Von Äpfeln

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profeanu

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Von Äpfeln

Es war einmal... Welche Geschichte fängt nicht so an? Aber es war wirklich einmal. Es war einmal ein Apfelbaum. Genauer gesagt ein Apfel an diesem Baum. Er war noch sehr jung und genauso klein und grün hinter den Ohren wie seine vielen Brüder und Schwestern, die mit ihm zwischen den Zweigen hingen. Ihr Baum sprach nicht mit ihnen. Das schickte sich wohl nicht. Noch nie hatte einer der stolzen Bäume mit seinen Früchten auch nur ein Wort gewechselt. Untereinander aber, unterhielten sie sich. Doch es waren immer die gleichen Themen. „Schaut nur, wie rot und saftig ich in den letzten Tagen geworden bin“, oder „Ha, wie hoch oben ich hänge! Ist es nicht traurig für Euch da unten? Ihr seht, wirkliche Freundschaft gab es nicht unter den Äpfeln. Jeder neidete den anderen und sie versuchten beständig, sich irgendwie zu übertreffen. Und eben das war das Problem unseres Apfels. Nicht, dass er nicht ebenso gebildet war wie die anderen, oder gar ganz unten hing. Nein, er hatte einfach das Pech sehr tief in der Baumkrone gewachsen zu sein. Zudem war ein besonders großes Blatt direkt vor ihm gesprossen und nahm ihm so jeden Tag aufs neue die Sicht auf die Sonne. Und eben die Sonne brauchte er, um genauso rot und saftig zu werden wie die anderen. Der kleine Apfel war darüber sehr unglücklich. Noch unglücklicher aber machte ihn der Spott der anderen. Oft hatte er versucht einen Freund unter ihnen zu finden. Doch es blieb nur bei beleidigenden Worten und Hohn. Hilflos hockte er im Schatten und sah zu, wie seine Gefährten das warme Licht der Mittagssonne genossen. Jeden Tag war er allein. Jeden Tag im Schatten. Natürlich wuchs unser Apfel trotz allem heran aber das saftige, pralle Rot blieb für ihn unerreichbar.
Dann, eines Tages, kam ein Sturm. Bisher war es ein ungewöhnlich guter Sommer gewesen. Tagsüber schien die Sonne, den nötigen Regen gab es sanft und regelmäßig in der Nacht und in den frühen Morgenstunden. Doch dieser Wind überraschte sie alle. Heftig zerrte er an den Ästen und Zweigen. Schien bald von allen Seiten gleichzeitig zu wehen und der alte Baum ächzte und knarrte unter der ungewohnten Last. Viele der Äpfel konnten sich nicht mehr halten. Verzweifelt rissen sie ab und schlugen hart ins Gras. Rings um sich herum sah er sie fallen und seine Verzweiflung darüber, ihnen nicht helfen zu können war fast größer als seine Angst.
Er fiel nicht. Er war zu leicht, zu dicht am Stamm, zu nah in der Baumkrone. Und dann war es vorbei. Die dunklen Wolken verschwanden mit dem Wind, so schnell wie sie gekommen waren und bald schien die Sonne wieder, als ob nie etwas geschehen wäre. Doch das war es. Unser kleiner Apfel blickte hinunter. Dort lagen seine einst so stolzen Geschwister und faulten in der Hitze. Allerlei Getier machte sich über sie her und bald waren selbst die letzten Spuren verwischt. Ihm war unheimlich zu mute. Nett waren sie nie zu ihm gewesen aber dieses Schicksal hatten sie nicht verdient. Hätte er Tränen gehabt, die er hätte weinen können, so hätte er sie alle geweint. Bis auf den letzten Tropfen.
Die Zeit kannte kein Mitleid und schritt unbeeindruckt voran. Bald war der Sturm vergessen und alle Überlebenden vielen zurück in die selbe Arroganz, den Hohn und den Neid, die auch zuvor ihr Leben bestimmten.
Dann begann die Ernte. Der große Augenblick, auf den sie alle gewartet hatten. Viele plusterten sich noch einmal richtig auf, gaben alles, um als bester und schönster Apfel gepflückt zu werden. Und das wurden sie. Auch unser kleiner Apfel, der immer noch grün war. Doch er landete nicht in dem Korb, in dem alle anderen rot und glänzend lagen. Er wurde fort geschleudert! In hohem Bogen flog er weit weg von seinem Baum und seinen Geschwistern. Traurig landete er auf feuchter, kalter Erde, rollte noch ein kleines Stück weiter und blieb schließlich in einer Vertiefung liegen. Er hatte es gewusst. Er war nicht so schön und saftig wie die anderen. Er fühlte sich wertlos und erwartete sein Schicksal. Das selbe Schicksal, dass der Sturm über die Äpfel gebracht hatte, die von den Zweigen gestürzt waren. Tatsächlich dauerte es nicht lange, da kamen auch schon die ersten Tiere und knabberten ihn an. Entmutigt und unendlich traurig zog er sich zurück. Je mehr von ihm verschwand, desto tiefer verzog er sich in sein Inneres. Kapselte sich ein, wurde kleiner, bis er schließlich nur noch in einem seiner Kerne lebte. Alles andere war fort. Vertilgt und vergangen wie bei den anderen. Doch dann hörte es auf. Plötzlich war es vorbei.
Er wusste natürlich nicht, dass es der Sommer war, der vorbei war. Das nun der Herbst Regen und Kälte schickte und das Getier vertrieb. Auch merkte er kaum, dass sich nasse Erde über ihn ergoss und ihn schließlich weißer Schnee, wie eine schützende Decke begrub. Er schlief einfach ein. Er schlief einen langen, traumlosen Schlaf.

