Von Tulpen, Fritten und sonstigen Verirrungen

Fledder

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Es war kurz vor Ostern und von Frühlingsgefühlen konnte nicht die Rede sein. In ganz Deutschland regnete, nieselte, hagelte und graupelte es und die Temperaturen lagen um den Gefrierpunkt - genau wie unsere Laune. Abhilfe würde nur ein Kurzurlaub schaffen. Wir wollten nicht allzu weit reisen, denn aufgrund unserer Orientierungsschwierigkeiten auf Autobahnen hatten wir nicht vor, unsere Nerven und unser alterndes Auto allzu sehr zu strapazieren. Wir verfahren uns grundsätzlich – völlig gleich, wohin wir fahren. Planen wir einen schönen Nachmittag an einem See im nicht weit entfernten Nachbarort, finden wir uns garantiert an einem anderen Ort wieder. Ich weiß nicht, woran es liegt; unser Auto ist vollgestopft mit diversen Landkarten und Stadtplänen. Vor jeder Fahrt wird die Route festgelegt und ich als Beifahrerin komme mit auf den Knien ausgebreiteten Plan in den Genuss, den Weg zu weisen. Überflüssig zu erwähnen, dass ich das Kartenlese ncht allzu gut beherrsche, denn die abstrakten Striche verwirren mich meist derart, dass ich irgendwann noch nicht einmal weiß, wo wir eigentlich herkamen.

Mein Gatte nimmt dies mit kühler Gelassenheit hin, er selbst beherrscht auch nicht die Kunst des Kartenlesens – ihn verläßt sogar die Geduld allein beim Auffalten der Karte. So weise ich uns immer den Weg und nach zigmaligen Hin- und Herdrehen der Karte kommt es oft vor, dass ich sie völlig desillusioniert zerknülle und auf den Rücksitz werfe. Wir fahren dann nach Gefühl und Intuition. Dabei sehen wir auch viel mehr von der Natur als wenn man stets starr auf die Karte stiert.

Für unseren Kurzurlaub bot sich das nah gelegene Holland da direkt an und mir fiel spontan der Ort ein, den ich früher bereits einmal besucht hatte. Es sollte also keine Schwierigkeiten bereiten, diesen Ort wiederzufinden.

Dank der technischen Errungenschaft des Internets suchte ich verschiedene Quartiere in diesem Ort aus und stellte fest, dass es zu der Vorosterzeit unverhältnismäßig teuer war, dort zu nächtigen. Größtenteils waren auch die Quartiere ausgebucht, die für uns in Frage kamen. Ein netter Vermieter, der selbst keine Ferienwohnung mehr bei sich frei hatte, nannte uns jedoch eine Familie, die uns sicherlich noch unterbringen könne. Leider gab es keine Fotos oder Beschreibungen von der Unterkunft, aber es war uns im Endeffekt gleich, Hauptsache wir würden irgendwo unterkommen, und allzu schlimm könne es ja schließlich nicht werden.

Wir freuten uns und wollten drei Tage Übernachtungen in einem Bungalow buchen. Dieses Vorhaben stellte sich gar nicht als so einfach dar, denn ich rief die holländische Vermieterfamilie an und fragte, ob sie noch etwas frei hätte, man habe sie empfohlen. "Jo", meinte der Vermieter am Telefon und sagte dann nichts mehr.

"Jo.", meinte ich dann auch und nannte ihm den Termin der Anreise. "Jo", entgegnete er wiederum -weder freudig überrascht noch unfreundlich.

Ich fragte, ob er denn nicht wenigstens unsere Anschrift und die Telefonnummer benötige. "Jo!", wiederholte sich der Vermieter und ich nannte ihm das Gewünschte. Dann war es wieder ruhig im Hörer. Ob ich noch einmal ein paar Tage vor der Anreise bei ihm anrufen solle, fragte ich ihn, um die Anreise zu bestätigen?! Was sollte schon anderes kommen als "jo"... Daraufhin legte ich ein wenig beunruhigt den Hörer auf und sah uns schon mit Sack und Pack vor dem bereits an andere Gäste vermieteten Bungalow stehen.

