes (nach würde) durch den Punkt. Eigentlich ist das ein Nebensatz, den man an den Hauptsatz gebunden lesen würde - so wird er klanglich zum Bruchstück, was ihn hart erscheinen lässt.
Baufehler: liebevoll genannten Prügelkeller heißt: Sie nennen den Prügelkeller liebevoll. Du meinst sicher den liebevoll "Prügelkeller" genannten Raum.
Das Modewort "direkt" ist hier wahrscheinlich falsch benutzt. Wenn man es gegen das "indirekt" austauscht und das semantisch keinen Sinn ergibt, dann kann auch „direkt“ nicht sinnvoll sein. Also: Kann man „indirekt“ durch Blutgeruch nervös werden? Grenzwertig, oder?

Stattdessen gibt es „frische Zitrone“. Louie hat weder Glatze noch weißes Shirt, dafür ganz viel Pech.
Hier dazwischen gehört ein Absatz.

Ihm werden Dinge angehängt, die er möglicherweise nicht getan hat.
Harter, kalter Tonfall Marke „Drehbuchansage“ oder „Bericht“ durch das Passiv.
PoV-Fehler: John weiß, dass es nicht getan hat. Man darf den Leser in die Irre führen, aber nicht belügen. John darf also erzählen: „Ihm werden Dinge vorgeworfen, die er bestreitet, getan zu haben.“

Louie war der Familie gegenüber stets loyal, nur ist er tollpatschig und unüberlegt genug, [red]so[/red]dass er ungeschützt eine leichte Zielscheibe war.
Er ist nicht unüberlegt, er handelt unüberlegt.
Was soll das „ungeschützt“?

Er wird des Hochverrats bezichtigt, soll Drogen an Zuhälter verkauft haben, woraufhin mehrere Prostituierte an Koks-Überdosen starben. Angeblich war das Koks mit zerriebenen Ibuprofentabletten gestreckt.
Inhaltliches Problem: Von wem wird er bezichtigt? Es schadet der Pointe nicht, „Vida bezichtigt ihn“ zu schreiben.
Was ist an Drogenverkauf Hochverrat? – Das alles weniger knapp und berichtsartig (und unvollständig) zu erzählen, würde den Text hier mehr fließen lassen.
Wenn es gestreckt wurde, warum nahmen die dann Überdosen? Das Risiko besteht doch eher bei ungewöhnlich reinem Stoff.

Vida wird alles tun, um ihr Familienimperium und alles, was damit in Verbindung steht, zu schützen.
Wo da der Bezug zu den Vorwürfen ist, kommt hoffentlich noch. (Nachtrag: Nein, es kommt nicht mehr.)

Von ihrem Vater geerbt, der es wiederum von seinem Vater geerbt hat, ist Vida die erste Frau in ihrer Blutlinie, die zu dem Privileg [strike]kommt[/strike][red]gekommen warKOMMA[/red] diese Ansammlung an Unternehmen, die unter der Dachorganisation „Vitoria“ laufen, zu führen.
Typischer Bezugsfehler: Die Partizipkonstruktion am Anfang bezieht sich grammatikalisch gesehen auf das Subjekt des Satzes. Aber: Vida ist/wurde nicht von ihrem Vater geerbt.
Zu verschachtelt, klingt wie Berichtsdeutsch. Das Element mit dem Privileg ist überflüssig, die Info, was „Vitoria“ ist, muss man auch nicht so hier reinpressen.

Medizin, Haushaltschemie, Hygieneartikel[red]LEERZEICHEN[/red][strike]...[/strike][red]…[/red][red]LEERZEICHEN[/red]nennen [strike]sie[/strike][red]Sie[/red] mir ein Produkt und ich werde [strike]ihnen[/strike][strike]Ihnen[/strike] sagen, dass Vida Gonzalez[strike]'[/strike] ihre Finger auch dort im Spiel hat.
Mit wem redet der Ich-Erzähler hier?
Logik: Wenn er eh bei jedem Produkt sagt, dass sie die Finger im Spiel hat, warum soll ich dann erst eines nennen? Meinst du „und ich erkläre Ihnen, wie sie die Finger im Spiel hat“?

Zugegebenermaßen sind manche Geschehnisse in „Vitoria“ nicht ganz legal, aber wie wir wissen: Für ein Omelett gehen auch ein paar Eier drauf. Und wir frühstücken täglich. Mann, den Satz wollte ich schon immer sagen.
Point of View! Wem gegenüber sagt er den Satz? Bei welcher Gelegenheit? (Warum wollte er schon immer mal sagen „Und wir frühstücken täglich.“?)
„Nicht legale Geschehnisse“ – das klingt für mich falsch, aber ich würde nicht die Hand dafür ins Feuer legen, dass es wirklich falsch ist.

