Warum habe ich nicht nachgedacht?

Sensiro

Mitglied
Wabernd senkt sich der schwarze Vorhang
hinab auf meine Seele.
Voll Angst und Unbehagen erscheint mir
die Zukunft schon wie Vergangenes.

Der Mob johlt und gröhlt -
keine Mitleidbekundungen nähren mein Gewissen.
Stattdessen schießen Nadeln in mein Ohr,
lang, spitz, eindringlich und kalt.

Leicht wie auf Wolken schreiten meine
bleiernen Beine, getragen von Demut
und vorwärtsgepeitscht von Haß.

Das Kreuz, das ich trage - gab es mir das Schicksal
oder ist es doch nur eine Folge meiner eigenen Unzulänglichkeit?
Ach wäre Vergangenes doch erst Zukunft!
 

Sensiro

Mitglied
Ich denke, daß nicht das Verpaßte das wahre Problem des Totgeweihten ist, sondern der Zweifel an seiner Schuld, an der Steuerbarkeit dessen, was ihm die jetzige Lage beschert hat. Hatte er nachgedacht? Oder meint er nur, nicht nachgedacht zu haben?

Wer will eine solche Frage denn beantworten? Der Selbstvorwurf aber bleibt bestehen.

Ave!
Sensiro
 

Chrissie

Mitglied
Eine Frage der Definition

Mir stellt sich die Frage, ob ein Totgeweihter selbst schuld sein muss oder kann. Sitzt er wegen Mordes in der Todeszelle, wohl eher ja. Ein Leukämiekranker wohl eher nein.
Ich kann aus eigener Erfahrung nur von Menschen sprechen, die dem Tod nochmal von der Schippe gehüpft sind und jetzt viel bewußter leben. In meinem persönlichen Bekanntenkreis habe ich hingegen noch keinen, der weiß, dass er bald sterben muss. Ich denke jedoch, dass die seelische Konstellation eine ähnliche wäre, nur intensivierter.

*nachdenklich*
Chrissie
 

Sensiro

Mitglied
Nun ja, es muß sich ja auch nicht unbedingt hier um einen Totgeweihten handeln (Letztendenes wohl doch, aber das liegt in der Natur des Lebens). Es ging mir nur darum , daß bei manchen Konstellationen nicht die Unabänderlichkeit der Vergangenheit, sondern der Vorwurf der Schuld und die Zweifel an der Richtigkeit und der Verantwortlichkeit der eigenen Handlung schwerer wiegt als die Folge der Handlung an sich.

Aber zermartere Dir mal nicht den Kopf, denn wer weiß schon, ob er sein Leben selbst bestimmt, oder ob er ein Schicksal hat. Dies bleibt wohl eine der immer ungeklärten Fragen des Lebens.

Ave imperator! Morituris te salutant. ;)

Sensiro
 

Chrissie

Mitglied
Ach,

ich zermartre mir manchmal ganz gern den Kopf, kannst es auch philosophieren nennen.
Da ist mir der Buddhismus ehrlich am liebsten, da haste immer nochmal ein Leben in petto.

Salut
Chrissie
L'impératrice de la vie (est elle vraiment marrante!?)

(Das mit dem Kaiser und den Totgeweihten verstand sogar ich Nicht-Lateinerin.)
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das Bild des Kreuzes macht das Gedicht biblisch. Eine Deutung des Leidensweges die realistischer erscheint.

Gibt es Hoffnung?

Überliefert ist: Ja.

Die Erfahrung sagt immer wieder: Nein.

Aber Wünsche werden manchmal erfüllt.
 

Sensiro

Mitglied
Das mit der Hoffnung ist so eine Sache. Niemand weiß genau, was die Zukunft bringt. Also vielleicht geht es ja doch gut ... Also kann selbst die Erfahrung nie sagen, daß es keine Hoffnung gibt.

Hoffnung ist wohl das was die meisten Menschen davon abhält, einfach von eine Brücke zu springen o.ä. und damit überlebensnotwenig.

Ave!
Sensiro
 



 
Oben Unten