Auf jeden Fall waren nun drei Tage Übernachtungen in einem Bungalow in Holland gebucht. Ich freute mich sehr und konnte den Tag der Abreise gar nicht erwarten. Das Wetter hier wurde immer schlimmer aber gerade diese Ecke Hollands, in die wir reisen wollten, war bekannt für ewig schönes Wetter. Selbst wenn ringsherum schlechtes Wetter herrschte, dort war es IMMER schön. Natürlich benötigten wir dann auch keine Regensachen etc. Das schlossen wir von vorne herein aus.

Endlich kam der Tag der Abreise und wir fuhren schon sehr früh morgens los, denn man konnte ja nie wissen. Normalerweise beträgt die Fahrt drei Stunden, so dass wir noch zum Frühstück dort ankommen würden. Dann stellten wir uns vor, dass wir schnell unsere Sachen auspacken, am Meer entlangspazieren und uns die Sonne auf das Antlitz scheinen lassen würden.

Wir kamen auch planmäßig auf der Autobahn voran. Aufgrund unserer ewigen Verfahrerei hatte ich mir selbstverständlich die Route ausgedruckt und zusätzlich noch jemanden gefragt, der sich damit auskennt, meinen Vater. Er nannte mir die Städte, an denen wir unweigerlich vorbeifahren mußten. Wenn nicht, dann wären wir falsch gefahren. Mit der Route und der Stadtliste auf meinem Schoß dirigierte ich uns Richtung Holland - so dachte ich. Bisher stimmte unsere Fahrtrichtung auch mit den Aufzeichnungen auf meinem Schoß überein, doch plötzlich traten Differenzen ein. Sicherlich hatte ich mich vertan, denn auch eine Route mußte richtig gelesen werden. Und mein Vater könnte auch einmal irren und eine Stadt vergessen...

So fuhren wir unbeirrt weiter und weiter und überfuhren die Grenze Belgien.
Natürlich gelang man auch über Belgien an unser Ziel, das wußte ich wohl und auch mein Gatte konnte sich aus alten Fußballzeiten erinnern, dass er einst über Belgien zu einem Fußballspiel nach Holland gefahren war. Schließlich fanden wir auch ein Schild, auf dem wieder ein Name einer holländischen Ortschaft erschien, den ich von meinen Schoßaufzeichnungen wiederkannte.

Wir kamen dann später ohne weitere Umwege in unserem Ort an. Es regnete Bindfäden und es war bitterkalt. Aber gerade dort in dieser Ecke Hollands, verzieht sich der Regen oft sehr schnell und die Sonne kommt dann doppelt so stark heraus.
Wir fanden auch sofort den Vermieter, der uns freundlich begrüßte und uns nicht ohne Stolz in seinen Garagenhof im unaufgeräumten Hinterhof dirigierte. Ich freute mich schon, dass er nicht total überrascht von unserer Ankunft war und uns nicht etwa fragte, was wir denn wollten. Er hatte also mit uns gerechnet und augenscheinlich auch eine Bleibe für uns frei. Er blieb nämlich auf seinem Hinterhof vor einer Garage stehen und öffnete uns eine Tür zu etwas und wünschte uns schönen Urlaub - und entschwand.

Eine Garage? In einer Garage sollten wir wohnen? Das zu diesem Preis, den ich hier erst gar nicht nennen möchte..!!!
Wir traten ein und verhedderten uns mit Koffer, Taschen und Haaren umständlich in dem Fliegenvorhang, der dort hing. Nachdem wir uns befreit hatten, sahen wir das ganze Ausmaß der Herrlichkeit. Das sollte unsere Bleibe sein, das war kein Scherz. Wir fielen von der Diele in die Küche.