Nach dem fünften Mal endlich beim Klau eines seiner Laster erwischt, wurde Louie als Jungspund von Vidas Dad, Vitor, rekrutiert.
Moment! Also Louis hat seine eigenen Laster geklaut. Warum? Und warum „endlich“ – aus wessen Sicht? Und was hat das mit den illegalen Geschehnissen bei „Vitoria“ zu tun?

Louie besaß die Entschlossenheit und den Hunger, den dieses Geschäft bedingt.
Dieses Geschäft bedingt das nicht (das hieße, dass ich auch so würde, würde ich nur in dieses Geschäft einsteigen), es erfordert diese Eigenschaften.
Welches Geschäft? Lasterklau?

Er war der Mann für die unangenehmen Sachen, hat auch mal Menschen an den Kragen gepackt, um an Geld zu gelangen.
am Kragen – jedem an seinem
Klingt nicht wirklich nach einem Tollpatsch. Auch Leute, die unüberlegt handeln, würde ein erfahrener Pate eher nicht an dieser Stelle einsetzen, weil die Folgen nur unnötige Aufmerksamkeit erzeugen.
Wenn er so Geld erlang, warum arbeitet er dann für „Vitoria“? Oder meinst du, er hat für „Vitoria“ Geld eingetrieben?

Ich stieß, kurz vor Louie, auf eine ganz triviale Weise zu den Gonzalez: Ich kam aus einer anständigen Familie.
Ich war gestoßen
Absatz hier davor.
Die Kommas sind nicht nötig, die machen es nur sperrig.
Die „anständige Familie“ ist keine „triviale Weise“. An dem Lebenslauf ist für die Story nur interessant:
Ich war kurz vor Louie auf eine ganz triviale Weise zu den Gonzalez gestoßen: Unsere Familien waren Nachbarn und ich hatte Vida Nachhilfeunterricht gegeben, dafür wurde ich bezahlt. Das ist inzwischen zwanzig Jahre her, bezahlt werde ich von den Gonzalez' noch immer.

Mein Vater arbeitete bei einem Zulieferer für Autoteile und meine Mutter war Lehrerin. Wir wohnten neben der Gonzalez-Familie, ich war der beste Schüler in meiner Klasse und gab Vida gegen Kleingeld etwas Nachhilfe. Mittlerweile ist das auch schon 20 Jahre her und Vida ist nicht nur meine Vorgesetzte, sondern auch meine Schwester, die ich nie hatte, aber immer wollte.
zwanzig (ausschreiben!)
Sie ist „(mir) die Schwerster, die ich nie hatte, aber immer wollte“.

Wenn ich sie sehe[red]KOMMA[/red] verspüre ich tiefsten Respekt für ihre Ambitionen, zugleich aber auch brüderliche Schutzinstinkte.
Louie war, wie [strike]sie[/strike]es sich denken konnten, schon immer ein Rabauke.
Warum der Hin-und-Her-Sprung Louie/Ich/Louie?
Wie wer sich wann denken konnte?

Vidas Vater hat[red]te[/red] sich sofort seiner angenommen und versucht, ihn zu formen und möglicherweise das Geschäft übernehmen zu lassen. War er doch immerhin männlich und ehrgeizig.
Weicher: … ihn zu formen. Er hoffte, dass Louis eines Tages das Geschäft übernehmen könnte. Auf die Idee, Vida die Führung zu übergeben, kam er nicht. Nicht, weil es seiner Tochter an Ehrgeiz gemangelt hätte – sie hatte einfach nicht das angemessene Geschlecht.
Der Vater ist wohl dumm gewesen: Ein ehrgeiziger Tollpatsch, der unüberlegt handelt – und das scheint Louie ja schon immer gewesen zu sein – ist kein geeigneter Nachfolger. Da müssen andere Gründe eine Rolle gespielt haben!

Doch abgesehen von den Geburtstagskerzen auf seiner Torte nahm bei Louie nix zu. Er ist kaum aufnahmefähig, denkt weiterhin zu impulsiv und hinterfragt nicht seine Emotionen.
Wie „ist weiterhin“? Wenn ich die Story richtig verstehe, wird er getötet!
Nichtmal der Bauch oder die Muskeln nahmen zu? Er sieht immer noch aus wie das Bürschchen von damals?
Das Wort „nix“ hat nur in der wörtlichen Rede seine Berechtigung oder wenn der ganze Text praktisch die wörtliche Rede des Erzählers ist (am Stammtisch z. B.).

