anbas
Mitglied
Voll ausgelebt
Der Tag begann damit, dass ich den Wecker gegen die Wand schleuderte, als er klingelte. Nach einem kurzen Räkeln drehte ich mich um und schlief zwei weitere Stunden. Anschließend begann mein Tag in aller Ruhe mit einem ausgiebigen Frühstück. Dann erst ging ich gut gelaunt zur Arbeit. Man sah mir nach, dass ich so spät kam – schließlich galt ich als zuverlässiger Kollege und erschien sonst immer pünktlich in der Firma.
Meine gute Laune verschwand allerdings, als mein Chef mir wegen eines Berechnungsfehlers Vorhaltungen machte. Meinen Beteuerungen, dass dieser Fehler andere Ursachen hätte und nicht von mir verschuldet worden wäre, glaubte er nicht. Irgendwann patzte mir der Kragen und ich wurde laut. Zehn Minuten lang brüllte ich meinen Vorgesetzten zusammen. Das tat mir richtig gut – besonders, weil er sich entschuldigte und mir für den Rest des Tages frei gab.
So setzte ich mich kurze Zeit später in die U-Bahn, um an den Stadtrand zu fahren. Dort wollte ich spazieren gehen. Neben mir saß ein junger Mann, der laut über seine Kopfhörer Musik hörte. Mich nervte diese Rücksichtslosigkeit. Irgendwann tat ich dann das, was ich schon immer einmal tun wollte: Ich zückte mein Taschenmesser und zerschnitt das Kabel von den Kopfhörern. Der Typ schaute mich entgeistert an. Als er gerade Luft holte, um mich anzupöbeln, sagte ich ihm, dass er bloß das Maul halten solle, weil ich ihm sonst noch etwas ganz anderes abschneiden könnte. Daraufhin stieg er wortlos an der nächsten Station aus.
Die Endstation lag direkt an einem Waldstück. Dort begann ich einen längeren Spaziergang. Unterwegs traf ich eine wunderschöne junge Frau mit der ich ins Gespräch kam. Wir merkten allerdings bald, dass uns nicht nach reden zumute war. So schlugen wir uns in die Büsche und liebten uns. Danach ging jeder seines Weges weiter.
Kurz darauf kam mir dann eine Dame mit ihrem Hund entgegen. Wobei "Hund" eigentlich die falsche Bezeichnung war. "Elender Kläffer" würde besser passen. Er baute sich wild bellend vor mir auf und wollte mich nicht vorbei lassen. "Der tut nichts!" rief mir die Frau von weitem zu. Aber da hatte ich den Köter schon mit einem gut gezielten Kick zur Seite getreten. "Wenn Sie ihn richtig erzogen hätten, wäre das nicht passiert!" raunte ich noch der wie versteinert dastehenden Hundehalterin zu, während ich an ihr vorüberging.
Später dann, auf der Rückfahrt, saß eine Frau in meinem Bahnabteil, die laut und ohne Punkt und Komma telefonierte. Ihr belangloses Gerede füllte den gesamten Wagen. Irgendwann war dann Schicht im Schacht. Ich setzte mich neben sie und holte ein Diktiergerät aus meiner Jackentasche hervor. Dieses hielt ich ihr direkt neben das Handy. Sie war natürlich empört. Doch ich sagte ihr, dass es wohl nichts Geheimes wäre, was sie da reden würde. Schließlich könnten ja alle im Abteil mithören. Ferner outete ich mich als Wissenschaftler, der gerade über sinnloses Gelaber in der Öffentlichkeit eine Forschungsarbeit schrieb. In diesem Zusammenhang wäre ich derzeit dabei, Fallbeispiele zu sammeln.
Die Frau schimpfte weiter und forderte mich auf, sofort das Diktiergerät auszuschalten. Ich tat dies – und sie setzte ihr Telefonat fort. Daraufhin begann ich, laut die Nationalhymne zu singen – und zwar nicht nur einmal. Ich war erstaunt, in wie vielen Variationen, von Arie bis Rapp, ich sie vortragen konnte. Erst, als die Frau entnervt aufstand und den Wagen verlies, stellte ich meine Darbietung ein. Die übrigen Fahrgäste applaudierten mir. Ich fühlte mich richtig gut.
Am Hauptbahnhof angekommen führte mich mein Weg durch die Stadt zu meinem Stammcafé. Die Fußgängerzone war voller Menschen, so dass ich nur mühsam vorankam. Ständig stand mir jemand im Wege oder schlenderte so langsam vor mir her, dass ich aufpassen musste, ihm nicht in die Hacken zu treten. Bei mir setzten Beklemmungsgefühle ein. Darum begann ich kehlige, grelle Schreie auszustoßen, und die Menschenmassen wichen zur Seite, ließen mich durch.
