Wahrnehmungen

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arielleira

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Tim holte mich von der Arbeit ab und wir schlenderten durch Frankfurt. Ich war etwas nervös und unsicher, ich kannte ihn ja kaum und wusste nicht so recht über was wir reden sollten. Doch meine Unsicherheit legte sich schnell und wir sprangen von einem Thema zum nächsten. Er erzählte mir dass der Job bei dem wir uns kennen lernten sein erster sei und er solche Jobs nicht mehr mache. Er nahm sich vor sein Abi zu machen, zu studieren, zu reisen. Er war noch neugieriger auf das Leben als ich es je hätte sein können. Er schien mir so befreit und leicht. Ich bewunderte ihn dafür, doch ich wurde das Gefühl nicht los, das irgendetwas mit ihm nicht stimmte. Es hörte sich alles zu perfekt an, zu unreal für meine Ohren. Das Leben konnte doch nicht so schön sein!

Meine Befürchtungen wurden war als er mich mit zu einem Freund nahm. Der besagte Freund hatte seine Bude in einer Seitenstraße der Kaiserstraße im 5. Stock direkt über einem Bordell. Schöner konnte wohl eine Wohnung nicht gelegen sein, dachte ich mir. Ein Junkie, wie er im Bilderbuch stand, öffnete uns die Tür. Schlagartig wurde mir klar woher Tims Euphorie und Lebensfreunde entsprungen war. Tim machte nun einen eher ernüchterten Eindruck. „Weißt du was, all die Dinge die ich dir vorhin gesagt habe wünsche ich mir mehr als alles andere. Doch ich weiß auch, dass ich sie nie erreichen werde.“ flüsterte er mir leise zu, als wir durch den Flur liefen. Ich verstand Tim, denn mir erging es nicht anders.

Die Gedanken in meinem Kopf überschlugen sich auf dem Weg in das Wohnzimmer und mit dem Blick auf den kleinen Couchtisch und dem darauf verstreuten Pulver, Kristallen, Spritzbesteck und kleinen Crackpfeifen wurde mir bewusst wie tief wir eigentlich schon in dem Sumpf steckten. Was würde das für einen Unterschied in meinem verkorksten Leben machen, ob ich jetzt noch eine Nase ziehe oder nicht?

Zehn Minuten später schnupfte ich das erste Mal H. Tim und sein Freund kochten sich das H auf deinem Suppenlöffel über einer Feuerzeugflamme auf und zogen sich zwei kleine Spritzen auf. Sie banden sich fast synchron den linken Oberarm ab und jagten sich das Zeug in die Venen, welche übersät mit kleinen Löchern und Wunden waren. Zuvor hatten sie mir eine kleine Line vorbereitet und einen gerollten 50 € Schein daneben gelegt. Scheiß auf alles, dachte ich mir und zog.

Ich saß gespannt und ungeduldig auf der Couch neben den andern beiden. Mir gingen alle möglichen Dinge durch den Kopf. Für einen kurzen Moment blendete sich alles um mich herum aus. Meine Augen fielen zu und es fühlte sich an als würde ich auf einem flauschigen Teddybären in Lebensgröße sitzen, ich ließ mich ganz und gar auf die neuen Eindrücke ein. Fühlte mich umarmt und unglaublich entspannt. Der Teddybär schaukelte sanft unter mir und ein Gefühl der Wärme durchfloss meinen Körper.

Meine Wahrnehmungen verschwammen und als ich für einen kurzen Augenblick meine Augen öffnete sah ich alles doppelt oder nur die Umrisse der Gegenstände die mich umgaben. Alles verlangsamte sich und stand schließlich still. Mein gesamter Zustand lässt sich nur schwer in Wort fassen, es war unglaublich. Selbst das Gefühl von Übelkeit und Erbrechen störte nicht meinem gelassenen und glückseligem Zustand. Ich stellte mir vor wie ich über eine blühende Wiese schwebte, mit meiner Hand über die Halmspitzen streifte und mich in der Luft drehte und Saltos schlug.

Tim und sein Freund saßen regungslos neben mir auf der Ledercouch und zuckten alle paar Sekunden zusammen. Ich hingegen fühlte mich fantastisch, mir kam es auch nicht in den Sinn zu sprechen oder mich nach dem Empfinden der anderen Beiden zu erkundigen. Ich war in meiner Welt und dort wollte ich keinen anderen Teilhaben lassen. Zu schön war es dort. Es war nicht wie beim Rausch eines Teils oder Kokains welches Unmengen an Glückshormonen freisetzte sondern es umgab mich eher ein betäubender und warmer Schleier aus Gelassenheit. Mein Kopf war dabei völlig leer und gedankenlos, an das Einzige an dass ich dachte war wie wohl ich mich fühlte und die damit verbunden Eindrücke.