Nein, es war keine Küche, es war das Wohnzimmer. Quadratisch, praktisch und gut stand dort eine Küchenzeile und ein Tisch mit einem orangfarbenen Plastiktischtuch und vier einfachen Holzstühlen. An der Wand gab es außerdem ein Regalbrett mit einem mikroskopisch kleinen Fernseher (ohne Fernbedienung). Die gemütliche Ausstrahlung des Wohnzimmers wurde durch zwei Sessel komplettiert, denen man ansah, dass man auf ihnen nicht länger als fünf Minuten sitzen konnte, ohne dass man Rückenschmerzen bekam. Außerdem konnte man von dort aus bestimmt nicht erkennen, was überhaupt im Mikro-Fernsehen lief.
Daneben ging es über in das Schlafzimmer, in denen zwei Betten standen, zwischen denen ein kleiner Schemel als Nachtisch diente. Die Krönung der schönsten Stunden sahen wir allerdings erst abends. Bei Betätigung des Lichtschalters erhellte eine Lampe das Zimmer und warf einen grellen gelben Lichtschein mit 350 Watt in den Raum. Dieses Licht erinnerte mich an fiebrige Träume. Es war eine Lampe, die zwischen den Betten angebracht war. Da hatte sich jemand handwerklich kreativ geschickt angestellt. Mit der Laubsäge hatte jemand eine Sonne aus Sperrholz gesägt und angemalt. Davor stand eine gelbe Birne nackt in einer Halterung, die wild in sich hin und herflackerte.

Das unbeheizte dunkelgrüne Badezimmer bestand aus einem Rohr, welches aus der Wand kam und als Dusche diente und einem kleinem Waschbecken und natürlich der Toilette. Wenn man duschen wollte, dann lief man in Gefahr, dass das Wasser bis ins Schlafzimmer läuft, aber das sollte ja nicht unser Problem sein. Alles in allem war es die ungemütlichste Unterkunft, die ich gesehen habe.

Mein Gatte ließ sich wortlos in einen der Sperrmüllsessel fallen und starrte mürrisch auf eine - zugegebenermaßen schäbige - Vase, der einzige Schmuck im Wohnzimmer-Küchenbereich. Ich ignorierte dieses Verhalten, denn schließlich wollten wir unseren Urlaub nicht in dieser Unterkunft verbringen, sondern draußen an Wind, Sonne und Luft. Schnell verstauten wir unsere Sachen und wollten die nähere Umgebung erkunden.
Es regnete immer noch und dazu war nun auch noch Sturm aufgezogen. Wir erinnerten uns an unsere Regensachen, aber nun war es zu spät. Sie lagen zu Hause.

Wir gingen los zum nahe gelegenen Meer. Auf dem Weg dorthin mußten wir wieder umkehren, damit ich mir noch schnell Mütze und Schal aus unserem "Bungalow" holen konnte, da mir sonst mindestens meine Ohren vor Kälte abgefallen wären. Wir sahen dann das wilde Meer, grau und voller Schaumkronen und sonst war weit und breit keine Menschenseele zu sehen. Natürlich warteten alle, bis sich der Regen und der Sturm verzogen würde, dann würden sie sich alle wieder am Strand tummeln. Das altbekannte Bild: Eisbekleckerte Kinder mit Schäufelchen, Strandburgen, schimpfende Eltern, verliebte Pärchen, schreiende Möven...

Ich war meinerseits schon einmal zufrieden, denn ich habe das Meer gesehen, was mir persönlich immer viel wert ist. Der Regen hatte immer noch nicht nachgelassen und so gingen wir wieder in den Ort, um zu sehen, was es dort noch zu sehen gab. Es gab nichts zu sehen. Ein paar Souvenierläden hatten geöffnet und boten uns Schutz vor dem Regen. Es standen dort Gummistiefel und Regenschirme anstatt Schwimmreifen und Förmchen in den Auslagen. Das gab uns zu denken. Sollte der Regen noch länger andauern?

Ab und zu stieß ich meinen Gatten in die Rippen - sag doch auch mal was... Er sprach nicht mehr.
Seit unserer Ankunft im "Bungalow" war er sehr einsilbrig. Sicherlich hatte er Hunger oder war müde - oder beides. Dann spricht er nämlich nicht mehr. Schnell war auch ein Imbiss gefunden, in denen es Fritten gab. Fritten spezial mögen wir sehr gerne und wir orderten gleich eine große Portion. Mißmutig machte uns auch der Imbissangestellte das Gewünschte fertig - er hatte bei dem grauen Wetter auch seine gute Laune verloren. Wortlos aßen wir unsere Fritten und schauten in das Grau-in-Grau des Örtchens. Was könnte man nun bloß unternehmen?! Ob mein Gatte müde wäre, fragte ich ihn. Er schüttelte den Kopf. Natürlich war er totmüde, wollte es wohl nicht zugeben.

