Was ist Liebe - Teil 2

Morrigan

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Hallo Ihrs!

Inzwischen ist aus der einen Kurzgeschichte - siehe weiter unten - wirklich schon eine ganze Reihe geworden und einige Kapitel möchte ich euch nicht vorenthalten und erwarte gespannt eure Kommentare, Kritiken und Verbesserungsvorschläge!

Liebe Grüße Morrigan

Worte sagen mehr . . .

Der Wecker klingelte jetzt schon eine geraume Weile und schließlich schaffte sie es sich herumzuwuchten und nach dem Abschaltknopf zu tasten. Ihr Kopf machte Anstalten gen Decke zu entschwinden. Was hatte sie gestern Abend nur angestellt? Ach ja richtig! Gepflegtes Besäufnis mit ihren Freunden zur Feier ihres dritten Jahrestages.
„Herzlichen Glückwunsch!“ murmelte sie und hauchte einen Kuß auf sein Bild neben ihrem Bett.
Dann setzte sie sich versuchsweise auf, um zu sehen, ob das Zimmer vielleicht aufhören würde sich zu drehen, wenn sie es nur lange genug böse anstarrte. Mit einem verhaltenen Stöhnen strich sie sich die Haare aus der Stirn und warf dann noch einen Blick auf die Uhr, um zu sehen, ob sie diesmal die Zahlen würde erkennen können. Halb zwölf! Oh Jesus, der Postbote war sicher schon lange da gewesen! Ohne auf ihre Puddingknie zu achten, riß sie ihren Bademantel vom Kleiderhaken, fischte im Vorbeilaufen, den immer griffbereit liegenden Briefkastenschlüssel von der Kommode und huschte den Hausflur hinunter. Sollte die blöde Schnepfe von Nebenan doch denken, was sie wollte! Kaum hatte sie den kleinen Schlüssel herumgedreht, fiel ihr auch schon eine wahre Flut von Post entgegen, doch sie sah die Werbung, die Rechnungen und Urlaubspostkarten gar nicht, sondern hatte nur Augen für einen reichlich mitgenommenen DinA5 Umschlag, der mit einer recht alten Schreibmaschine mit abgebrochenem E beschriftet war. Vorsichtig und genußvoll öffnete sie das kleine Päckchen und zog zuallererst seinen Brief heraus. Sie wollte gar nicht wissen, was er ihr schenken würde, bevor sie nicht erfahren hatte, wann er nach Hause kam!
‘ Hallo mein kleiner Sonnenschein!
Na wie geht es bei euch? Lebt mein Kanarienvogel noch? Wenn nicht kauf bloß keinen neuen, das merke ich sofort! Wie ich dir schon am Telefon erzählt habe, hält sie Regenzeit hier weiter an und ich vermisse dich jeden Tag mehr! Unsere Arbeit hier kommt ganz gut voran, auch wenn einige Eingeborenen wirklich zu absonderliche Vorstellungen haben! Erst gestern kam ein unserer Jungen, und erzählte uns mit einer Unschuldsmiene, das eines unserer besten Mikroskope in einen Teich gefallen sei. Er meinte er hätte entweder seine Ziege, oder unsere Ausrüstung retten können, und erwartete noch, das wir stolz auf ihn sein sollten, wie er die Ziege gerettet hat, weil sie mehr Fleisch einbringt. Du siehst also wir haben es nicht leicht. . .
Aber da fällt mir ein, ich habe dir ja noch gar nicht zu unserem Jahrestag gratuliert! Aber ich habe dir ein kleines Geschenk besorgt und hoffe, das es dir gefällt. Wenn meine Berechnungen richtig sind, dann müßte dieser Brief dich etwa zur richtigen Zeit erreichen - du weißt ja, diese Mulis sind einfach unberechenbar!
Gestern ist ein ganzer Schwarm von bunten Papageien über unser Camp weggeflogen, und dabei mußte ich plötzlich an dich denken. An diesem Abend wollte ich dir ganz viel schreiben, habe mich dann aber doch nicht getraut. Es wäre nur Pornographisches dabei herausgekommen und, wie du schon bemerkt hast, möchte ich auch nicht wissen, wer unsere Briefe liest, bevor wir sie endlich bekommen!
Wie war eigentlich deine Jahrestagsparty? Gepflegtes Besäufnis, nehme ich an? Es tut mir so leid, das ich nicht bei euch sein konnte, aber spätestens in zwei Monaten komme ich nach Hause - versprochen diesmal und niemals gebrochen!
Ich denke an dich jeden Tag und ich liebe dich! Immer!’
Mit einem seligen Seufzten ließ sie sich gegen die kalte, graugelbe Wand sinken und schloß die Augen. In zwei Monaten! Er dachte an sie und er liebte sie!
„Ich liebe dich auch, du dummer Träumer, du! Sogar immer, wenn du unbedingt willst!“ sagte sie laut, bevor sie ihren Morgenmantel zusammenraffte und die Treppe hinaufstieg. Sie brauchte jetzt erst einmal einen Kaffee!
Everything changes?