Im Café herrschte Ruhe – ich liebte diese Ruhe. So machte ich es mir bequem und las die Tageszeitung. Leider wurde die Stille jäh unterbrochen. Ein Vater mit zwei Kindern enterte diesen Ort der Entspannung. Die beiden Gören tobten schreiend durch den Raum, spielten Fangen und warfen dabei den einen oder anderen Stuhl um. Währenddessen zischte der Vater ihnen mehrfach hilflos zu, sie sollten doch endlich leise sein und sich ruhig hinsetzen. Doch seine Blagen dachten gar nicht daran, ihm auch nur eine Sekundelang zuzuhören, geschweige denn zu gehorchen. Na ja, irgendwann reichte es mir und ich tat das, was ich tun musste. Nachdem die Schreihälse im hohem Bogen aus dem Café geflogen waren und der Mann KO am Boden lag, ging es mir deutlich besser.
Trotzdem machte ich mich auf den Heimweg. Direkt vor meinem Haus hatte mein Nachbar wieder einmal den Gehweg zugeparkt. Ob er wohl meine Botschaft verstehen würde, diesen Tritt in die Beifahrertür? Sicherheitshalber ritzte ich ihm noch ein paar nette Worte mit meinem Schlüssel in die Kühlerhaube.
Der Tag endete so genial, wie er begonnen hatte. Die Frau meines Nachbarn klingelte am späten Abend an meiner Tür. Sie war zwar nicht mehr die Jüngste, aber eine Kanone im Bett. Ihr war wieder mal langweilig. Das kam in den letzten Jahren öfters vor, und meistens besuchte sie mich dann. Manchmal, wie auch heute, brachte sie mir auch etwas zum Essen vorbei. Sie war eine gute Köchin. Ihr Mann hatte sich wegen des demolierten Autos ins Delirium gesoffen – aber auch sonst fand er immer wieder einen Grund dafür, um den Biervorrat im Kühlschrank zu leeren. Wie so oft würde er ihr Fehlen gar nicht bemerken. Ich wusste, es würde eine fantastische Nacht werden.
Kurz vor dem Einschlafen, als bereits der Abspann von "Voll ausgelebt" ablief, nahm ich mir noch vor, dass ich morgen den Film "Mein Leben als Milliardär" einlegen würde. Doch für heute schloss mein Kopfkino und machte Feierabend.
Der Tag begann damit, dass ich den Wecker gegen die Wand schleuderte, als er klingelte. Nach einem kurzen Räkeln drehte ich mich um und schlief zwei weitere Stunden. Anschließend begann mein Tag in aller Ruhe mit einem ausgiebigen Frühstück. Dann erst ging ich gut gelaunt zur Arbeit. Man sah mir nach, dass ich so spät kam – schließlich galt ich als zuverlässiger Kollege und erschien sonst immer pünktlich in der Firma.
Meine gute Laune verschwand allerdings, als mein Chef mir wegen eines Berechnungsfehlers Vorhaltungen machte. Meinen Beteuerungen, dass dieser Fehler andere Ursachen hätte und nicht von mir verschuldet worden wäre, glaubte er nicht. Irgendwann patzte mir der Kragen und ich wurde laut. Zehn Minuten lang brüllte ich meinen Vorgesetzten zusammen. Das tat mir richtig gut – besonders, weil er sich entschuldigte und mir für den Rest des Tages frei gab.
So setzte ich mich kurze Zeit später in die U-Bahn, um an den Stadtrand zu fahren. Dort wollte ich spazieren gehen. Neben mir saß ein junger Mann, der laut über seine Kopfhörer Musik hörte. Mich nervte diese Rücksichtslosigkeit. Irgendwann tat ich dann das, was ich schon immer einmal tun wollte: Ich zückte mein Taschenmesser und zerschnitt das Kabel von den Kopfhörern. Der Typ schaute mich entgeistert an. Als er gerade Luft holte, um mich anzupöbeln, sagte ich ihm, dass er bloß das Maul halten solle, weil ich ihm sonst noch etwas ganz anderes abschneiden könnte. Daraufhin stieg er wortlos an der nächsten Station aus.
Die Endstation lag direkt an einem Waldstück. Dort begann ich einen längeren Spaziergang. Unterwegs traf ich eine wunderschöne junge Frau mit der ich ins Gespräch kam. Wir merkten allerdings bald, dass uns nicht nach reden zumute war. So schlugen wir uns in die Büsche und liebten uns. Danach ging jeder seines Weges weiter.
