Vom Geben

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Vera-Lena

Mitglied
Vom Geben

Die Rose, festverschlossen in der Nacht,
ließ sich vom ersten Sonnenstrahle wecken,
sie hat die Blütenblätter aufgemacht
und duftet farbenfroh in dichten Hecken.

Als sänge sie, so hören deine Augen
den Farbenchor, der Schönheit Harmonie,
dein Herz singt mit, kann gut als Sänger taugen,
kennt selbst für Lob und Preis die Melodie.

So bist du eins mit dem, was schön erfunden,
voll Herrlichkeit auf diesem Erdenrund
und deine Freude wird sich gänzlich runden,
teilst du beglückt den reichen Schönheitsfund.
 

Vera-Lena

Mitglied
Vom Geben

Die Rose, festverschlossen in der Nacht,
ließ sich vom ersten Sonnenstrahle wecken,
sie hat die Blütenblätter aufgemacht
und duftet farbenfroh in dichten Hecken.

Als sänge sie, so hören deine Augen
den Farbenchor, der Schönheit Harmonie,
dein Herz singt mit, kann gut als Sänger taugen,
kennt selbst für Lob und Preis die Melodie.

So bist du eins mit dem, was schön erfunden,
voll Herrlichkeit auf diesem Erdenrund
und deine Freude wird sich gänzlich runden,
teilst du beglückt den reichen Schönheitsfund.

Dann wird auch jemand willig von dir nehmen
die Klage, rinnt sie einst aus deinem Mund.
Er schenkt ein lindernd Wort hin in dein Grämen,
sinkt in des Leides wie der Freude Grund.
 

Vera-Lena

Mitglied
Ihr Lieben,

ich habe noch eine Strophe angefügt. Ich hatte sofort den Eindruck, dass hier etwas fehlt.

Vielleicht wird Euch dieser Text aber trotzdem nicht gefallen, weil Ihr bei meinen Sachen an Metaphern gewöhnt seid. Ich habe hier aber absichtlich die schlichteste Rede verwendet, die man überhaupt auswählen kann.

Vielleicht findet Ihr aber auch noch allerlei andere störende Elemente.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

sekers

Mitglied
Kritik. teilen und austeilen

Hallo Vera-Lena,

ich möchte Dir zu Deinem Text vom Geben schreiben. und ich sollte Dir vorher sagen, dass ich ihn formal und rhythmisch betrachtet für makellos halte. und ich könnte, und vielleicht sollte ich, hier schon wieder enden.

aber ich finde, inhaltlich ist der Text nicht stimmig. nur ist das für mich schwer in Worte zu fassen. ich probiers.

stutzen machte mich zunächst die Zeile

"kennt selbst für Lob und Preis die Melodie"

denn da hatte ich so ein kleines Oszillations-Erlebnis zur Bedeutung von dem Wort selbst.
ich kann es lesen als 1) das Herz kennt selbst die Melodie, und braucht den Farbenchor gar nicht oder 2) das Herz hat für soviele Dinge Melodien, warum auch nicht/sogar für Lob und Preis.

und auch wenn mir Interpretationsmöglichkeiten bei einem Gedicht eigentlich gefallen, so ist mir hier mehr ein Gefühl des ich weiß nicht was sie meint als, ja, das kann soviel bedeuten.

auch das "kann gut als Sänger taugen" irritiert mich ein bisschen, und seine Bedeutung im Text erschließt sich mir nicht, denn 1) weil das Herz mitsingt heißt das noch nicht, dass es "gut singen" (wenn ich das gut als Sänger taugen so übersetze) kann, 2) die Melodie kennen bedeutet auch nicht automatisch "gut singen".

wenn Farben riechen, Augen hören, und ein Herz singt, (Strophe i und ii) dann ist das nicht unbedingt das, was ich als "die schlichteste Rede" bezeichnen würde. Eher komplizierteste Verschränkungen. und in der Fülle wird es mir, aber das ist halt und nur mein Geschmack, ein bisschen viel, was da diverse Organe "artfremd" leisten müssen. nur um vielleicht, möglicherweise ein Bild in mir entstehen zu lassen, dass sich aber wegen Verschränkungsüberflutung einstellt.

wenn Du dann in der letzen Zeile von Strophe iii zum Thema kommst, dann bin ich enttäuscht. vom "beglückten" Teilen des "reichen Schönheitsfunds".

enttäuscht bin ich, weil das Geben sehr stark reduziert wird. geben, wenn ich Deinem Text folge, kann ich erst, wenn ich in der Lage war, Schönheit zu erfassen.

ich nehme es persönlich. aha, da fällt für mich geben einmal flach, denke ich mir, denn da bin ich mir nicht so sicher, ob ich jemals Rosen duften höre.

und das Geben, in diesem Text, es ist so seltsam immateriell.
hat geben nicht auch und vor allem damit zu tun, dass der, der gibt, weniger hat, nach dem Geben, und der Begabte mehr?

in Deinem Bild ist hingegen der Geber ein und der Gewinner der Situation. Was eh OK ist, metaphysisch. aber eben mit dem umittelbaren Aspekt des Gebens nichts zu tun hat.