Ich versuchte auf zu stehen um mir etwas zu trinken zu holen, doch ich schaffte es nicht. Mein Körper hatte auf einmal das Gewicht eines Lastwagens, welches ich unmöglich aufstemmen konnte. Ich blieb sitzen und hatte Durst. Tim tippte mich von der Seite an und fragte mich mit kratzender und leiser Stimme wie es mir ginge. Ich wollte ihm antworten doch meine Stimme war weg. In einem piepsigen Ton brachte ich schließlich ein „Gut“ heraus und war allein vom Versuch zu Sprechen erschöpft.

Es überkam mich das Gefühl als würde ich im Sommer im Regen stehen und sanften Tropfen meine Kleidung benetzen. Ich genoss es und blickte an mir hinunter und stellte fest dass ich mir das alles nicht eingebildet hatte. Schweißausbrüche wie ich sie noch nie zuvor erlebt hatte, hatten mein Shirt durchnässt. Ich fasste mir durch den Ansatz der Haare und auch dieser war befeuchtet. Langsam wendete ich meinen Blick zu Tim, er war kreidebleich und Schweißperlen kullerten über sein Gesicht. Er stöhnte leise bei jedem Atemzug, war völlig weg getreten. Er ließ seinen Kopf nach hinten fallen und rang nach Luft. Ich realisierte nicht wie schlecht es ihm wirklich erging und genoss weiter meinen Flash.

Ich wurde erst aus meiner Traumwelt gerissen als er nach vorne überkippte und zusammen gekrümmt auf dem dunkelblauen Teppichboden lag. Sein Freund regte sich nicht und blieb wie erstarrt sitzen. Ich versuchte mich zu ihm zu beugen, hatte jedoch jegliche Körperspannung verloren und fiel kopfüber zu ihm auf den Boden. Da lagen wir beide nun, keiner von uns war im Stande etwas zu unternehmen und vor allem ich konnte ihm nicht helfen.

Ich fühlte mich wie ein Maikäfer der auf seinen Rücken gefallen ist und sich nicht mehr umdrehen konnte. Mit letzter Kraft ließ ich mich auf die Seite fallen und landete unmittelbar vor seinem schmerzverzehrten Gesicht. Er rang immer noch Luft, keuchte und stöhnte. Seine Wangen blähten sich auf, er riss die Augen auf und ich erschrak fürchterlich über die Tatsache, dass er keine Pupillen mehr hatte. Sie sahen wie eine Nadelspitze aus, umrandet von seiner eisblauen Iris. Ich wusste immer noch nicht so recht wie mir geschah, ich war so drauf wie ich es noch nie zuvor gewesen war.

Es fühlte sich an, als würde man bei mir einen Knopf drücken und der Computer Kopf würde alle geöffneten Dateien schließen und alle gespeicherten Daten löschen. Dies löste ein solch befreiendes und befriedigendes Gefühl aus, in einem Ausmaße welches ich nie für möglich hielt. Ich zwang mich meine Augen zu öffne. „Hilf mir!“ flüsterte er mit angeschlagener Stimme bevor er sich auf den Rücken rollte und vor Schmerzen winselte. Nun realisierte ich, soweit es mein Zustand ermöglichte, den Ernst der Lage, raffte mich zusammen und richtete mich über ihm auf. Ich rüttelte an seinem Arm, schlug ihm ins Gesicht, ich redete auf ihn ein, schüttelte ihn erneut. Nichts half.

Sein Freund saß immer noch regungslos auf der Couch und bekam von all dem wohl nichts mit. Langsam brach Panik in mir aus. Was sollte ich tun? Unaufhörlich versuchte ich ihn wieder zu Bewusstsein zu bringen. Doch alle meine Bemühungen waren umsonst. Dachte ich, doch dann rührte er sich. „Hilf mir!“ stammelte er wieder und wieder. „Mein Herz..“ war sein letzter Satz den er von sich gab. Immer noch völlig zu gedröhnt gepaart mit Hilflosigkeit rüttelte ich an ihm herum. Ich raufte mich hoch und torkelte mit schwankenden Schritten in Richtung Küche, vorbei an Umzugskartons, Holzstühlen, Klamotten die überall auf dem Boden verteilt waren und Müll, wohin das Auge reichte, schlängelte ich mich zur Küche.

Ich riss alle Türen und Schubladen auf bis ich endlich ein Glas fand. Ich füllte es mit Wasser aus dem Hahn und wankte zurück zu Tim. Das Wasser hatte ich fast bis zur Hälfte auf dem Weg verschüttet und den Rest entleerte ich auf seinem Gesicht. Nur schleppend kam er zum Glück wieder zu sich, krümmte sich wieder zusammen und schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit öffnete er wieder seine Augen.
 
L

lilaluna

Gast
Da kann man nur hoffen, dieser recht langweilige Beschrieb eines banalen Drogenrauches fuße nicht auf Autobiografischem.

Tipp: die Überschrift ändern. Es müsste "Wahrnehmungsstörungen" heißen.

Liebe Grüße

lilaluna
 



 
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