Kurz darauf kam mir dann eine Dame mit ihrem Hund entgegen. Wobei "Hund" eigentlich die falsche Bezeichnung war. "Elender Kläffer" würde besser passen. Er baute sich wild bellend vor mir auf und wollte mich nicht vorbei lassen. "Der tut nichts!" rief mir die Frau von weitem zu. Aber da hatte ich den Köter schon mit einem gut gezielten Kick zur Seite getreten. "Wenn Sie ihn richtig erzogen hätten, wäre das nicht passiert!" raunte ich noch der wie versteinert dastehenden Hundehalterin zu, während ich an ihr vorüberging.
Später dann, auf der Rückfahrt, saß eine Frau in meinem Bahnabteil, die laut und ohne Punkt und Komma telefonierte. Ihr belangloses Gerede füllte den gesamten Wagen. Irgendwann war dann Schicht im Schacht. Ich setzte mich neben sie und holte ein Diktiergerät aus meiner Jackentasche hervor. Dieses hielt ich ihr direkt neben das Handy. Sie war natürlich empört. Doch ich sagte ihr, dass es wohl nichts Geheimes wäre, was sie da reden würde. Schließlich könnten ja alle im Abteil mithören. Ferner outete ich mich als Wissenschaftler, der gerade über sinnloses Gelaber in der Öffentlichkeit eine Forschungsarbeit schrieb. In diesem Zusammenhang wäre ich derzeit dabei, Fallbeispiele zu sammeln.
Die Frau schimpfte weiter und forderte mich auf, sofort das Diktiergerät auszuschalten. Ich tat dies – und sie setzte ihr Telefonat fort. Daraufhin begann ich, laut die Nationalhymne zu singen – und zwar nicht nur einmal. Ich war erstaunt, in wie vielen Variationen, von Arie bis Rapp, ich sie vortragen konnte. Erst, als die Frau entnervt aufstand und den Wagen verlies, stellte ich meine Darbietung ein. Die übrigen Fahrgäste applaudierten mir. Ich fühlte mich richtig gut.
Am Hauptbahnhof angekommen führte mich mein Weg durch die Stadt zu meinem Stammcafé. Die Fußgängerzone war voller Menschen, so dass ich nur mühsam vorankam. Ständig stand mir jemand im Wege oder schlenderte so langsam vor mir her, dass ich aufpassen musste, ihm nicht in die Hacken zu treten. Bei mir setzten Beklemmungsgefühle ein. Darum begann ich kehlige, grelle Schreie auszustoßen, und die Menschenmassen wichen zur Seite, ließen mich durch.
Im Café herrschte Ruhe – ich liebte diese Ruhe. So machte ich es mir bequem und las die Tageszeitung. Leider wurde die Stille jäh unterbrochen. Ein Vater mit zwei Kindern enterte diesen Ort der Entspannung. Die beiden Gören tobten schreiend durch den Raum, spielten Fangen und warfen dabei den einen oder anderen Stuhl um. Währenddessen zischte der Vater ihnen mehrfach hilflos zu, sie sollten doch endlich leise sein und sich ruhig hinsetzen. Doch seine Blagen dachten gar nicht daran, ihm auch nur eine Sekundelang zuzuhören, geschweige denn zu gehorchen. Na ja, irgendwann reichte es mir und ich tat das, was ich tun musste. Nachdem die Schreihälse im hohem Bogen aus dem Café geflogen waren und der Mann KO am Boden lag, ging es mir deutlich besser.
Trotzdem machte ich mich auf den Heimweg. Direkt vor meinem Haus hatte mein Nachbar wieder einmal den Gehweg zugeparkt. Ob er wohl meine Botschaft verstehen würde, diesen Tritt in die Beifahrertür? Sicherheitshalber ritzte ich ihm noch ein paar nette Worte mit meinem Schlüssel in die Kühlerhaube.
Der Tag endete so genial, wie er begonnen hatte. Die Frau meines Nachbarn klingelte am späten Abend an meiner Tür. Sie war zwar nicht mehr die Jüngste, aber eine Kanone im Bett. Ihr war wieder mal langweilig. Das kam in den letzten Jahren öfters vor, und meistens besuchte sie mich dann. Manchmal, wie auch heute, brachte sie mir auch etwas zum Essen vorbei. Sie war eine gute Köchin. Ihr Mann hatte sich wegen des demolierten Autos ins Delirium gesoffen – aber auch sonst fand er immer wieder einen Grund dafür, um den Biervorrat im Kühlschrank zu leeren. Wie so oft würde er ihr Fehlen gar nicht bemerken. Ich wusste, es würde eine fantastische Nacht werden.
Kurz vor dem Einschlafen, als bereits der Abspann von "Voll ausgelebt" ablief, nahm ich mir noch vor, dass ich morgen den Film "Mein Leben als Milliardär" einlegen würde. Doch für heute schloss mein Kopfkino und machte Feierabend.