Das alles war schon lange, sehr lange, her. Doch er hatte es nicht vergessen. Auch nicht, wie er im Frühjahr erwachte, wieder wuchs, aus der Erde hervorbrach und zu dem wunderschönen, starken Baum wurde, der er heute war. Er stand am Rande eines kleinen Waldes. Die Mittagssonne streichelte seine mächtigen Zweige und neben seinem kräftigen Stamm, floss ein kleiner Bach gemütlich seines Weges. Es war ein friedliches und zufriedenes Leben. Viele Tiere lebten um ihn herum und drüben auf der Wiese konnte er den anderen Bäumen zusehen. Auch er wurde jedes Jahr abgeerntet. Und er trug herrliche Früchte. Die schönsten und saftigsten weit und breit. Denn er hatte nicht vergessen. Er redete mit seinen Äpfeln und seine Äpfel sprachen oft und freundlich miteinander, wie gute Freunde es tun. Bedächtig achtete er darauf, dass jeder genug Sonne bekam und schützte sie bei Sturm und Regen mit seinen Ästen und Blättern. Es war ein glückliches Miteinander und alle seine Äpfel lauschten gespannt seinen Erzählungen. Das Wichtigstes, das was sie alle zusammen hielt aber war, dass sie alle wussten, dass es gar nicht so sehr auf das Äußere ankam, sondern eigentlich nur auf das, was in ihnen war. Eigentlich nur auf den Kern...
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O

Orangekagebo

Gast
Wunderschöne Geschichte, profeanu, und sehr gelungen. Noch dazu mit belehrendem Ende. Toll.


Hätte er Tränen gehabt, die er hätte weinen können, so hätte er sie alle geweint. Bis auf den letzten Tropfen.
(Vielleicht: Hätte er Tränen gehabt, er hätte sie alle geweint. Bis zum letzten Tropfen)

Ich bin eigentlich kein Märchenleser und hab´ hier nur mal so reingeschnuppert, aber Deine Geschichte hat mir wirklich gefallen.

LG, Karsten
 

flammarion

Foren-Redakteur
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Korrekturvorschläge:

