Was ist Liebe?

Morrigan

Mitglied
Hallihallo Ihrs!
Ich habe vor eine Kurzgeschichtenreihe zu schreiben, die sich mit verschiedenen Auschnitten aus dem normalen, oder nicht so normalen Liebesleben beschäftigen. Liebe, Lüge, Eifersucht - so ungefähr - unter dem Obertitel "Was ist Liebe?". Hier ist also das erste Kapitel. Bitte um Stellungnahmen!
Liebe Grüße Morrigan

Anna Karenina

Das kleine, zerknitterte Papier war schon grau vom kalten Schweiß ihrer Handflächen, die ohnehin undeutliche Bleistiftschrift kaum noch zu erkennen. Nur noch vereinzelt fielen indessen kleine Tropfen von ihrem Kinn herunter und vereinigten sich mit dem Rinnsal in den Falten ihres dunkelblauen Kleides. Samt, nur für ihn. Resignation, Aufgabe, Hoffnungslosigkeit - alles zugleich.
Mit einer vielgeübten, fahrigen Bewegung fuhr sie von ihrem Stuhl auf und wanderte in ihrer freudlosen, grauen Küche auf und ab. Selbst der Himmel verdunkelt sich in Trauer!, dachte sie, doch viel wahrscheinlicher verdunkelte er sich im Zorn. Wütend knüllte sie den Zettel in ihrer Hand zusammen, bis ihre Fingernägel in ihre Handflächen schnitten. Maniküre, nur für ihn. Wut, Enttäuschung, Unglauben - alles zugleich.
Was konnte er ihr schlimmeres antun, als diesen nichtssagenden Zettel? Dieses verfluchte Stück Papier! Ich werde fahren . . . wie einfach ihm das gefallen war! Wie einfach er sie hinter sich ließ, wie man ein abgetragenes Kleid wegwirft! Unsere Situation ist unerträglich . . . unsere Situation?
Was wußte er schon, über ihre Situation? Ich habe alles aufgegeben für dich, du elender Feigling! Meine Familie, mein Zuhause, selbst meinen Sohn . . . der Gedanke schnitt, wie ein Messer in ihr Herz und der alte Stuhl in der winzigen Wohnung knarrte ergeben, als sie sich wieder darauf fallen ließ. Ihre zitternde Hand fuhr durch ihr Haar. Locken, nur für ihn. Ausweglosigkeit, Schmerz, Trauer - alles zugleich.
Sie hatte alles aufgegeben, an jenem Tag, als sie seinem nachdrücklichen Blicken, seinen fordernden Gesten, seinen ungeduldigeren Argumenten endlich nachgab. Als sie ihre Ehe verriet, ihr Kind zurückließ und ihm folgte, ihm folgen wollte . . . wohin auch immer! Außer seiner Liebe war ihr nichts geblieben. Er war ihre letzte Rettung und er wußte es! Und dennoch dieser nichtssagende Zettel! Ein armseliges Stück Papier, ohne Wärme, ohne Trost, ohne Hoffnung! Ich werde fahren . . . fliehen, das wollte er! Fliehen vor seiner, vor ihrer gemeinsamen Schuld! Vor ihrer Abhängigkeit von ihm, vor ihrer Liebe, die er nicht mehr brauchte! Die Tränen begannen wieder zu fließen und hinterließen neue Spuren in ihrem Gesicht. Rouge, nur für ihn. Verrat, Schuld, Abscheu - alles zugleich.
Sie hatte ihn nicht einengen wollen, doch er war der einzige Mensch, der ihr noch geblieben war und so klammerte sie sich an ihre Liebe, an ihr Glück, an ihr Beisammensein. Sie liebte ihn mit ihrer ganzen Seele, seine Besonderheiten, seine Fehler, seine Vollkommenheit. Doch er? Er hatte sie auch geliebt, dessen war sie sich sicher. Selbst jetzt brachte sie es nicht über sich etwas anderes zu denken! Er hatte sie mit diesem Feuer in den Augen angesehen und seine Berührungen hatten sie tief gebrandmarkt. Und irgendwann . . . und irgendwann war der Funke erloschen und die Leere, die ihm folgte, ließ sie beide zu Eis erstarren. . . Aber ich hätte uns retten können!, dachte sie verzweifelt. Sie ertrug es nicht etwas anderes zu denken! Noch heute hätte sie alles retten können!
Wutentbrannt fegte sie das billige Porzellan vom Tisch. Kerzenlicht, nur für ihn. Zerrissenheit, Rettungslosigkeit, Verzweiflung - alles zugleich.
Doch statt dessen kam nur dieser Zettel und brachte den Tod auf ihre Schwelle. Wieder verschwand das kleine Papier in ihrer verkrampften Hand. Er war alles, was ihr geblieben war, ohne ihn besaß sie nichts mehr . . .
Draußen fuhr ein Auto vor und hielt mit quietschenden Bremsen vor ihrem Haus. Männerschuhe klackten auf dem Asphalt und bewegen sich auf ihre Haustür zu. Aufatmend erhob sie sich von ihrem Stuhl und warf einen nachdenklichen Blick auf die große Tür im Dunkel des engen Flurs. Dann ging sie langsam und ruhig zum Fenster herüber, öffnete beide Flügel weit, sog begierig die Luft ein, die ihre Tränen trocknete, steig vorsichtig auf die Fensterbank und blickte auf die naß glänzende Straße hinunter.
 

