Wandersand

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Walther

Mitglied
Wandersand


Auf Sand gebaut
An Ufern der Zeitflüsse die Burgen
Drüber mäandert
Ein Leben

Gespült gefühlt
Über Steine und durch Schluchten
In freien Fall
Um dann aufzuschäumen

Horizonte wechseln
Die Perspektiven
Und Winkel ihre Blicke
Die Burgen geschliffen

Um an Brückenpfeilern
Neu zu wachsen
Die Schmelze wird Schnee
Das Eis Tropfenfeuchte

Und noch später
Werfen die Körner
Sich Gezeiten und Wellen
Entgegen

Um zu enden
An Sonnenstränden
An flachen Küsten oder steilen
Oder auf dem tiefsten Grund
 
B

Beba

Gast
Hallo Walther,

mich interessiert dein Text und ich kreise immer wieder darum herum. Aber verdaut habe ich ihn noch nicht und verhalte mich daher still.
Vielleicht ist dennoch erlaubt, nach der Bedeutung und Herkunft von mäandert in
Drüber mäandert
zu fragen?

Ciao,
Bernd
 

Perry

Mitglied
Hallo Walther,
Wanderdünen sind ein gutes Bild für die Vergänglichkeit.
Bei "Schmelze wird Schnee" könnte ich mir die Umkehrung naheliegender vorstellen.
Den Schlussvers finde ich entbehrlich, da er dem Entgegenwerfen der Körner den Höhepunkt verwässert.
Gern gelesen!
LG
Manfred
 

Walther

Mitglied
Hi Perry,

die Schlußstrophe ist die einzige, an der ich noch etwas herumfeile, Schwachpunkt erkannt; aber weglassen? Hm.

Vielleicht kommt ja noch ein Kommentar. ;)

Danke jedenfalls für Lob und diesen Hinweis.

Lieber Gruß W.
 

Retep

Mitglied
Ja Walther,

der Text ist gut, habe nichts zu meckern. Den letzten Vers würde ich nicht weglassen, er zeigt doch wie es "abwärts" geht:
Sonnenstrahlen, flache Strände, steile Strände, tiefster Grund.

Gruß

Retep
 

Walther

Mitglied
Hi Retep,

danke für diesen Eintrag, der einem meiner eher selteneren Vers Libre Texten neue Höhen beschert. :)

Ich habe für die letzte Strophe noch keine optimale Form gefunden, aber weglassen schien nicht die richtige Wahl.

Danke und Gruß W.

PS.: Man kann dieses Gedicht auch massenweise mit Stimmen versehen. In der Hitliste ist noch Platz. :)
 

ENachtigall

Mitglied
Lieber Walther,

"um zu enden" widerspricht hier dem beschriebenen Wesen des Wandersandes. Enden will hier nur das Gedicht; der Wandersand kommt IMMER nur mehr oder weniger kurz zur Ruhe. Daher würde ich diese Wortwahl vermeiden.

Ansonsten ein fein nachgezeichneter Weg eines beeindruckenden Materials!

Lieben Gruß, Elke
 

Walther

Mitglied
Wandersand


Auf Sand gebaut
An Ufern der Zeitflüsse die Burgen
Drüber mäandert
Ein Leben

Gespült gefühlt
Über Steine und durch Schluchten
In freien Fall
Um dann aufzuschäumen

Horizonte wechseln
Die Perspektiven
Und Winkel ihre Blicke
Die Burgen geschliffen

Um an Brückenpfeilern
Neu zu wachsen
Die Schmelze wird Schnee
Das Eis Tropfenfeuchte

Und noch später
Werfen die Körner
Sich Gezeiten und Wellen
Entgegen

Um auszuruhn
An Sonnenstränden
An flachen Küsten oder steilen
Oder auf dem tiefsten Grund
 
G

Gelöschtes Mitglied 8846

Gast
Lieber Walther,

eigentlich müsste ich ja ein wenig sauer sein, denn unter den ersten 10 stehen vier Werke von mir, aber dieses hier gehört auf alle Fälle dorthin. Dabei hatte ich mich schon für den Drachentöter entschieden, aber es sind ja noch ein paar Tage...
Ich muss feststellen, dass deine ungereimte Lyrik mir inzwischen besser gefällt als die gereimte.
Nur eine Frage,
Gespült gefühlt
Über Steine und durch Schluchten
In freien Fall
Um dann aufzuschäumen
muss es hier nicht im freien Fall heißen?

LG Franka
 

Walther

Mitglied
Wandersand


Auf Sand gebaut
An Ufern der Zeitflüsse die Burgen
Drüber mäandert
Ein Leben

Gespült gefühlt
Über Steine und durch Schluchten
In freiem Fall
Um dann aufzuschäumen

Horizonte wechseln
Die Perspektiven
Und Winkel ihre Blicke
Die Burgen geschliffen

Um an Brückenpfeilern
Neu zu wachsen
Die Schmelze wird Schnee
Das Eis Tropfenfeuchte

Und noch später
Werfen die Körner
Sich Gezeiten und Wellen
Entgegen

Um auszuruhn
An Sonnenstränden
An flachen Küsten oder steilen
Oder auf dem tiefsten Grund
 

Walther

Mitglied
Danke, lb. Franka,

für das große Lob. Ich habe den Fehler oben ausgebaut. Irgendwann wird man beim Schreiben "betriebsblind" und sieht seine Läßlichkeiten nicht mehr. :)

Vielleicht wird das mit dem Vers Libre besser, weil ich zur Zeit sehr viel davon lese. Gerade sind es Hilde Domins Lyrikband "Nur eine Rose als Stütze", ISBN 3-596-12207-4, das namensgebende Gedicht ist übrigens sehr beeindruckend, und ihren poetologischen Essayband "Wozu Lyrik heute".

