Vom Schiff, das reden kann ...

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Vorwort:

Der, der Gutenachtgeschichten mag,
der wartet oft den ganzen Tag,
dass Mondlicht durch das Fenster fällt
und irgendwo ein kleiner Held
für ihn allein, in seinem Geist,
in unentdeckte Fernen reist.
Das Bett, das wird zu einem Floß,
die Decke wird zum Ozean,
wird unbekannt und riesig groß,
auf dem Piratenschiffe fahr´n.
Die Meereswellen flüstern schäumend
Wer will, der kann sie suchen gehen,
Nicht wach und auch nicht richtig träumend
Die Augen zu und trotzdem sehen.




Vom Schiff, das reden kann
Und einem dicken Kapitän,
die irgendwo und irgendwann,
zum Mond verreisten,
um die Zeit zurück zu drehen


Auf dem Meer


Seht, am Horizont ein Segel.
Es ist ein Schiff,
das saust, als brennen ihm die Nägel.
Gekonnt umfährt es jedes Riff.
Ein Schiff aus Holz gebaut,
nicht groß vielleicht,
nein, eher klein.
Schaut,
gleich hat es uns erreicht.
Das Schiff, das redet. Kann das sein?

„Ich segle vor dem Sturm davon.
Der jagt uns seit drei Tagen schon.
Er bläst und jault und ärgert sich.
Ich bin zu schnell, der kriegt mich nicht.
Vor einer Woche noch,
da lag ich ruhig im Hafen,
ohne Kratzer, ohne Loch –
von Morgens früh bist abends schlafen.
Knarks, wie gerne wär ich jetzt zu Haus
und streckte alle Planken aus.“

Das Schiff, das ächzt und stöhnt:
„Knarks, wie lange sind wir schon auf See?“,
als unter Deck ein lautes Poltern dröhnt.
Die Treppe kommt’s herauf.
„Oh jemine, was rumpelt da in meinem Bauch?“
Erst kommt da ein Kopf zum Vorschein,
mit Pfeife, Bart und Schiffermütze,
darunter, kaum zu sehen, ein Gesicht,
das fängt gleich an zu schreien:
„Treibst du hier deine Witze?
Schiff, wo ist meine Hafergrütze?“

„Knarks“, das Schiff tut sehr verlegen.
„Vielleicht ist sie in der großen Seemannskiste.“
Der Kapitän, der muss nicht lange überlegen:
“Beim Klabautermann, da ist sie nicht!“
Das Schiff sagt: „Knarks, wie hungrig biste?
Der Kapitän, der macht ein hungriges Gesicht.
„Ich könnt ein ganzes Rind verspeisen.
So geht das nicht,
so können wir nicht weiterreisen.“

Das Schiff, das schaut in alle Ecken.
Wo kann die Hafergrütze stecken?
Ein Kapitän, so ohne Grütze,
der ist wirklich zu gar nichts nütze.
So wie ein Segelschiff, ganz ohne Wind,
nicht segeln kann, das weiß doch jedes Kind.
Der Kapitän, der wird vor Hunger schon ganz blass.
„Lass nur“, antwortet da das Schiff,
„ich schau mal nach, ich find schon was.“

Und in der Küche klappern Töpfe und Geschirr,
das Schiff schaut hinter jede Tür.
Bis es, ganz zum Schluss
sogar in seinen Hosentaschen suchen muss.
Und da, ihr glaubt es nicht,
da sitzt ein Junge, schmatzt, mit Hafergrütze im Gesicht.
„Knarks, wen haben wir denn hier?
Sag wer du bist, das rat ich dir!“
Der Junge wischt sich um den Mund:
„Hey, lass mich los, bist du nicht ganz gesund?“