So wirklich klar kam er damit nicht, dass jemand anderes den für ihn designierten Posten übernahm.
designiert = für ein Amt vorgesehen sein. Das heißt, nicht der Posten ist designiert, sondern Louie.
Wenn Louie designiert für den Posten ist, warum bekommt er ihn dann nicht? Weil er eben spätestens(!) in diesem Moment nicht mehr dafür designiert war. Oder?
Wieso übernahm Vida den Posten einfach?

Dann noch eine Frau. Letzten Endes sollte Vitor mit dieser Entscheidung Recht behalten: Seit fünf Jahren läuft es besser denn je für uns. Wir wachsen und eine Ende ist nicht in Sicht. Uns ging es noch nie so gut.
„eine Ente“ schreibt man mit t. *chichichi* Kleiner Spaß: „ein Ende“
Wer ist jetzt schon wieder „wir“? Okay, der Erzähler empfindet Vida als Schwester, aber sieht er sich wirklich so sehr als Teil der Familie? Das Gefühl hatte ich nicht.

Und nun sitzt Louie hier. Nervös und die Augen verbunden, vermutlich in seiner eigenen Angstpisse eingeweicht.
Wieso nur vermutlich? Das sollte man sehen, nach einer Weile vielleicht auch riechen (okay, der Zitronenduft könnte es übertönen).

Es läuft eine Mischung aus Blut und Schweiß von seiner Stirn[strike] runter[/strike]. Das weiße Stück Stoff um seine Augen erinnert an ein schmutziges Bettlaken eines zwölfjährigen Schulmädchens. Louie, du Narr. Wieso hast du das nur getan?
Die haben ihm mit einem lakengroßen Tuch die Augen verbunden?
Schmutziges Laken – okay. Aber was bitte ist an einem Bettlaken eines 12-jährigen Schulmädchens so besonders, dass es als Vergleich taugt?
Wie jetzt? Oben hieß es noch, Louie wird was angehängt. Jetzt plötzlich hat er tatsächlich was Bestrafenswertes getan. (In Kenntnis der Auflösung frage ich: Was hat er denn getan, dass John das jetzt denkt?)

Mit der Glock in der Hand sagte Vida mir, sie wolle das hier selber erledigen.
Wann sagte sie das?

Normalerweise haben wir für die groben Dinge unsere Gorillas, die den Gnadenschuss geben, doch dieser Prozess hat einen einzigartigen Stellenwert für die Familie. Immerhin hat uns eine wichtige Person verraten.
Louie war einer der Gorillas. Gorillas sind nicht prädestiniert für den Gnadenschuss, sondern fürs Einschüchtern und Zusammenschlagen.
Wie: Prozess?
Wie: Wichtige Person? Spätestens seit Vidas Thronübernahme dürfte Louies Bedeutung arg geschrumpft sein.

„Du weißt, dass ich das nicht war. Warum sollte ich das tun, Vida?“, stöhnt Louie mit seinen letzten Energiereserven.
Das heißt, die Handlung (also der „Prozess“) ist schon fast vorbei. Die „Geschichte“ besteht also vor allem aus Hintergrundinfos (die auch als solche erzählt werden).

„Das frage ich mich weniger als du. Du bist immer noch verbittert, weil ich bevorzugt wurde. Das ist doch offensichtlich. Du hast dir alles versaut. Wie kann man nur ein so komfortables Leben aus Groll ablehnen?“
Wieso glaubt Vida, Louie fragt sich das??
Enttäuschend flache Antwort.

„Ich war es aber nicht. John kann es bezeugen“, kann ich, doch werde ich nicht.
„Ich war es aber nicht. John kann es bezeugen!“
Kann ich tatsächlich. Aber ich werde nicht.

Hier darf diese harte Betonung stehen, denn das hier ist die wichtigste Stelle im Text. Jetzt müsste eigentlich das Spannende kommen. Kommt es aber nicht.

Eine Stillepause von 15 Sekunden, die sich wie 15 Minuten anfühlen.
Was ist eine Stillepause? Pause von der Stille? ;)
fünfzehn (ausschreiben!)
WICHTIG wäre hier das Eintauchen in diese gefühlt 15 Minuten: Was macht Vida nach „John kann es bezeugen!“? Zu ihm sehen? Louie mitleidig-abschätzig ansehen? Noch wichtiger: Was macht Louie? John ansehen? Flehend? Fordernd? Nach und nach verstehend? Und wie geht es John dabei? Und was macht er, um Vidas Argwohn nicht zu wecken?