Ihre Sprache verführt geradezu, in die Sprachwelt einmal anders einzutauchen; und schließlich ist Lyrik am Ende doch alles, was verdichtete Sprachwelten darzustellen vermögen. Ich werde sicherlich immer wieder die formale Strenge der alten Formen ausleuchten, will mich aber ebenso allmählich den Dichtung Ulla Hahns und Rose Ausländers annähern.

Ich habe nichts dagegen, wenn neben dem Drachentöter auch dieses Werk den Gefallen der Lupengemeinde und der Gäste fände. Ein Platz unter den ersten 10 würde mir sehr gefallen, wobei schon eine Position unter den ersten Hundert für jeden, der dabei ist, ein Erfolg ist. Mehr habe ich mir ehrlich gesagt weder erhofft noch zugetraut.

Aber wenn man schon mal in der Nähe der ersten Zehn ist, dann hat man natürlich den Ehrgeiz, drin und dran zu bleiben. Wenn jetzt noch die Gedichte eines gewissen Herrn daraus verschwänden, könnte man sich regelrecht geehrt fühlen ...

Lieber Gruß

W.
 
P

penelope

Gast
lieber walther,

einwandfrei, und hut ab für dieses hohe sprachliches niveau, lyrisch durch und durch: und du steigerst dich tatsächlich, aber das hatte ich dir ja schon versichert, da eindeutiges potential in allen deinen bisherigen texten zu sehen sind. aber hier kann ich sogar den alten benn hören, nämlich: "statische gedichte", in der wort um wort sich etwas rankt, wie efeu, den leser in den text mit aufnimmt. dein gedicht klingt wie eine etüde von chopin, durchgehend mit einem lebendigen atem aufgefüllt, schön und intensiv, denn du erweiterst den boden der belebten "dinge", sand, ufer, burgen, brückenpfeiler, die zu sehen sind, indem du nur knapp und bemessen, dezent, fast zart huschend, ein "jemand" implizierst, der hier für uns wahrnimmt, der zu uns spricht: Drüber mäandert/Ein Leben...
damit werden wir eingeflochten in den fortlauf deines gedichtes, denn das subjekt leben, das sind wir ja tatsächlich: Gespült gefühlt/Über Steine und durch Schluchten, geschieht mit uns etwas, wir können uns nicht dagegen wehren, erneuerungen finden statt, horizonte und perspektiven wechseln, alles in einem melodischen fluss aneinandergereiht, ein gefühlstumult geradezu, der für mich spürbar ist, aufgewühlt von abschied, ende, erleichterung, aber auch ungewissheit, ein aufatmen und gegenatmen, landen wir, landet das leben irgendwo, im nirgendwo, Um auszuruhn/An Sonnenstränden/An flachen Küsten oder steilen/Oder auf dem tiefsten Grund...

endlich wieder ein echtes gedicht...

lg penelope
 

Walther

Mitglied
Lb. Penelope,

das Zitat "endlich wieder ein echtes gedicht ..." ist das schönste Kompliment, das man einem Autor machen kann. Daher bin ich auch etwas sprachlos (was bei mir eigentlich ein nicht vorgesehener Zustand ist). ;)

Daß dieser Ausspruch ausgerechnet bei einem meiner eher seltenen, umgereimten Gedichten erfolgt, erschüttert fast mein Selbstbild. Irgendwie dachte ich mich noch Lichtjahre von einem solchen Text entfernt; wahrscheinlicher ist aber wohl, daß ich einfach einmal einen richtig guten Text hinbekommen zu haben scheine.

Angeregt wurde ich durch ein Gedicht Hilde Domins mit dem Titel "Treulose Kahnfahrt". In der letzten Strophe wird das Wort "Sand" als Gründung für den Kiel des Lebensbootes evoziert. Aus dem Bild entstand dann die Variation über den Sand, den wir hier lesen.

Lieben Dank für die Ermutigung. Ich hoffe, es bleibt nicht bei einer Eintagsfliege.

Bester Gruß W.

PS.: Und wenn jetzt noch eifrig positiv abgestimmt wird, kann evtl. dieses Werk noch einen Outliner verhindern. :D
 
Z

zugast

Gast
ich weiß ja nicht. hat es denn spaß gemacht? das ist schrebergartendichtung von einem der noch mit ddt vergiftet.

ganz ganz toll, walter.
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo zugast aufmerken:

[red]Jetzt kommt Schrebergartendichtung[/red]

Mein Blümlein fein,
du bist ganz mein
und ich bin dein,
was könnte schöner sein?

Aber nett von Dir, dass Du diesen gelungenen Text wieder an die Oberfläche geholt hast! :)

Liebe Grüße
Vera-Lena
 



 
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