Das Schiff sagt: „Knarks, das ist ja unerhört!
Stielt hier die Hafergrütze und ist dann auch noch empört.
Schau, da liegt mein Kapitän,
hat nichts zu essen, seit um zehn.“
Der Junge sieht´s und macht ein trauriges Gesicht.
„Entschuldigung, das wollt´ ich nicht.
Der Topf ist ja auch noch fast voll.
Ich wüsste nicht, wie ich das alles essen soll.“

Er gibt dem Kapitän die Grütze
Der hebt langsam seine Mütze,
er schaut noch grimmig, gries und grämig,
dann isst er schon und rülpst nicht wenig.
„Ach, setz den Jungen ab“,
sagt er zum Schiff, das tut sich schwer,
„ich bin zufrieden, ich bin satt.
Wo will der Junge hin und wo zum Geier kommt er her?
Lass uns mal hör´n, was er uns zu erzählen hat.“

Der Junge lacht. „Das hab ich gern.
Ich komm von hier und auch von fern.“
Er zeigt nach Norden und nach Süden,
zum Horizont, von dort nach drüben.
„Mal bin ich da und manchmal da.“
Er war, so sagt er stolz, sogar einmal in Kanada.
„Ich bin halt jung, will noch was seh´n.“
Das Schiff knarkst laut: „Und nicht zur Schule geh´n?“

„Ach, da geh´n doch alle hin.
Und weil ich nicht wie alle bin,
bin ich halt hier, genau wie ihr.“
Das Schiff sagt: „Knarks, was machen wir mit dir?“

Der Kapitän, der schaut auf seine Uhr.
„Ach, dann bleibt er eben,
ihn abzusetzen, schadet nur.
Er kann ja den Matrosen geben,
das Deck dir wischen,
den Müll zur großen Tonne tragen
und vielleicht auch mal nach Haien fischen,
wenn sie an deinen Planken nagen.
Er wird uns schon zu irgendetwas nutzen
Er schwänzt die Schule – GUT – dann muss er putzen.“

„Was, putzen soll ich?“,
ruft der Junge in die Runde.
„Ihr wärt schon längst ertrunken ohne mich
und lang schon auf dem Meeresgrunde!“
Hier, im Schiff da ist ein Loch,
da hab ich meine Jacke reingestopft.
Seid froh, dass ihr NOCH
lebt und dass es nur ein bisschen tropft!“

Das Schiff schreit plötzlich wie Dornröschen:
“Iiiiiiiiihhhhhh, ich habe nasse Unterhöschen!“
Es springt wie ne Mimose
Aus seinem Rumpf aus Holz
Und zeigt die nasse Unterhose.
Der Junge lacht,
ein wenig stolz.
„Wer hätte das gedacht,
dass Schiffe Unterhosen tragen,
die große, runde Punkte haben.“

Das Schiff wird rot
und knarkst verlegen:
“Na ja, zum Glück sind wir nicht tot,
vielleicht kann der Junge ja mal fegen
und den Abwasch machen,
nichts, was so schwer ist, solche Sachen.“
Der Kapitän, der hält sich lachend seinen Bauch.
„Ja“, sagt er, „so sehe ich das auch.“

Und wieder schaut er auf die Zeit.
„Los Schiff, zum Horizont ist es noch weit!
Und ohne Mannschaft geht es nicht so schnell.
Noch ist es Tag, noch ist es hell.
Los, dreh die Segel in den Wind,
wenn erst der Mond aufgeht
und wir am Horizont nicht sind,
ist es vielleicht schon längst zu spät.“

Und das Schiff, das reden kann,
das setzt die Segel und saust los,
an Bord ein Junge und ein Mann,
das Schiff mit nasser Unterhos´.
Der Sturm, der hat sie lange nicht erreicht,
das Meer ist glatt und ruhig und seicht.

Wie´s weiter geht
Und was den dreien noch passiert,
das hört ihr morgen, garantiert.
Es ist schon spät,
das Buch, das wird jetzt zugemacht,
die Äuglein auch – und gute Nacht.
 



 
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