Völlig verzaubert

Flitzi

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Völlig verzaubert

Als Oma Zauderzahn über den Flur in die Küche gehen wollte, hoppelte ihr ein kleines, weißes Kaninchen vor die Füße. Verwundert blickte sie es einen Moment an.
„Nanu, wo kommst Du denn her?“, fragte sie es freundlich und kratzte sich am Kopf.
Im nächsten Moment jedoch wusste sie es. Schnell drehte sie sich zur Wohnzimmertür um und sah drei weitere Kaninchen im Türrahmen sitzen, die sich gerade am Holz zu schaffen machten.
„Das darf doch wohl nicht wahr sein!“, murmelte Oma ein wenig verärgert, als ihr aus dem Wohnzimmer ein leises Schnarchgeräusch entgegenkam. Vorsichtig blickte sie mit dem Kopf um die Ecke und sah das ganze Dilemma.
Mindestens fünfzig weiße Kaninchen liefen im Wohnzimmer herum, saßen auf und unter dem Tisch, krochen in Schubladen oder hüpften heiter auf den Fensterbänken herum. Aber was noch viel schlimmer war: es wurden immer mehr. Ein Tier nach dem anderen sprang aus dem großen, schwarzen Zylinder, der in der Mitte des Raumes, zwischen Opas Beinen stand. Inmitten des tierischen Chaos war Zauberopa Zauderzahn friedlich eingeschlummert.
Oma schüttelte verärgert den Kopf. Nun hatte sie die Nase aber endgültig voll. Wie so oft in letzter Zeit war Opa während eines Zauberspruches eingeschlafen. Erst letzte Woche hatte er Nebel gezaubert und war eingenickt. Die Feuerwehr war mit Blaulicht und Sirenen herbeigerast, hatte ihre Wasserschläuche auf Opas und Omas völlig eingenebeltes Haus gerichtet und versucht, ein Feuer zu löschen. Pitscheplitschenass war Opa aufgewacht und hatte sich bei den Feuerwehrleuten und Oma, deren neue Frisur durch das Wasser ruiniert worden war, entschuldigt.
Und vorgestern hatte er sich bei einem Zauberspruch verhaspelt und Omas frisch gewaschene Gardinen in Zuckerwatte verwandelt. So konnte es wirklich nicht mehr weitergehen.
Oma klappte den Zylinder zusammen und packte ihn zurück in den Schrank. Dann nahm sie das Telefon, rief das Tierheim an, um die Kaninchen abholen zu lassen und zog dem schlafenden Opa vorsichtig den schwarz-weißen Zauberstab aus den Händen. Ohne diesen konnte er zwar nicht mehr Zaubern, aber auch keinen Blödsinn machen. Wer wusste schon, was Opa sonst noch alles verzapfen würde. Vielleicht würde er einen Schneesturm ins Haus oder sich selbst Eselsohren an die Nase zaubern. Das war viel zu riskant, beschloss Oma, steckte seinen Zauberstab in ihre Schürze und verließ schmunzelnd das Wohnzimmer.
Die Sache hatte auch ihr Gutes, dachte sie. Endlich konnte sie das Zaubern auch mal selber ausprobieren, anstatt immer nur zuzugucken. So könnte sie schnell ihre Wäsche sauber zaubern und müsste auch nicht selber kochen. Und vielleicht, aber nur vielleicht, würde sie dann auch mal heimlich in Opas Zauberbuch nachsehen und die Sache mit dem Fliegen ausprobieren.
 



 
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