hopeless-1

Mitglied
*g*

Also, *g* ich habe vor kurzem den Film "Anna Karenina" gesehen. diesen fand ich ja sehr interessant. und deine Kurzgeschichte finde ich auch sehr gelungen. Anna lebte doch vor "ewigkeiten" doch so wie du deine geschichte dargestellt hast, oder so wie ich sie verstanden hab, könnte sie in jeder Zeit spielen, denn ich glaube dieses "Problem" gibt es auch heute noch. Ich muss sagen, dieses Geschick eine Geschichte Zeitlos zu machen, beeindruckt mich jedesmal aufs neue.
Wie gesagt ich finde deine Geschichte sehr gelungen, obwohl es ja fast eine "Nacherzählung" ist.
Vielleicht als kleine Anregung, schreibe doch etwas, was 100% von dir stammt, die Idee, deine Meinung, deine dazu passenden Gefühle.
Bis denne

Gruß Hopeless-1
 

Morrigan

Mitglied
Hi Hopeless.

Danke erstmal für dein Lob. Natürlich hast du recht und die Thematik ist der von Anna Karenina sehr ähnlich (bis auf das Verhalten des Mannes - im Buch verläßt nicht er sie, sondern sie ihn) - daher trägt das Kapitel ja auch ihren Namen - andererseits ist das durchaus so gedacht. Ich will diese kurzen Ausschnitte aus dem Beziehungsleben möglichst allgemein halten, damit sie auf jede Zeit, auf jede Beziehung passen könnten (Anna Karenina spielt übrigens am Anfang des 20.Jhr.- also so lange auch wieder nicht her). daher gibt es auch keine Personenbeschreibungen, keine Namen ect. EIn anderes Kapitel heißt z.B. "Helena" und beschäftigt sich mit der blinden Liebe der Helena aus dem Sommernachtstraum zu einem gleichgültigen Mann. Es geht also um die historischen Vorbilder und darum zu zeigen, das solche Situationen auch heute noch vorkommen und jeden treffen können.
Aber ich werde trotzdem über deinen Vorschlag nachdenken - allerdings bin ich noch nie verlassen worden, habe also wenig eigene Erfahrung;-)

Liebe Grüße Morrigan
 

hopeless-1

Mitglied
äh ............... ja *gg*

noch son bissel hintergrundwissen aufm freitag abend zu bekommen *g* recht nett *lach*
ähm, ja das mit Anna kann schon stimmen, so aufmerksam hab ich den film auch net geschaut (unsere lehrerin hat die ganze zeit dazwischen gequatscht)
aber was ich eigentlich sagen wollte. man kann auch geschichten schreiben, ohne das man je verlassen worden ist. es gibt viel themen, muss ja nicht immer mit beziehung und so zu tun haben.
probiers mal aus, wenn dir danach ist. *ermuntern tu*

Gruß Hopeless-1
 



 
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