Da wir das Örtchen nun schon nach einer Stunde in- und auswendig kannten, schlug ich vor, an einen anderen Ort zu fahren und dort einen schönen heißen Kaffee zu trinken. Ich kannte da ein tolles Bistro. Man saß dort direkt am Meer und konnte bei klassischer Musik in die Wellen schauen. Schön ruhig war es damals dort gewesen, zivile Preise und nette Bedienung. Angetan von dieser Idee starteten wir los zum nächsten Ort und fanden dann auch gleich dieses Bistro am Meer.

Wir kämpften uns durch die windigen, verschlammten Dünen zu dem Bistro am Meer durch und stießen atemlos die Tür auf. Uns schlug Kindergeschrei entgegen, wie es nur von mindestens drei kompletten Kindergärten stammen könnte. HIER waren sie also die Menschen! Hier hielten sie sich also auf.
Hier warteten komplette Generationen darauf, dass der Regen aufhört und die Sonne zum Vorschein kommt. Die Bedienung huschte komplett entnervt zwischen Kindern in verschiedenen Gruppen auf dem Boden hin und her, stolperte hier und da über Dreiräder und Trecker, kickte Förmchen und Schüppchen durch den Saal und war nicht ganz positiv drauf.

Wir verzogen uns in die hinterste Ecke und orderten erst mal einen großen Kaffee. Ich mußte meinen Gatten anbrüllen, damit er mich verstand vor lauter Geschrei. Schön, sei es hier, schrie ich verzweifelt. Natürlich war es weder schön noch ruhig. Wir stellten dann unsere Gespräche ein, weil es unsere Stimmbänder allzusehr strapazieren würde und begnügten uns mit Augenrollen und Kaffeetrinken. Ich hatte Gelegenheit, die anderen Gäste zu beobachten. Hier und da saßen Eltern wildverstreut in dicken Pullovern herum, die ab und zu einmal eines ihrer Kinder zu Ruhe ermahnten, anbrüllten und schrien, was aber nichts nutzte. Andere Eltern saßen ruhig in ihren Stühlen, starrten auf ihre Zöglinge ohne zu sehen, dass sie versuchten, andere Zöglinge mit Sand zu füttern oder mit ihren Schüppchen zu hauen. Andere Kinder warfen sich zwischen die Füße der wieselnden Bedienung oder hatten ihre Freude daran, mit Tischen und Stühlen Höhlen zu bauen. Die Eltern konnte dies nicht schocken. Vielleicht taten sie auch so, als ob die Kinder nicht zu ihnen gehören würden - oder sie hatten einfach nur Urlaub, man weiß es nicht.
13 Gulden für zwei Kaffee erschien uns dann etwas überteuert und wir verließen gleichzeitig mit unseren Nerven dieses Etablissement.

Zurückgekehrt in unseren Ort hungerte uns nach fester Nahrung. Mein Gatte gab noch immer nicht zu, müde zu sein. Er sprach mittlerweile immer noch nicht und gab dann und wann mal ein unwirsches "hmm" zur Kenntnis. Schnell fanden wir eine Pizzeria, denn die holländische Küche sagt uns nicht unbedingt zu. Pizza ist unverfänglich und macht satt.

Da es immer noch ununterbrochen regnete und es eh schon Abend war, gingen wir zurück in unsere Behausung und wollten es uns - soweit es geht gemütlich machen. Wir setzten uns in die zwei Fernsehstühle und konnten kaum sehen, was in dem Mikro-Fernseher vor sich ging, als mir DIE Idee kam.