Das Telefon riß sie aus einer beschaulichen Sonntagnachmittagsruhe und verlange energisch und bestimmt das sie aufstand und den Hörer abnahm. Eine Aufforderung, der sie nur mit großem Bedauern nachkam.
„Ja hallo?“
„Hi Liebes, ich bin’s!“
„Oh Hi! Na wie geht’s dir?“
„Ganz toll, stell dir vor er kommt mich heute Nachmittag besuchen!“
„Er?“
„Na du weißt schon!“
„Ach er! Sag mal, seid ihr inzwischen nicht schon über zwei Monate auseinander?“
„Na und? Trotzdem kommt er mich besuchen! Ich kann es gar nicht abwarten! Was meinst du, was soll ich anziehen?“
„Ist das nicht egal? Wenn ich dir glauben darf, hattest du doch genug von seiner Kleinlichkeit. Dann mußt du ihm doch nicht gefallen, oder?“
„Ach du! Natürlich muß ich so gut aussehen, wie ich nur kann! Schon allein, damit er erkennt, was er alles aufgegeben hat!“
„Ähm du hast aber ihn doch verlassen, oder?“
„Na und? Hätte er sich mehr um mich bemüht, dann wäre es gar nicht erst dazu gekommen!“
„Und was versprichst du dir davon, das er heute zu dir kommt? Willst du wieder mit ihm zusammen kommen, oder was . . .?“
„Ach was, Quatsch! Ich bin doch im Moment viel zu glücklich mit meinem Singledasein! Aber ein bißchen ärgern, will ich ihn schon!“
„Und warum glaubst du, daß er sich ärgert, bloß weil du dich aufdonnerst?“
„Na weil er mich immer noch liebt, ist doch klar.“
„Klar. Wie konnte ich das nur vergessen? Und was wollt ihr tun?“
„Also, ich dachte an ein kleines Candle-Light Dinner und ein bißchen gedämpfte Musik . . .und dann . . . mal sehen.“
„Aber du bist sicher, das du nichts mehr von ihm willst?“
„Wer behauptet denn das? Natürlich will ich noch was von ihm!“
„Ja aber hast du nicht eben . . .“
„Ich will keine Beziehung mehr mit ihm . . . zumindest nicht gleich. Aber ein bißchen Sex ist doch völlig in Ordnung, oder nicht?“
„Na wenn du meinst. Also wenn’s darum geht, dann würde ich den roten Lackmini vorschlagen.“
„Ach du bist schon lustig! Dann wüßte er doch sofort was Sache ist!“
„Ach so, das soll er nicht wissen?“
„Natürlich nicht sofort! Er würde ja denken, daß ich auf ihn angewiesen bin und das bin ich schließlich nicht!“
„Ach so. Na dann. Das kleine Schwarze?“
„Genau was ich mir gedacht habe! Du bist wirklich genial!“
„Danke, gern geschehen.“
„Also ich muß mich jetzt beeilen! Ich muß ja noch unter die Dusche und mich anziehen und schminken! Du weißt ja, wie das ist! Ciao Bella!“
Damit wurde der Hörer wieder auf die Gabel geworfen und sie kehrte mit einem tiefen Seufzten zu ihrer gemütlichen Couch zurück.
„Weiber! Einfach nicht zu verstehen!“ dachte sie noch, bevor sie sich wieder ihrem Roman widmete.
Schneeweißchen und Rosenrot