moralisierend verstehe ich auch die vorletzte Zeile. warum soll sich beim Geben die Freude gänzlich runden? was immer eine unrunde Freude bedeuten mag. aber wenn ich das gänzlich Runden als Metapher für vollkommene Freude nehme, bedeutet der Text doch: wirklich freuen kann ich mich erst, wenn ich teile.
wiederum: ist schon möglich. aber gilt tatsächlich der Umkehrschluss, dass ich mich nicht so ganz gänzlich freuen kann, wenn ich nicht teile? muss ich teilen, um mich wirklich freuen zu können?

und die vierte Strophe hakt da nach. Gib nur, dann wird Dir in Zeiten des Klagens auch jemand zuhören. geben als Vorsorge für schlechtere Zeiten.

zusammenfassend, ist Dein Text eine aus meiner Sicht sehr kapitalistische Sicht des Begriffs geben.

er erschien mir ein bisschen unstimmig, aber hat immerhin dazu geführt, dass ich mir meine verworrenen Gedanken zu Thema geben bewusster gemacht habe.

und dafür möchte ich mich bedanken.

aber die Kritik, wenn sie denn eine ist, belassen. (und hinzufügen, dass ich eh weiß, dass ich manches nicht verstehe. und vielleicht irgendwas über- oder falsch sehe.)

Liebe Grüße

G.
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Sekers,

Danke!

Da sehe ich wieder einmal wie allein bzw. unverständlich ich mit meinen Gedanken bin und doch immmer denke, dass sie absolut simpel sind.

Das ist jetzt ganz wichtig für mich.

Dass dieses Gedicht als moralisierend empfunden werden könnte, hatte ich immerhin selbst schon befürchtet.

Die zweite Strophe vertauscht in der Tat die Wahrnehmungsmöglichkeiten von sehen und hören. Insofern hast Du Recht, dass der Text verschlüsselt wirkt.

Das Herz desjenigen, den das Lyri anspricht, kann deswegen ein Sänger sein ("gut als Sänger taugen", damit meine ich eigentlich nur: ein Sänger sein), weil dieser Mensch immer erfüllt ist von Freude, wenn er etwas Schönes betrachtet und weil ich ihn tatsächlich sehr oft singen höre, wenn er mechanische Arbeiten macht. Auf diese Weise erlebe ich ihn als jemanden, der ständig etwas aus seinem Herzen gibt.

Seine Lieder sind meistens Ausbrüche von Freude, also er ist auf diese Art von Liedern abonniert. Sein Singen empfinde ich als Geben, wie Du es auch sagst, auf eine immaterielle Weise. Es fällt ihm leicht, mit dem, was er als Schönheit empfindet, zu verschmelzen und er gibt durch seine Fröhlichkeit diese Freude an dem Schönen weiter. Wenn ihm dann jemand begegnet, dem er sagen kann,also heute habe ich eine besonders schöne Rose gesehen und der andere freut sich mit ihm, dann hat er etwas gegeben, ohne dass er er etwas weg-gegeben hätte und der andere, wenn er sich an ähnlichen Dingen erfreuen kann, fühlt sich bereichert. Dass sich die Freude "gänzlich rundet", damit meine ich, dass sich die Freude verstärkt, wenn sich jemand mit einem mitfreut. Das wirst Du doch auch schon erlebt haben, dass Du Dir gedacht hast, oh, hoffentlich treffe ich heute den und den, denn der wird sich mit dem, was ich eben gerade erlebt habe, mitfreuen. So habe ich die dritte Strophe gemeint.

Die vierte Strophe kann leicht missverstanden werden. Da gebe ich Dir Recht.

Solche fröhlichen Menschen, die ein glückliches Naturell besitzen, wie ich es in den ersten drei Strophen beschrieben habe, finden nach meiner Erfahrung in der Not auch wirklich immer einen Helfer, denn ihr Naturell verändert sich ja nicht, nur weil sie jetzt etwas Schweres durchzumachen haben. Aber man könnte den Text wirklich moralisierend lesen, etwa so:

Gib etwas, dann bekommst du auch etwas. Das habe ich aber nie und nimmer so gemeint. Dieser Gedanke war überhaupt nicht in meinem Kopf.

Ich dachte daran, dass auch so ein glücklicher Mensch von Schwierigkeiten im Leben heimgesucht wird und hoffte, dass dann Menschen, die ehmals seine Freude geteilt haben auch mifühlend und anteilnehmend sein Leid mit ihm teilen werden, wenn ich selbst beispielsweise nicht mehr da sein sollte, um das tun zu können.

Danke, lieber sekers, für Deine ausführliche Mitteilung darüber, wie Du diesen Text gelesen und betrachtet hast. Es macht immer ein bißchen traurig, mißverstanden zu werden, aber Du hast mir die Möglichkeit gegeben, nun meinerseits eine Erklärung abzugeben und Du hast mir auch gezeigt, dass es mit dem "Ganz einfach" wieder einmal nichts war. Das sind die Stellen, an denen ich mich nie in andere hineindenken kann, nämlich die Tatsache, dass meine Texte mitunter nicht so leicht verständlich sind, wie ich das denke. Gut, dass Du mich darauf hingewiesen hast. Vielleicht lerne ich es ja doch noch *lach*

Einen schönen Tag wünsche ich Dir.
Liebe Grüße
Vera-Lena
 



 
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