Wir waren es gewohnt vom Bett fernzusehen, bevor wir einschlafen, aber das war ja dort nicht machbar. Ich kam also auf die Idee, die zwei Betten in die Küche zu rücken, damit wir es ein kleines bißchen gemütlicher hatten. Im Schlafzimmer war es schießlich auch bitterkalt, weil die einzige Heizung in dem Küchen-Wohnzimmer installiert war. "Hm", meinte mein Gatte und ging mir schon geringfügig damit auf den Nerv. Man mußte doch einfach nur das beste daraus machen...


Im Schein der gelben Sonnenkerze bauten wir komplett die Bude um, so dass die Betten nun neben Herd und Kühlschrank standen - also mitten in der Küche, wir aber wengistens vom Bett aus fernsehen konnten. Es war nun mittlerweile kurz vor Mitternacht und wir bekamen von Ungemütlichkeit kein Auge zu, als furchtbare Geräusche erklangen. Vor unserem Bungalow hatte ein Jugendlicher plötzlich die Idee gehabt, sein Mofa zu reparieren. Mitten in der Nacht. Nun gut, der Junge konnte ja nicht ahnen, dass dort Leute eingezogen waren, die dort eventuell schlafen wollten. Und schließlich waren wir ja nur zu Gast in dem Garagenhof. Es wollte kein Ende nehmen mit dem rrrrängrrräääännnngggääääääännnnggg und rupprupprupp.

"Hm",meinte mein Gatte und ich konnte nicht deuten, wie er dieses "Hm" meinte. War er sauer, war er enttäuscht oder hatte er inzwischen mit allem abgeschlossen?! Oder stand er kurz davor, die Tür aufzureißen und dem Mofa-Mann den Lenker in den Auspuff zu stopfen?! Der Mofa-Mann für seinen Teil hatte wohl etwas geahnt und es herrschte plötzliche Stille im Garagenhof. Ich war sehr erleichtert und nahm mir vor, am nächsten Tag diesem Urlaub ein Ende zu setzen. Ich hatte keine Lust mehr auf "hm"´s und "rrrrännngggääng-rupprupp"´s. Und ich hatte keine Lust mehr auf diese Bleibe und das Wetter. Das teile ich meinem Gatten dann auch mit, es war mir egal, ob jetzt wieder ein "hm" käme, ich wollte nicht mehr bleiben. Mein Gatte schien sehr erleichert und sprach von nun an wieder.

Er sprach, dass es ihm wirklich nicht gefallen würde und er froh sei, wenn wir wieder weg wären - er mir aber den Urlaub nicht vermiesen wollte. Aber erleichtert über unseren Entschluss abzureisen, war er. Gut!

Irgendwann schliefen wir dann auch ein. Ab und zu wurde ich wach - exakt alle 30 Minuten, weil der Kühlschrank mit einem furchtbaren Rappeln ansprang. Dann gegen 7.00 Uhr ertönte wieder das räänggggräääänggggääänngggg und rupp-rupp und bestärkte mich wieder in unser Vorhaben, abzureisen. Da stand dieser Mofa-Mann wieder vor unserem Fenster und drosch wieder auf sein Mofa ein. Zwischendurch wieder klägliche Startversuche, die scheiterten, rupp-rupp, und weiter ging es. Ränngggäänngggg...

Es regnete natürlich immer noch und es stürmte noch mehr als am Tag zuvor. Nur, wie konnten wir aus unserem Dreitages-Vertrag heraus?! Schließlich hatten wir doch fest gebucht. Und nun wollten wir nach nur einer Übernachtung wieder fort?

Uns fiel spontan unser alter Kater ein, dem es nicht gut ging. Wir mußten noch nicht einmal lügen. Kurz vor unserem Urlaubsantritt stand es sehr schlecht um ihn und es stellte sich heraus, dass er hochgradig zuckerkrank ist und ich ihm jeden Tag Insulin spritzen mußte. Danach wollten wir sofort nach unserem Kurzurlaub beginnen. Ihn schoben wir vor, uns begründeten unsere Abreise mit der Erkrankung unseres Katers.
Der Vermieter kam uns auch entgegen und wir konnten uns einigen. Schnell war alles verstaut und wir vermißten unseren alten Kater nun auch wirklich und wollten nach Hause.

