Von Blicken und Wegen

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ledsgo

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Ein unsicherer Blick nach hinten, wo die ausbleibende Gefolgschaft steht, ganz fern bereits, als wären sie nichts weiter, als das, was sie waren; und dabei sind sie noch, ganz hinten, dort, wo er nicht mehr sein wollte, wovon sich selbst zu befreien die Intention war. Und nun, dieser Blick nach hinten, und plötzlich realisiert er: er befreite sich von seinen Liebsten, und doch, zurückgehen kann er nicht, niemand kann zurück; in die Vergangenheit zu flüchten, weil man die Zukunft fürchtet, man macht das nicht. Nicht heute, nicht zur Zeit des Fortschritts. Der Blick, nocheinmal gewendet, auf die Kurven, die Berge und Täler der Vergangenheit, auf die Mediteranen Hochs und Skandinavischen Tiefs, kurz: auf das, was man ein halbes Leben nennt.
Man sagt, die ersten 20 Lebensjahre vergingen gleich schnell, wie die Zeit von 20 bis zum bitteren Ende. Das halbe Leben also, vorbei, und was bleibt davon? Eine Matura, ein Haufen schlechter Freunde, guter Feinde, falscher Liebe, alternde Eltern; Erinnerungen an eine Zeit, die irgendein Hirnmechanismus nun hinstellt, als wäre sie so wunderbar gewesen, an die Schule, die er hasste, und derer er sich heute sehnt, weil er Vergangenes kennt, weil er nostalgisch, weil er sehnsüchtig, weil er ein Träumer ist.
2 Grabsteine, es waren seine Großeltern, eine tote Katze, 200 paar Socken; ein Leben zu Gast bei sich selbst. Er fühlte sich, als wäre er sein eigener Beobachter, als wäre er Supervisior in dem Film, der sein Leben war, als führte er Regie und spielte die Hauptrolle, obwohl er das Drehbuch nicht kannte.
Nun der Blick, nach vorne, der Weg gabelt sich, es gibt kein \"als- auch\", es gibt nur \"entweder- oder\". Die Optionen sind klar, die Überlegung einfach, und doch, es ist immer Verzicht, der Gunst entstehen lässt. Er weiß, er ist erwachsen, da nun nichts mehr geschenkt wird, er weiß, alles was er bekommt, muss er anderswo geben, und so ist das: als 18 jähriges Kind beim Rauchen erwischt, mit 20 entscheiden, was man mit seinem Leben machen will, in welche Richtung zu wandern besser ist, zu wissen, was man soll. Seine Eltern, sie sagten ihm, er müsse selber wissen, was er will, was für ein Schwachsinn, denkt er, als wüsste man selber am Besten, was man wollte, als würde man sich selbst besser kennen, als irgendjemand, der Einen gar nicht kennt. Dass er seine eigenen Fehler machen wolle, erklärte er seinen Eltern, als er Auszog, zu früh, wie er jetzt weiß, und bis auf diesen, waren nicht viele Fehler gemacht, alles schien ihm so unkonkret, als könnte es, weil es keine klare Bedeutung hatte, gar kein Fehler sein. Und nun bleibt er stehen, in drei Welten, mit drei Wegen. Warten ist alles, warten, und hoffen das die Entscheidung sich selbst trifft, ein kleines Stolpern nur, und plötzlich eine Richtung eingeschlagen zu haben. Warten, nichts passiert, die Zeit vergeht, sie wird verschwendet, obwohl sie das höchste Gut sei, sagt man. Und so wartet er, um nicht entscheiden zu müssen, um nichts Falsch zu machen, denn zum ersten Mal müsste er konkret werden und kann es nicht, er wartet, er spannt sich zwar selber auf die Folter, denn warten, das meint immer Vollkommenheit zu suchen, die es nicht gibt, und doch, es ist ihm lieber, zu warten, als von seiner Freiheit gebrauch zu machen.
 