Ein Auto fährt draußen am Gebäude vorbei, die Xenon-Scheinwerfer [strike]schmeißen[/strike][red]werfen[/red] ihr Licht durch das schmale Kellerfenster. Für [red]einen [/red]kurz[red]en Augenblick[/red] ist Louies braungebrutzelte Visage erstaunlich blass.
Er reibt seine Füße aneinander, ich würde ihm aus Mitleid wahrscheinlich vor seinem Tod sogar die juckenden Knöchel kratzen, wenn das das Erlebnis irgendwie besser machen [strike]sollte[/strike] [blue]würde[/blue]. Er setzt zum letzten Effort an.
Zum was setzt er an? Und mit welchem Ergebnis?
DAS ist das Markante, Erzählenswerte der Situation??? Nein, es ist der Umstand, dass Louie noch immer auf Hilfe von John hofft! Oder es nicht mehr tut (weil er begriffen hat), so dass er nun um so heftiger um sein Leben kämpft.

Ich hoffe auf rettende, deeskalierende Worte:

„Du warst schon immer eine hinterlistige Fotze, Vida.“
A: rede direkt hinter den Doppelpunkt.
B: Man kann keine Worte hoffen.
C: Es wird immer wieder vermittelt, dass John hofft, das Vida Louie nicht töten wird. Wieso nicht? Das ist doch die einzig sichere Lösung für ihn.
D: Warum zum Teufel sagt John das jetzt und hier??? Abgesehen davon, dass das nun wirklich nichts mit Deeskalation zu tun hat …

„Fotze[red].[/red]“[strike].[/strike] Es gab wenige Dinge, die Vida aus der Fassung brachten, doch dieses Wort ist für sie weiterhin wie ein Messer im Brustkorb.
Wenn John das weiß, warum um Himmels willen sagt er es dann???
Wie „ist weiterhin“?

Es repräsentiert die Verachtung, die sie für ihr Geschlecht über all die Jahre ertragen musste.
Amtsdeutsch!

Sie legt ihren rechten Zeigefinger auf den Abzug. Vida ist sehr dankbar dafür, dass ich ihr Berater bin und ihre Ideen feinjustiere.
Warum fließt das hier so weiter? Das hat miteinander nichts zu tun. (Absatz nach „Abzug“)

Für mich wiederum ist es ein sicherer Weg[red]KOMMA[/red] in einer Position zu sein, in der ich Dinge lenke und dennoch nicht die erste Person bin, die [strike]dafür [/strike]den bildlichen Nackenklatscher bei einem Fehler bekommt.
zu verschraubt
„zu sein“ ist kein Weg.

Louie abzusägen[red]KOMMA[/red] stimmte ich nur widerwillig zu, solche Missgeschicke wären auf angenehmere Weisen lösbar. Doch hauptsächlich war ich froh, dass es nicht mich [strike]verdienterweise[/strike] traf.
Für mich unglaubhaft: John empfindet sich als Teil der Familie, gar als großer Bruder der Chefin. Und er berät nur, weil das für ihn sicherer ist. Trotzdem hat er hinter Vidas Rücken ein Ding durchgezogen, das als „Hochverrat“ eingestuft wird?? Nee …

"Fotze[strike]....[/strike][red]LEERZEICHEN …[/red]", wiederholt sie.

Wie immer versuche ich[red]KOMMA[/red] unauffällig wegzugucken. Nach all der Zeit kann ich Menschen immer noch nicht sterben sehen. Vida drückt ab, fünfmal öfter als es notwendig [strike]war[/strike][red]gewesen wäre[/red]. Stellen zerplatzen in Form von roten Spritzern in Louies Gesicht. Kaum zu glauben, dass mein Nebenerwerb so enden würde.
Das klingt sehr seltsam. „in Form von Spritzern zerplatzen“ geht nicht.
Sagtest du nicht gerade, er versucht, wegzuschauen? Warum ging das nicht?


Fazit: Etwas glaubhaftere Figuren, etwas weicherer Ton und Konzentration auf die wirklich wichtigen, spannenden Momente der Story – das wäre gut.
 

Grayson

Mitglied
Wow, vielen Dank für die Analyse, jon. Ja, das mit den spannenden Momenten hab ich noch nicht so drauf. Auch diese Spielerei mit dem PoV ist noch ausbaufähig. Kritik und vor allem die Satzbaufehler im Text sind angekommen!
 



 
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