WTH

schreibfuchs

Mitglied
Der Wunschtraum- Haarschnitt


Seit langem schon lag ich meiner Freundin Ines in den Ohren, daß sie sich ihr Haar so schneiden lassen möge, wie ich es gern hätte.
Ihr Haar nämlich, daß in seinen Grundzug und Farbe eigentlich nicht schlecht ist, sollte (nach meinen Vorstellungen) ein klein wenig anders geschnitten und gestylt werden.
Ein klein wenig kürzer also, aber dafür (wie ich glaubte) um ein vielfaches attraktiver.
Kurz und gut:
Ich hatte mir (in einem meiner Wunschträume) eingebildet, daß sie sich ihr Haar, etwa auf Igelschnittlänge, schneiden lassen würde. Mir schwebte dabei der klassische Rundschnitt vor, dessen vorderer Abschluß eine kleine Spitze (wie bei einem gleichschenkligen Dreieck) bilden sollte.
Eine Spitze also, die sich, und (davon war ich felsenfest überzeugt) auf ihrer Stirn geradezu spitzbübisch über ihren braunen Rehaugen ausnehmen würde.
Dabei käme ihr herrliches und über die Maßen dichtes Haar, das sie dann nicht mehr zur Seite zu kämmen bräuchte, soweit zur Geltung, daß neben der unfehlbaren Wirkung der beiden winzig, verschmitzten Geheimratsecken eine unheimlich erotische Ausstrahlung entstünde...
Grad so, wie bei Till Eulenspiegel der Hauptfigur meiner Lieblingsgeschichte, oder wie bei Gabriele Krone Schmalz meiner ehemaligen Lieblingskorrespondentin aus dem Fernsehen.
Aber was solls:
Alle Argumente die ich auf höchst sachlicher Ebene vorgebracht, und ihr plastisch vor Augen geführt hatte, waren von ihr abgeglitten, wie besagter Eulenspiegel beim Versuch eines Seiltanzes.
Das wohl trefflichste und schon mal aufgeführte Argument, nämlich daß sie außerordentlich dichtes Haupthaar besäße, und zu dem ein Gesicht, das nach so einem Schnitt geradezu verlangen würde, ließ sie einfach nicht zu...
Sie ließ keines dieser vernüftigen Argumente zu, und beharrte permanent auf ihren, ich gebe es ja zu, modisch aktuell und gekämmten Schnitt ihres braunen, leicht gewellten Haares.
Wenn sie jedoch morgens, mit Besenstielen (wie sie ihre vom Schlafen verwirrten Haare selbst nannte) auf dem Kopf aufstand, mußte ich mir immer sehr große Mühe geben, meinem, zugegeben nicht gerade traurig wirkenden Gesichtsausdruck zu widerstehen, und ihn nicht noch mit sinnfälligen Bemerkung praktisch zu unterstreichen.
Aber das gelang mir leider nicht immer.
Wenn sie dann, getrieben von meiner, auf sie wohl frech wirkenden Fröhlichkeit ins Bad preschte, um ihre Besenstiele mittels Haargel und Fönkamm zu bekämpfen, schlug in aller Regel meine große Stunde...!
Neulich schlug sie wieder, diese Stunde.
Doch kurze Zeit später wünschte ich sie hätte es nicht getan. Denn als ich mit dem unschultigsten Gesicht aller Zeiten wieder auf ihren Haarschnitt zu sprechen kam, blitzte es in ihren Augen kampfeslustig auf und sie sagte in einem mir unbekannten, fast zornigem Ton:
„Wenn ich dann die Eulenspiegelfrisur habe, hängst Du mir sicherlich Schellen und Glöckchen um, und ich darf auf einem Seil über die Saale gehen, oder aber Eulen und Meerkatzen backen!“
Volltreffer - hart und gnadenlos.
Mehr noch als die eben verklungenen Worte störte mich die Tatsache, daß sie von nun an schmollte.
Für mich bot sich, neben einer leisen Demut die ich verspürte, Raum und Gelegenheit, um nüchtern über ihre Argumente nachzudenken...
Und was soll ich sagen:
Es fruchtete. Schon nach einer kurzen Zeit hatte ich genug nachgedacht und schwor ich mir, sie künftig nie wieder mit einer Frisur zu bedrängen, die auch nur den Anschein eines Till Eulenspiegel in sich trägt.
Von meiner Nachsicht, die jedoch mächtig an meinem Ego knapperte, einigermaßen beruhigt, öffnete ich mir eine Flasche Bier, setzte mich auf die Couch und schaltete unseren Fernseher ein.

Glücklicherweise lief gerade mein Lieblingskrimi mit Kojak, diesem kahlköpfigen Amerikaner, der heute noch mein Lieblingsschauspieler ist...
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
die

pointe sitzt! für alle, die sie etwa nicht gesehen haben: der prot spielt mit dem gedanken, dass seine freundin sich eine glatze scheren lassen könnte.
zwei kleine tippfehler: unschultigst - unschuldigst, knapperte - knabberte.
lg
 

sabiko

Mitglied
Hallo Schreibfuchs,

Deine Pointe ist zwar an mir vorübergegangen, aber dennoch fand ich den Text leicht lesbar. Bin auf jeden Fall bis zum Ende dabeigeblieben, auch wenn ich an Stellen wie "Neulich schlug sie wieder, diese Stunde" doch eher einen spritzigen Disput zwischen Dir und Deiner Angebeteten erwartet hätte.

Auf jeden Fall werde ich den nächsten Kojak nicht mehr wegzappen sondern ansehen!

Viele Grüße
Sabiko
 



 
Oben Unten