Wahrheitssuche

3,80 Stern(e) 4 Bewertungen

Lauren

Mitglied
Wahrheitssuche

Warum schleichst du eigentlich die ganze Zeit hier herum?“, fragte der Mann im grauen Arbeitsmantel, während er Bierkästen aufeinander stapelte.
„Och, nur so.“ Tom stand an der Schwelle zur Halle, die Hände in den Hosentaschen.
„Warst du nicht gestern auch schon hier?“
„Hm.“
„Wenn du was kaufen willst, musst du nebenan in den Supermarkt.“
“Ich will nichts kaufen.“
Der Mann musterte Tom und schüttelte den Kopf: „Du kannst mir helfen, wenn du schon da bist.“
„Was soll ich machen?“
„Hier, die ganze Palette muss auf die Rampe geschlichtet werden, aber ordentlich!“
„Geht klar.“ Tom betrat endgültig die Halle und half mit, den Gabelstapler abzuladen.
„Arbeiten Sie schon lange hier?“, fragte er nach einer Weile .
„Erst ein paar Wochen. Warum willst du das wissen?“
„Hat keinen besonderen Grund“, antwortete Tom so beiläufig, wie möglich.
„Du bist mir vielleicht ein komischer Vogel. Hast` nichts Besseres zu tun, als im Supermarkt umsonst zu schuften?“ Er schaute Tom direkt an.
„Weiß nicht.“ Tom vermied den Blickkontakt und wuchtete einen Kasten nach oben.
Der Mann schüttelte ungläubig den Kopf.
Sie arbeiteten schweigend, bis alles abgeladen war.
„Hast du noch Lust?“, fragte der Mann dann und grinste.
„Ja, schon.“
„Hier, die Saftkästen da vorne müssen auf den Gabelstapler.“
„In Ordnung.“
„Bist du so´n Ding schon mal gefahren?“
„Wer ich? Nee!“
„Mach mal voran, dann zeig ich`s dir.“
„In Ordnung.“
Als Tom so weit war, erklärte der Mann ihm, wie der Gabelstapler funktioniert. Tom hatte den Dreh schnell raus: „Hey, cool!“, rief er, während er zwischen Türmen von Kästen durchmanövrierte.
„Fahr da rüber.“ Der Mann lief die ganze Zeit neben ihm her, bis sie ganz hinten in der Halle angekommen waren. „Okay! Jetzt anhalten und runter mit der Gabel…. Ja genau so. Und jetzt muss alles wieder abgeladen werden.“
Gemeinsam machten sie sich an die Arbeit. Tom reichte dem Mann die Kästen, der sie an der Rückwand stapelte.
„Was haben Sie gemacht, bevor Sie hier angefangen haben?“, fragte Tom irgendwann.
„Warum willst`n das schon wieder wissen?“
Tom schluckte: „Bin eben von Natur aus neugierig.“
„Dies und das, hab ich gemacht.“ Der Mann keuchte. „Bin zur See gefahren“, platzte es dann aus ihm heraus. „Auf Frachtschiffen. War überall: Hongkong, China, Afrika. Hab die ganze Welt gesehen. War ´ne tolle Zeit. Aber irgendwann hat man die Schnauze voll. Irgendwann will man einfach wieder nach Hause.“ Er breitete beide Arme aus und ließ seinen Blick über die Halle wandern, als ob sie sein zu Hause wäre.
„Wie lange waren Sie weg?“ Tom hielt den Atem an.
„14 Jahre.“
„Und Sie heißen wirklich Farmer?“
„Was ist das denn für ne blöde Frage? Steht doch hier.“ Er zeigte auf den eingenähten Namenszug auf seinem Arbeitsmantel.
„Meine Mutter kannte mal einen, der Farmer hieß.“
„Deine Mutter? Wie heißt die denn?“
„Inga Mentzel.“
Farmer überlegte: „Kenn ich nicht.“
Jetzt oder nie, dachte Tom und holte Luft: „Früher hieß sie Gebauer!“
„Inga Gebauer“, wiederholte Farmer langsam. Er stellte seinen Kasten ab. Dann richtete er sich auf und starrte Tom an. Diesmal hielt Tom seinem Blick stand.
„Wie alt bist du?“
„Dreizehn.“
Farmer setzte sich auf eine der Kisten und vergrub den Kopf in den Händen. „Mein Gott“, flüsterte er.
 

Retep

Mitglied
Guten Morgen Lauren,

gute Kurzgeschichte.
- keine Einleitung
- zwei Protagonisten stehen im Mittelpunkt
- chronologisches Erzählen im Präteritum (Dialog)
- wenig Handlung
- einfache Sprache
- im Laufe des Dialogs Hinweise auf die Pointe
- „Hat keinen besonderen Grund“, antwortete Tom so bei-
läufig [blue](kein Komma)[/blue] wie möglich.
- Tom vermied den Blickkontakt
- Wie lange waren Sie weg?“ Tom hielt den Atem an.
(Tom vermutet, dass es sich um seinen Vater handelt,Farmer
weiß noch nicht, worauf das Gespräch hinauslaufen
wird.)
- Pointe am Schluss des Textes.

Du verstehst es, Spannung aufzubauen, ich wusste zunächst nicht, wie die Geschichte enden würde.

Kleine Tippfehler:
- gesch[red]l[/red]ichtet
- wie der Gabelstapler funktioniert[blue]e[/blue].

Habe den Text gerne gelesen.

Gruß

Retep
 
hallo @Lauren

Ich kann mich da @Retep nur anschließen, weil du es geschafft hast, ein oft gelesenes Ereignis auf sehr schöne Art wiederzugeben. Ich mag die schlichte Darstellung in deiner Geschichte, das bringt sie sehr nahe.