Haremsdame

Mitglied
Hallo ledsgo,

die Unentschlossenheit Deines Lyrichs ist spürbar.
Die langen Abschnitte machten es mir allerdings schwer, Deinen Text bis zu Ende zu lesen. Kam da überhaupt ein Punkt drin vor?
Die Gedanken vor der nötigen Entscheidung, wohin es nun weiter geht, beschreibst Du sehr eindringlich. Sie hielten mich dann doch bei der Stange.
Vielleicht gelingt es Dir noch, sie etwas besser zu strukturieren? Vielleicht ist es auch noch zu früh für Deinen Text? Vielleicht brauchst Du noch ein bisschen mehr Abstand?
Der Titel spricht mich nicht sonderlich an. Der müsste irgendwie kürzer und prägnanter sein... Vielleicht: "Am Scheideweg" oder "Aufbruch"?
 

ledsgo

Mitglied
Hallo Haremsdame,
danke erstmal,wundert mich, dass sich überhaupt jemand drüber traute.
Aber es sind - für mich, da ich ja das Lyrich etwas besser kenne ;-) - genau diese langen abschnitte, die die tatsächlichkeit des textes ausmachen. es geht auschließlich um diese länge, diese ständige für und wieder und im kreise drehen...
es gibt keine pointe, auch keinen sinn dahinter, es ist das platte kreisen um unkonkretes, das den text ausmacht.ich weiß, er ließt sich schwierig und vor allem langwierig, aber irgendwie soll er das auch, vor allem weil es nicht um handlung, sondern um geistiges geht.
Im großen und ganzen wäre es ja nur ein absatz, der in einem weiteren kontext stehen würde, sofern mir irgendwann mal was einfallen würde...
Aber du hast mit sicherheit in einem punkt recht: eigentlich ist es zu früh für den text...
 
P

Prosaiker

Gast
ich weiß, er ließt sich schwierig und vor allem langwierig, aber irgendwie soll er das auch, vor allem weil es nicht um handlung, sondern um geistiges geht.
Nein, deinen Text habe ich nicht gelesen. Aber dieser Kommentar deinerseits stimmt mich neugierig; ich lese dergleichen häufiger. Und ich frage mich jedes Mal: warum zum Teufel sollte man einen langweiligen, schwer lesbaren Text schreiben wollen? Erst Recht, wenn man sich einer Gattung wie der Kurzprosa bedient? Und was hat das alles (=Langeweile + Unlesbarkeit) denn mit "Geistigem" zu tun? Und seit wann steht "Geistiges" im Widerspruch zu "Handlung"? Hm. Ich tät mich riesig über 'ne Erklärung freuen.

Grüße,
Prosa.
 

ledsgo

Mitglied
nun gut, wenns dich neugierig stimmt, würd ich dir das durchlesen des textes doch tatsächlich anraten, auch wenn er holpert.
und "geistig" war vl plump, töricht meinethalben, im ausdruck. tatsächlich meinte ich die geistige komplexität, diesen quasi-inneren-monolog, den der text eigentlich verkörpert, der ja gar nichts anderes ausdrücken soll als "unwissenheit, unklarheit, verzweiflung" etc. es geht ja um widerspruch, um these und antithese im kopfe allein.und auch die langwierigkeit, die der text möglicherweise ausstrahlt - so wurde ich zumindest kritisiert - beschreibt ja denn tatsächlich langwierigen vorgang der unwissenheit, des zögerns, des in-sich-gefangen-seins.
er beschreibt ja nicht mehr, als die suche nach etwas, das nicht zu finden ist, nämlich nahc einer konkreten antwort auf eine unkonkrete frage.
also, vl lässt du dich ja dazu hinreißen, den text doch zu lesen, und vl gefällt er ja auch, mit diesen interpretatorischen spitzfindigkeiten, wenn man so will.

also nochmal: keineswegs will ich handlungsstarkes als geistesarm abstempeln, aber wenn es um einen rein geistigen vorgang geht, so ist es doch alles andere als zielführend, all dies in einen handlungsrahmen zu basteln, vor allem in KURZPROSA.

lg
 
hallo ledsgo,

ich habe deinen text gelesen und denke das du ein gutes talent zum schreiben entwickelst. an der art wie du schreibst glaube ich zu erkennen das du
a. noch sehr jung bist.
b. dich psychologisch und philosphisch derzeit intensiv beschäftigst
c. noch nicht weißt wie man thematisch auf den
punkt kommt.