So fuhren wir los und kamen spontan auf die Idee, auf dem Rückweg unsere Freunde zu besuchen. Diese weilten zur gleichen Zeit auf einem nahegelegenen Campingplatz und würden sich sicherlich auch langweilen bei dem Wetter. Den Weg dort hin kannten wir und wir fanden auch den Campingplatz. Jedoch war keiner unserer Freunde zu sehen, sicherlich waren sie auch schon abgereist, der Wetterbericht sagte auch keine Besserung voraus. Und mit zwei Kindern im Wohnwagen war es auch kein Zuckerschlecken. So hatten wir Pech und machten uns nun wirklich auf die Heimreise.

Wir fuhren kreuz und quer und hin und her und fanden erst nach zwei Stunden die Autobahn. Aber wir waren frohen Mutes, schließlich freuten wir uns schon auf unser gemütliches Heim. Wir erreichten schnell Belgien. Das war eigentlich ungewöhnlich, aber schließlich sind wir auch auch dem Hinweg über Belgien gekommen - warum auch nicht auf dem Rückweg. Ich hatte natürlich nur für die Hinreise eine Routenplanung vorbereitet – denn nach Hause findet man schließlich immer.

Leider stand nirgendwo ein Schild mit einem bekannten Ort und wir wußten nicht, in welche Richtung wir fahren sollten.
Ostende las ich endlich auf einem Schild. Von Ostende wußte ich, dass dieser Ort am Ende von Belgien liegt, da mußten wir hin. Wir fuhren und fuhren und fuhren endlich den Tank leer. Schnell tauschten wir noch einige Gulden in Belgische Franc um und fuhren weiter. Je weiter wir vorankamen, desto besser wurde das Wetter und unsere Laune steigerte sich schlagartig.

Wir fuhren, bis wir das Schild sahen "Fähre Oostende-Dover"! "Ach", gab ich kleinlaut zu, "das war das falsche Ende Belgiens".

Das kann man doch keinem erzählen... Nun, da wir ja flexibel sind, besuchten wir auch Ostende und stellten fest, dass dies ein sehr netter Ort ist. Wir waren ganz überrascht, wie schön diese belgische Stadt ist. Und das Wetter war auch zum "Eierlegen". Keine Wolke am Himmel und strahlender Sonnenschein. Hier gefiel es uns - wir mußten nur aufpassen, dass wir nicht plötzlich auf der Fähre nach Dover-England standen. Aber DAS ist uns nicht passiert.

Wir schauten uns Ostende an und stießen sogar auf Treibsand in den Dünen. Dann kamen wir auf die Idee, einfach immer am Meer entlang zu fahren, um zu sehen, wie die anderen Orte aussehen. Schließlich hatten wir ja noch Zeit und Geld hatten wir auch noch, so dass wir auch spontan noch eimal in Belgien übernachten könnten.

An einer Straße fanden wir auch die typischen Pommes Frites, die in Belgien besonders schmackhaft sind. Natürlich mußten wir diese „Nationalspeise“ auch probieren und fuhren so den Imbißstand an.
Ein dicker Koch stand in der kleinen Imbißbude und schaufelte Pommes Frites von links nach rechts und von rechts nach links. Es duftete nach köstlichen Pommes. Wir schauten auf die Preisliste, wo nichts von „Pommes Frites“, sondern von „Frieten“ stand. Sicherlich würden wir den Koch mit unserem „2 x Pommes, bitte“ verwirren. Er würde uns sicherlich nicht verstehen, wenn wir um Pommes bitten würden. Wir sprachen schließlich kein französisch und er kein Deutsch. Und wenn die Pommes in Belgien „Frieten“ heißen: Bitte!

Ich nahm allen Mut zusammen und bat: „Bitte 2 x Friiiiiieeeeten!“
„Ah“, brüllte der Koch, „zwei Pommes, alles klar!“
Rot vor Scham schlichen wir mit unseren Friiiieeeten-Pommes an ein Tischchen, um uns dort an ihnen zu laben. Sie waren wirklich hervorragend!