Liebe Grüße Gernot
 
B

bluefin

Gast
ich schließ mich den beiden nicht an, lieber @lauren.

wir erfahren etwas über gabelstapler fahren, saftflaschen, supermärkte und namensschilder, auch der vorname des knaben wird genannt: tom, und dann, am ende, kommt das raus, was man ab der mitte schon vermutet: s'ist der sohn.

leider erfahren wir von den personen gar nichts, nicht mal die haarfarbe, was für stimmen sie haben und welche eindrücke sie aufeinander machen.

der text ist ungefähr so spannend und so ergreifend wie blättern in einem adressbuch oder straßenverzeichnis, in dem man fündig wird oder nicht. es ist allenfalls eine stoffsammlung für eine noch zu erzählende geschichte darüber, wie sich vater und sohn in einem getränkemarkt zum ersten mal begegnen.

wenigstens einer der beiden sollte sowas erkennen lassen wie ein gefühl, und der andere sollte irgenwann anfagen, etwas zu ahnen - nicht erst am schluss, wennn ihm ein name genannt wird.

tipp: sich in den knaben wirklich reinversetzen, @lauren, nicht bloß schildern, wie er rumsteht oder flaschen sortiert. irgendwas muss er doch denken, dabei, oder nicht? und auf das käm's dem leser an. nicht, ob schnaps oder bier in den flaschen ist.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 

FrankK

Mitglied
Hallo Lauren

Ohne viele Schnörkel und viel Tam-Tam führst Du den Leser durch die Geschichte.
Anfangs dachte ich, der Junge will Leergut klauen, dann dachte ich, er sucht `nen Job, dann kam mir die Idee, er ist der Sohn vom Chef und spielt den Aufpasser.
Erst kurz vor Schluss, als der Seemann zur Sprache kam, ahnte ich, worauf es hinausläuft.

Einzig dieser Crash-Kurs in Staplerfahren. Der Mann riskiert seinen Job, erst recht, wo er erst ein paar Wochen da ist. Obwohl er mit dem Jungen zu dem Zeitpunkt noch nichts anzufangen weiß (Im schlimmsten Fall hätte der Bengel den Gabelstapler auch einfach klauen können, Gas und weg).
Die Szene solltest Du vielleicht noch einmal überdenken.
Alles andere erscheint mir schlüssig.

Der Junge ist unsicher, geht die Sache vorsichtig an, tastet sich langsam vorwärts.
Der Mann ist unsicher, weiß nicht, was er von dem Burschen halten soll.
Das Ende kommt schön untheatralisch und daher um so glaubhafter.

Gerne gelesen.


Viele Grüße
Frank
 
S

suzah

Gast
hallo lauren,

die geschichte könnte tatsächlich noch einige kleine änderungen vertragen, damit sie noch besser wird.
ich hatte ähnliche eindrücke wie frankk. u.a. kann ich mir auch nicht vorstellen, dass der mann es riskiert, dem fremden jungen den gabelstapler anzuvertrauen.
ausserdem hat bluefin recht, ein wenig müsste von den gefühlen der prots durchschimmern, ahnt der mann nichts, was denkt der sohn, das liesse sich doch auch in wenigen worten andeuten.

liebe grüße suzah
 
hallo @suzah und @FrankK

Ich find das nicht so abwegig mit dem Gabelstapler. Es gibt doch genug verrückte Kerle, vielleicht auch etwas leichtsinnige.
Außerdem ist der Mann da jahrelang zur See gefahren, also ein Abenteurer auf jeden Fall, und dem Jungen hatte er das Staplerfahren ja gezeigt, also konnte er auch selbst einschätzen, ob dieser es konnte oder nicht, außerdem war er ständig in seiner Nähe, um eventuell einzugreifen.

Liebe Grüße Gernot
 

Lauren

Mitglied
Danke für Eure Kommentare.

Es ging mir beim Schreiben hauptsächlich darum, einen Dialog zu schreiben, da sind die Gefühle wohl etwas zu kurz gekommen.
Grundsätzlich gebe ich euch Recht.

LG
Lauren
 
B

bluefin

Gast
dialoge, lieber @lauren, führt man am besten dirket.

du kannst gut schreiben und hast gute ideen. ich bin sicher, du könntest die gefühle, die in einem jungen toben, wenn er glaubt, seinen vater zum ersten mal vor sich zu haben, wirklich beschreiben.

wer nach seinem vater sucht, will, dass es der seraphim ist und versucht, in jeder silbe, jeder handbewegung und jedem blick die zärtlichkeit zu entdecken, die er dreizehn jahre lang vermisst hat.

mach was aus deinem bild, @lauren. es kann was ganz anderes sein nur ein popeliger flachbildschirm.

liebe grüße aus müchen

bluefin
 

Retep

Mitglied
Hallo zusammen!

Betrifft Gabelstabler:

So leichtsinnig finde ich nicht, dass Farmer Tom fahren lässt. Er geht nebenher!
Er weiß wohl auch, dass sein Chef nicht irgendwo in der Halle herum schleicht!
Dass er einem noch unbekannten Jungen eine Freude machen will, sagt etwas über ihn aus.

Auch "Gefühle" werden in der Geschichte von beiden Protagonisten gezeigt. (In der Art, wie gesprochen wird, wie der andere angeschaut wird etc.)

Gruß

Retep
 

Lauren

Mitglied
Hallo Miteinander,

ich bin ja noch ganz neu im Forum.

Am meisten freut mich, dass ihr so offen Eure Meinung äußert.

Vielleicht schreib ich die Geschichte nochmal neu, mit vielen Gefühlsregungen.

Jetzt erst mal ein herzliches Dankeschön!

Lauren
 



 
Oben Unten