da wir als leser aber keinen film sehen, wünschen wir uns sehr das durch worte ein kopfkino ausgelöst wird.
dein text aber ist viel zu langatmig und er kommt nicht auf den punkt.
ganz sicher hast du eine wertvolle aussage, die du aber durch schwulstige überzogene aussagen und viele worte sehr verwässerst. ich habe mir erlaubt den ersten abschnitt deines textes etwas mehr auf den punkt zu bringen. dies ist als anregung gemeint. ich persönlich würde einen solchen text erst gar nicht schreiben.

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Ein unsicherer Blick nach hinten, in die Ferne, wo die ausbleibende Gefolgschaft steht, als gäbe es nichts besonderes, dabei sind sie immer noch, ganz hinten, dort, wo er nicht mehr sein wollte, wovon sich selbst zu befreien es ihn innerlich drängte.
Dieser Blick nach hinten realisiert: der Abstand zu seinen Liebsten ist groß, er fühlt sich irgendwie befreit, doch auch unsicher.
Ein Zurück gibt es nicht. Niemand kann zurück; in die Vergangenheit weil er die Zukunft fürchtet. Ein letzter Blick, auf die Kurven, die Berge und Täler der Vergangenheit, auf die Hochs und Tiefs, eines halben Lebens.
usw. ...

gruß heike
 
P

Pete

Gast
Ich habe mir schwer getan, den monolithischen Text überhaupt zu lesen, dann wollte ich wissen, worauf er hinausläuft.

Form und Inhalt stimmen überein: Grabsteinformat! Der Protagonist ist genauso unbeweglich wie ein steinernes Monument.

Die Sprache verdeutlicht den inneren Monolog, der sich in einer Endlosschleife befindet: Überschlagende Gedanken drehen sich im Kreis.

Von daher gelingt es Dir, eine Momentaufnahme eines jungen Geistes einzufangen.

Damit das ganze aber lesbarer wird, könntest Du noch ein bisschen feilen. Auf dieser Seite sind bereits einige Anregungen geliefert worden.

Ich liefere Dir ein Rezept, das todsicher wirkt.

Willste lesen?

Mach einfach folgendes: Kürze auf halbe Buchstabenanzahl, ohne die Aussage zu verändern! Dann könnte es richtig gut werden.
 

chrissieanne

Mitglied
denn warten, das meint immer Vollkommenheit zu suchen, die es nicht gibt, und doch, es ist ihm lieber, zu warten, als von seiner Freiheit gebrauch zu machen.
das finde ich großartig, spricht mir aus der seele. wie der ganze text mich anspricht. (auch wenn das ein oder andere... aber wir sind nun mal keine grandiosen perfekten schriftsteller)
ich hab nicht das gefühl, dass hier ein sehr junger mensch schreibt. ganz im gegenteil. eher einer in der guten mitte des lebens, der sich sein leben lang mit dieser not des alleingelassenseins im ewigen entscheidungszwang angesichts unendlichster möglichkeiten des lebens, welche sein schicksal bestimmen werden,je nachdem wie er sich entscheidet, auseinandersetzt. und sich an die jugendzeit erinnert, als dieses dilemma seinen bewußten gang nahm.
lieber warten, als die falsche entscheidung zu treffen. leider ist warten auch eine entscheidung, die ihre folgen haben wird. das weiß der prot. auch ganz genau.
warten heißt sich ausklinken. warten heißt meist einzelgängertum.
warten ist nicht gleich warten. jeder wartet anders.
und angst vor der faschen entscheidung heißt schon falsche entscheidungen gefällt zu haben. auch das warten kann die falsche entscheidung sein usw. und auch im warten tut man irgendetwas, das man vorher entscheidet. und sei es die glotze anzustellen oder nicht.
es ist eine krux.
gerne gelesen
gruss
chrissieanne
 

ledsgo

Mitglied
danke für die netten worte, ist ja an und für sich kein text für große leserschaften, freut mich also umso mehr, dass sich jemand in der situation erkennt, die ich skizzieren wollte...

lg ledsgo
 



 
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