Wir sahen wunderbare Örtchen und das Meer war toll und je weiter wir kamen, desto südländischer wurden die Örtchen. Ich war vollends begeistert.

Dann erschien das Schild "France" und wir waren in Frankreich. Klar, das mußte ja auch noch sein. Wenn wir einmal hier waren, dann mußten wir auch nach Frankreich.


Wir bekamen einen Lachkrampf, weil es echt zu verrückt war, auf der Rückreise von Holland nach Düsseldorf in Frankreich auszukommen. Wir sahen uns schon in Malaga die Fähre nach Marokko nehmen... Aber davon hielten wir Abstand und fuhren nur ein kurzes Stück nach Frankreich hinein. Denn dort gab es ja Autobahngebühren und wir wollten nicht auch noch Französische Franc umtauschen. Wir machten dann Halt in einem Örtchen in Belgien, direkt an der Grenze und tankten noch etwas Sonne.
Wir spazierten durch die wunderschönen Dünen und beglückwünschten uns zu unserer Irrfahrt. Sonst hätten wir sicherlich nicht diese netten Orte gesehen.

Nun fuhren allerdings wirklich Richtung Heimat. Wir sahen zwischendurch ein Schild "Gent". Gent soll auch sehr schön sein, sagte ich und wir fuhren von der Autobahn ab, um uns Gent anzusehen. Wir hatten ja noch Zeit. Die Belgier fuhren wie die Franzosen und es war schon ein wenig anstrengend, überall Augen zu haben. Plötzlich stand vor uns ein Schild und wir beide können ja kein Wort französisch oder belgisch oder flämisch - was immer es war. So ignorierten wir es einfach.
Ein wunderschönes Gebäude erschien vor unseren Augen und wir hatten gar keine Zeit richtig zu staunen, als sich eine Politesse vor unseren Wagen warf. Hier dürfen wir nicht fahren, sagte sie auf englisch. Hier ist Fußgängerzone! Oje, wir fuhren mitten durch die Genter Fußgängerzone und bemerkten es nicht einmal. Ich konnte die Dame überzeugen, dass wir auf dem Weg nach Deutschland seien und die Autobahn suchten.
Sie war sehr nett und verständnisvoll und gab und kein Protokoll, aber die Wegbeschreibung zur Autobahn. Dankend verließen wir Gent, um uns dann wieder auf der Autobahn wiederzufinden.

Uns hungerte wieder und wir hatten vor, an der nächsten Raststätte anzuhalten, um etwas zu uns zu nehmen. An der Ausfahrt "Raststätte" führen wir ab und fanden uns in irgendeiner Ortschaft wieder. Hatten wir die falsche Ausfahrt genommen?

Wir kurvten hin und her und fanden durch Zufall wieder unsere Autobahn wieder. Es war schon seltsam. Die Raststätte konnte man von der Autobahn aus sehen, aber nicht erreichen. Na, wir wollten dann die nächste Raststätte anfahren, da wir mittlerweile wieder dringend tanken mußten.

An der nächsten Raststätte und Tankstelle fuhren wir auch wieder freudestrahlend vorbei, weil wir die Ausfahrt verpaßten. Konnten wir so dämlich sein?!
Wir schimpften auf die Belgier, die die Beschilderung so undeutlich stellten. Doch tanken mußten wir sehr dringend, so dass wir wieder einmal von der Bahn mußten, um in einem Ort zu tanken. Dort verfuhren wir wieder uns heillos und fanden nach langem anstrengenden Suchen aber wieder unsere Autobahn und hofften, die richtige Richtigung eingeschlagen zu haben. Es wurde dunkel, als wir endlich wieder bekannte Ortsnamen sahen.

Zu später Nacht erreichten wir erschöpft aber glücklich wieder unser Heim.

Ich bin froh, dass wir uns so nett verfahren haben. Nun haben wir ein neues Reiseziel, Belgien. Die netten Örtchen haben es uns angetan und der nächste Kurzurlaub kommt bestimmt...
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hallo,

das ist ein entzückender reisebericht. danke, daß du uns teilhaben ließest. ganz lieb grüßt
 



 
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