Von Äpfeln
Veröffentlicht von profeanu am 08. 10. 2007 18:10
Von Äpfeln

Es war einmal... Welche Geschichte fängt nicht so an? Aber es war wirklich einmal. Es war einmal ein Apfelbaum. Genauer gesagt ein Apfel an diesem Baum. Er war noch sehr jung und genauso klein und grün hinter den Ohren wie seine vielen Brüder und Schwestern, die mit ihm zwischen den Zweigen hingen. (Absatz)Ihr Baum sprach nicht mit ihnen. Das schickte sich wohl nicht. Noch nie hatte einer der stolzen Bäume mit seinen Früchten auch nur ein Wort gewechselt. Untereinander aber,(kein Komma) unterhielten sie sich. Doch es waren immer die gleichen Themen. „Schaut nur, wie rot und saftig ich in den letzten Tagen geworden bin“, oder „Ha, wie hoch oben ich hänge! Ist es nicht traurig für Euch da unten?(Anführungszeichen Absatz) Ihr seht, wirkliche Freundschaft gab es nicht unter den Äpfeln. Jeder [blue] neidete [/blue] (beneidete) den anderen und sie versuchten beständig, sich irgendwie zu übertreffen. Und eben das war das Problem unseres Apfels. Nicht, dass er nicht ebenso gebildet war wie die anderen, oder gar ganz unten hing. Nein, er hatte einfach das Pech(Komma) sehr tief in der Baumkrone gewachsen zu sein. Zudem war ein besonders großes Blatt direkt vor ihm gesprossen und nahm ihm so jeden Tag aufs neue die Sicht auf die Sonne. Und eben die Sonne brauchte er, um genauso rot und saftig zu werden wie die anderen. (Absatz)Der kleine Apfel war darüber sehr unglücklich. Noch unglücklicher aber machte ihn der Spott der anderen. Oft hatte er versucht(Komma) einen Freund unter ihnen zu finden. Doch es blieb nur bei beleidigenden Worten und Hohn. Hilflos hockte er im Schatten und sah zu, wie seine Gefährten das warme Licht der Mittagssonne genossen. Jeden Tag war er allein. Jeden Tag im Schatten. Natürlich wuchs unser Apfel trotz allem heran(Komma) aber das saftige, pralle Rot blieb für ihn unerreichbar.
Dann, eines Tages, kam ein Sturm. Bisher war es ein ungewöhnlich guter Sommer gewesen. Tagsüber schien die Sonne, den nötigen Regen gab es sanft und regelmäßig in der Nacht und in den frühen Morgenstunden. Doch dieser Wind überraschte sie alle. Heftig zerrte er an den Ästen und Zweigen. Schien bald von allen Seiten gleichzeitig zu wehen und der alte Baum ächzte und knarrte unter der ungewohnten Last. Viele der Äpfel konnten sich nicht mehr halten. Verzweifelt rissen sie ab und schlugen hart ins Gras. Rings um sich herum sah er sie fallen und seine Verzweiflung darüber, ihnen nicht helfen zu können(Komma) war fast größer als seine Angst.
Er fiel nicht. Er war zu leicht, zu dicht am Stamm, zu nah in der Baumkrone. Und dann war es vorbei. Die dunklen Wolken verschwanden mit dem Wind, so schnell wie sie gekommen waren und bald schien die Sonne wieder, als ob nie etwas geschehen wäre. Doch das war es. Unser kleiner Apfel blickte hinunter. Dort lagen seine einst so stolzen Geschwister und faulten in der Hitze. Allerlei Getier machte sich über sie her und bald waren selbst die letzten Spuren verwischt. Ihm war unheimlich zu mute. Nett waren sie nie zu ihm gewesen(Komma) aber dieses Schicksal hatten sie nicht verdient. Hätte er Tränen gehabt, die er hätte weinen können, so hätte er sie alle geweint. Bis auf den letzten Tropfen.
Die Zeit kannte kein Mitleid und schritt unbeeindruckt voran. Bald war der Sturm vergessen und alle Überlebenden [red] vielen [/red] (fielen) zurück in die selbe Arroganz, den Hohn und den Neid, die auch zuvor ihr Leben bestimmten.
Dann begann die Ernte. Der große Augenblick, auf den sie alle gewartet hatten. Viele plusterten sich noch einmal richtig auf, gaben alles, um als bester und schönster Apfel gepflückt zu werden. Und das wurden sie. Auch unser kleiner Apfel, der immer noch grün war. Doch er landete nicht in dem Korb, in dem alle anderen rot und glänzend lagen. Er wurde fort geschleudert! In hohem Bogen flog er weit weg von seinem Baum und seinen Geschwistern. Traurig landete er auf feuchter, kalter Erde, rollte noch ein kleines Stück weiter und blieb schließlich in einer Vertiefung liegen. Er hatte es gewusst. Er war nicht so schön und saftig wie die anderen. Er fühlte sich wertlos und erwartete sein Schicksal. Das selbe Schicksal, [red] dass [/red] (das) der Sturm über die Äpfel gebracht hatte, die von den Zweigen gestürzt waren. (Absatz)Tatsächlich dauerte es nicht lange, da kamen auch schon die ersten Tiere und knabberten ihn an. Entmutigt und unendlich traurig zog er sich zurück. Je mehr von ihm verschwand, desto tiefer verzog er sich in sein Inneres. Kapselte sich ein, wurde kleiner, bis er schließlich nur noch in einem seiner Kerne lebte. Alles andere war fort. Vertilgt und vergangen wie bei den anderen. Doch dann hörte es auf. Plötzlich war es vorbei.
Er wusste natürlich nicht, dass es der Sommer war, der vorbei war. [red] Das [/red] (Dass) nun der Herbst Regen und Kälte schickte und das Getier vertrieb. Auch merkte er kaum, dass sich nasse Erde über ihn ergoss und ihn schließlich weißer Schnee,(kein Komma) wie eine schützende Decke begrub. Er schlief einfach ein. Er schlief einen langen, traumlosen Schlaf.

Das alles war schon lange, sehr lange, her. Doch er hatte es nicht vergessen. Auch nicht, wie er im Frühjahr erwachte, wieder wuchs, aus der Erde hervorbrach und zu dem wunderschönen, starken Baum wurde, der er heute war. Er stand am Rande eines kleinen Waldes. Die Mittagssonne streichelte seine mächtigen Zweige und neben seinem kräftigen Stamm,(kein Komma) floss ein kleiner Bach gemütlich seines Weges. (Absatz)Es war ein friedliches und zufriedenes Leben. Viele Tiere lebten um ihn herum und drüben auf der Wiese konnte er den anderen Bäumen zusehen. Auch er wurde jedes Jahr abgeerntet. Und er trug herrliche Früchte. Die schönsten und saftigsten weit und breit. Denn er hatte nicht vergessen. Er redete mit seinen Äpfeln und seine Äpfel sprachen oft und freundlich miteinander, wie gute Freunde es tun. Bedächtig achtete er darauf, dass jeder genug Sonne bekam und schützte sie bei Sturm und Regen mit seinen Ästen und Blättern. Es war ein glückliches Miteinander und alle seine Äpfel lauschten gespannt seinen Erzählungen. Das Wichtigstes, das(Komma) was sie alle zusammen hielt aber war, dass sie alle wussten, dass es gar nicht so sehr auf das Äußere ankam, sondern eigentlich nur auf das, was in ihnen war. Eigentlich nur auf den Kern...
Sehr schöne Geschichte!
lg
 



 
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