Vielleicht doch sexuelle Nötigung ?

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Aurelio

Mitglied
1. Die Anklage:

Schorsch Zimthansl, in der Folge als Beklagter bezeichnet, wird beschuldigt, am 13. Mai 1998, Frau Freifrau Klara von Mecklenburg, in der Folge als Klägerin bezeichnet, an einem idyllischen Teich, in der Folge als Fischweiher bezeichnet, bei Warlaching, Landkreis Mummersbach, angegriffen und unter Gewaltanwendung einer Kußprozedur unterzogen zu haben, welche auf Grund von Zeitdauer und Intensität als Vorspiel einer, zumindest erträumten, sexualdeliktfähigen Handlung gewertet werden kann. Die von der Dreistigkeit des Beklagten schockierte Klägerin wurde durch diesen Akt außer Bewußtsein gesetzt, konnte sich aber anschließend dem erneuten Versuch einer kohabilitationsfähigen Handlung erfolgreich zur Wehr setzen, indem sie sich aus der, dem Kopulationsstandard des Durchschnittsbürgers (Oswald Kolle – Bildtafel 1) entsprechenden Umklammerung befreite und zu flüchten versuchte. Als sie jedoch dem Beklagten, in der Absicht diesen zu erschrecken “Wag es noch einmal“ zurufen wollte, wurde sie bereits nach dem Ausruf des Wortes “Wag“ auf eine, ihr nicht mehr erinnerliche Art und Weise unterbrochen und, vom Jubelschrei des Beklagten begleitet, ins Wasser gestoßen, welches zu dieser Zeit jeder Möglichkeit, wärmer als zehn Grad Celsius zu sein, entbehrte. Als ihr dann der Beklagte an Land geholfen hatte und sie dessen hinterhältiges Angebot einer “Mund-zu-Mund-Beatmung“ erhielt, erkannte sie scharfsinnig dessen erneute Absicht, sich zumindest küssenderweise betätigen zu wollen und rief um Hilfe, während sie ihn mit Ohrfeigen auf Distanz hielt. Eine, die Verhandlung interessanter gestaltende Vergewaltigung konnte aus der Klägerin, trotz mehrmaligem Kreuzverhör nicht entnommen werden. Der Beklagte hat sich deshalb lediglich wegen Körperverletzung zu verantworten.

2. Die Verhandlung:

Die Verhandlung verlief in einer ruhigen, dem Delikt und seinen Beweggründen angepaßten Atmosphäre und kann im Allgemeinen als zweckdienlich bezeichnet werden. Das Gericht legte, vom hemmungslosen Drang zur Wahrheitsfindung getrieben, größten Wert auf detailgetreue Rekonstruktion des Tatherganges. Auf die Wassernummer wurde verzichtet, da der Parkettboden nicht versiegelt war. Nach Aufforderung des Vorsitzenden erklärten sich Beklagter und Klägerin bereit, die ominöse Szene zum Zwecke der Aufklärung noch einmal zu wiederholen. Dabei konzentrierten sich die wahrheitsdurstigen Augen der Richter speziell darauf, die Auswirkung der Lippenberührung auf die Haltung der Klägerin zu beobachten, um eventuelle Lustzugewinne vom zu erwartenden Freiheitsverlust des Beklagten in Abzug bringen zu können. Doch leider konnte die dabei zur Anwendung gekommene Körpersprache auch von Sachverständigen Voyeurs nicht klar übersetzt werden. Auch die zu Rate gezogene und bis ins Detail geprüfte Fachliteratur konnte keine Aufklärung liefern.

3. Das Plädoyer des Verteidigers:

“Hohes Gericht, Herr Staatsanwalt!“
- Der Herr Vorsitzende war immer noch mit der Fachliteratur beschäftigt, konnte aber schließlich durch einen diskreten Schrei dazu bewegt werden, dem Verteidiger zuzuhören.-
“Betrachtet man die Tat ohne die nötige Vorinformation und betrachtet man die Formulierung der Anklage, so kommt man als normal denkender Bürger zu dem, in keiner Weise verwunderlichen Schluß, einen impulsiv handelnden, triebhaften Rohling vor sich zu haben, der sein Leben bisher nur hinter Büschen verbracht hat, um unschuldige Prinzessinnen aufzulauern und sie mit dem Symbol der Freundschaft – dem Kuß – zu belästigen, ja zu bewerfen und in Ohnmacht zu stürzen.
Doch was steckt tatsächlich hinter der, von unseren Vorurteilen geformten Maske dieses jungen Mannes? Widmen wir uns – der Gerechtigkeit Willen – einen Moment dem Vorleben des Beklagten, aber auch der Tat und seinen tatsächlichen Beweggründen. Die Betonung liegt dabei auf “tatsächlich“ – meine Damen und Herren!
Das ganz Schaffen und Streben des Beklagten, seine gesamte Energie, ja jede Minute seines Lebens galten bisher dem Dienst an der Natur - an der Umwelt. Er kämpfte gegen Unwissenheit, Profitgier und sinnlosen Kommerz, also gegen die Verursacher unserer Umweltprobleme. Wissend um die Tatsache, daß alles zu verbessern auch die Aufgabe Aller sein muß, suchte er sich ein Gebiet, ein Problem, das zu lösen seinem Ich und seiner Zukunft am nächsten lag. Schorsch Zimthansl ist im Sternzeichen ein Wassermann. Damit war vorgegeben, daß er sich zu einer Landschaftsform hingezogen fühlte, die diesem Omen am besten gerecht wurde. Er widmete sein Leben und Streben dem Wasser, dem Sumpf und dem Moor, also dem submersen – nicht dem perversen – Lebensraum. Doch auch dieses Gebiet ist zu umfangreich um von einem Menschen begriffen zu werden. So konzentrierte er sein Streben auf einen Bewohner dieses Gebietes – dem Frosch!
Schon bald hatte er einen einstmals toten Teich in seine Ursprünglichkeit – in ein Biotop verwandelt in dem es summte, flatterte, plätscherte und – natürlich quakte. Quappe neben Quappe kaulte im kristallklaren Wasser dieses, ja seines Lebensraumes. Ist es nicht verständlich, wenn man sich bei dem Anblick dieser heilen, ursprünglichen Welt, dieser selbst geschaffenen Welt als Schöpfer fühlt? Ist es dann nicht auch verständlich – ja menschlich und natürlich – wenn beim Anblick eines tragischen, all die Erfolge in Frage stellenden Ereignisses, das Umwelt- und Schöpferherz zu bersten droht?
Wir müssen uns in die Person des Schorsch Zimthansl hineindenken und mitfühlen, was für Enttäuschungen sich in ihm ausbreiteten, als er die kranken und von allen Begleiterscheinungen der Inzucht gezeichneten, degenerierten Körper seiner Frösche sah. Doch er gab nicht auf! Er dachte an seine Aufgabe, an die Verantwortung gegenüber unserer Nachfahren und so entfachte der Wille noch einmal das Feuer seines beseelten Engagements.
Der Glaube an das Gelingen verlieh ihm geradezu übernatürliche Kräfte. Diese Kräfte waren von Nöten, war doch eine Lösung nicht im Bereich des Gewohnten zu suchen, ja war das Gewohnte selbst doch die Ursache dieses Übels, das es zu beseitigen galt.
Nur ein ungewöhnlicher Weg konnte ihn seinem Ziel näher bringen. Und so saß der Beklagte auf der Bank neben seinem Teich, seiner Traumwelt, seiner Märchenwelt und versuchte, diesen Weg zu finden. Drei Tage und drei Nächte verbrachte er so in geistiger Einkehr, vom Schock dieses Schicksalsschlages geschwängert, und durchstreifte im Geiste das gesamte Repertoire der erfolgreichen Froschzucht.
Und plötzlich stand sie vor ihm! “Wer bist du“ sprach er mit krächzender Stimme, war sie doch ausgetrocknet von den entbehrungsreichen Stunden, in denen er weder Nahrung noch Wasser zu sich genommen hatte.
“Ich heiße Klara“ – beachten sie die Vertraulichkeit hohes Gericht - “und bin“- beachten sie die Betonung werte Anwesenden - “eine Prinzessin“ hauchte sie in den maienluftlauen Frühlingsmorgen.
“So“, sagte der Beklagte, “eine Prinz – eine Prinzessin. Ach du kannst mir auch nicht helfen, liebe Prinzessin, denn ich brauche einen Frosch.“ Dabei sah er zu ihr auf, sah ihre Lippen und seine Gedanken überschlugen sich, verständlich, wie ich meine. “Prinzessin – Prinz – Lippen – Kuß – Peng – Frosch – quak“ – ja, das war der ungewöhnliche Weg, den er eigentlich erst nach siebentägigem Fasten zu finden glaubte. Er sprang auf, nahm sie in den Arm und küßte sie mit all seiner Energie, beseelt von einem unerschütterlichen Glauben. Ja, wie steht schon in der Bibel (Hebr. 11,1-7) “Glaube aber ist: Feststehn in dem, was man erhofft, überzeugt sein von Dingen, die man nicht sieht!“
Und bald darauf glaubte er sein Ziel erreicht zu haben. Was sich zuerst menschlich – knochig angefühlt hatte, wurde weich, wollte ihm aus den Armen gleiten, wurde froschig! Er atmete auf und ließ die verwandelt geglaubte Prinzessin aus seiner Umklammerung gleiten. Als diese
Dann „Wag“ rief, kannte sein Jubilieren keine Grenze mehr. „Quak“ hatte er verstanden, hohes Gericht! Wer wollte ihm das verdenken. Und so übergab er sie, hatte sie auch die märchenhafte Metamorphose noch nicht vollständig durchwandelt, ihrem Element – dem Wasser! Sie kam, wie jeder Frosch ans Ufer gerudert und er half ihr aus dem kühlen Nass. Er wollte sie anschliessend, hatte sie ihm doch einen Traum erfüllt, noch einmal küssen, als es knallte! Doch es war nicht das Finale einer Märchensonate – es war eine banale, ordinäre Ohrfeige! Sehen sie sich diesen, an Leib und Seele misshandelten Mann an. Hohes Gericht, ein Körper wurde verletzt – aber wessen Körper frage ich sie?“


4. Das Urteil:

Freispruch !


5. Begründung:

“Dieser Kuß, sofern es sich um den selben handelt, der hier zur Vorführung gelangte – was angenommen werden darf – war kein Gewaltakt! Vielmehr wurde er mit Nachdruck in der edlen Gesinnung, einen in starker Population vertretenen Prinzessinnenkörper in einen seltenen Frosch zu verwandeln, dargereicht. Das Gericht sieht die anschließend verabreichten Ohrfeigen der Klägerin eher als eine strafbare Handlung, da sie nicht, wie behauptet, in der Hitze des Gefechtes ausgeteilt wurden. Es kann, das steht fest, bei der Abkühlung eines Prinzessinenkörpers von 37,2 Grad Celsius auf 10 Grad Celsius, nicht mehr von vorhandenen Hitzen ausgegangen werden, jedoch von kühler Berechnung. Zum Zweck der Überprüfung auf - für die Allgemeinheit wichtige - rechtsweisende Argumente, wird das Anschauungsmaterial vorübergehend zur Einsicht eingezogen.


Nehmen sie dieses Urteil an?

„Quak“ sagten beide.
 



 
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