„Guten Morgen! Hast du gut geschlafen?“
Eine weiche Hand schob sich unter ihren Nacken und sie lächelte verträumt.
„Mm wie könnte ich neben einer solchen Göttin wohl schlecht schlafen? Das wäre doch Blasphemie, denkst du nicht auch?“
Ihre Freundin reckte sich genüßlich und lachte befreit auf.
„Oh welch Kompliment am frühen Morgen! Darf ich es Euch wiedersagen, edle Nymphe?“
„Hm mir würde es im Moment schon helfen, wenn du mir sagen könntest, wo ich meinen BH hingeschmissen habe.“
„Vielleicht in der Glut der Ekstase aus dem Fenster? Komm, ich leihe dir einen von meinen.“
„Haha da passe ich zweimal rein! Außerdem trage ich keine rote Unterwäsche!“
Ihr Gegenüber beugte sich lachend zurück und zog ein schlichtes weißes Wäschestück unter dem Bett hervor.
„Ach sieh mal, das Weiß der Unschuld! Du kleine Pietistin! Da fang!“
Mit einem erschreckten Quietschen reckte sie sich nach der vorüberfliegenden Unterwäsche und konnte gerade noch verhindern, das sie aus dem Bett kugelte.
„Du solltest dich etwas mit dem Anziehen beeilen. Die erste Vorlesung ist um elf und wir müssen vorher noch was fürs Mittagessen einkaufen.“
Mit zerzauster Mähne und erstauntem Blick tauchte sie wieder aus den Decken auf, unter denen sie ihre Kleider vermutete.
„Ich dachte wir sind heute bei deinen Eltern zum Essen eingeladen?“
Das Gesicht ihrer Freundin war ein zerknirschtes Bild der Scham.
„Ach weißt du, ich habe gesagt wir kommen doch nicht.“
Sie stemmte energisch die Hände in die Hüften und ihr Blick wurde streng.
„Und warum nicht?“
Hilfloses Schulterzucken.
„Du weißt wie es ist! Ich wollte uns das ersparen! Immer diese Vorträge, ‘Wie wollt ihr jemals Kinder haben?’, ‘Habt ihr schon über eine Altersvorsorge nachgedacht?’, ‘Wie wollt ihr eure Geldangelegenheiten regeln? Wenn nun einer von euch was zustößt!“
Ihre Arme fielen herab und sie resignierte.
„Aber du kannst deinen Eltern nicht ewig aus dem Weg gehen, deswegen.“
Ein entschuldigendes Lächeln.
„Es ist ja nicht für immer. Nur für heute.“
Sie schüttelte stumm den Kopf. Dann straffte sie die Schultern und versuchte ihrer Stimme einen überzeugenden Klang zu geben.
„Außerdem haben sie recht! Ich finde es ist höchste Zeit, das wir über diese Dinge nachdenken. Wir sollten mal bei einem Anwalt einen Termin machen . . . und am besten noch bei deiner Bank.“
Ihre Freundin wich ihrem Blick aus.
„Muß das wirklich sein? Du weißt doch, diese ganzen Leute . . .?“
„Schämst du dich für mich?“
„Nein, das weißt du doch, aber . . .“
„Na also. Ich mache heute die Termine. Nun komm schon sein kein Frosch, man wird uns schon nicht gleich fressen!“
Zaghaftes Lächeln.
„Und was ist nun mit den Enkeln, die meine Mutter sich wünscht?“
„Hey es gibt doch auch Patrick Lindner. Und wenn es gar nicht anders geht, dann heirate ich dich eben!“
Sie duckte sich schnell, als ein Kissengeschoß über ihrem Kopf gegen die Wand flog.
Just married

Das Hämmern und Bohren hielt nun schon den ganzen Tag an und langsam begann sie sich zu fragen, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war vor dem Priester mit Ja zu antworten.
„Liebling gibst du mir mal den achtzehnter Schraubenschlüssel?“
Ergeben erhob sie sich von dem improvisierten Stuhl in ihrer improvisierten Küche und brachte ihrem wohl auch etwas improvisierten Heimwerkerkönig das verlangte Werkzeug, oder doch das was sie dafür hielt.
„Nein das ist der Sechzehnter! Der Achtzehner muß irgendwo im Waschbecken liegen, oder vielleicht auch bei dem großen Blumentopf.“
Sie fand den gesuchten Gegenstand schließlich im großen Blumentopf unter einer Schicht Substral-Blumenerde. So hatte sie sich ihren Honigmond nun wirklich nicht vorgestellt! Schließlich ging von diesem Wort eine ungeheure Romantik aus. Der erste Monat einer Ehe . . . voller Liebe, Leidenschaft und glühenden Liebesschwüren! Ja denkste! Statt dessen gab es Baustellenidylle in den eigenen vier Wänden, ohne Kontakt zur Außenwelt und das einzige was überhaupt glühte war der Aufsatz des Akkubohrers.
Als sie mit ihrem Verlobten beschlossen hatte die Flitterwochen Zuhause zu verbringen, um ihre neue Wohnung einzurichten, da hatte das alles noch ganz anders ausgesehen. Sie erinnerte sich noch gut wie aufgeregt sie gewesen war, wenn sie sich Stoffmuster ansah, oder Möbel aussuchte. Nun immerhin hatte sie keinen Mann geheiratet, der jeden Pfennig dreimal umdrehte. Das Beste sollte gerade gut genug sein - nun ja zumindest so gut, wie eine bürgerliche Mittelkllasse-Eigentumswohnung nun einmal sein konnte. Aber die hatte schon damit gerechnet, das er zumindest in den ersten Tagen nur Augen für sie haben würde. Sie wollte bewundert werden, wollte spüren, das sie nicht ganz umsonst geheiratet hatte und das sich im Vergleich zu ihrem bisherigen Leben etwas grundlegendes geändert hatte. Aber OBI und IKEA machten ihr einen Strich durch die Rechnung. Ihr lieber Ehegatte war viel zu arbeitseifrig und zu ungeduldig, um sich mit so etwas nebensächlichem, wie Liebe abzugeben, wenn im Nebenzimmer seine Heimwerkerausrüstung darauf wartete aus der Plastikfolie ausgewickelt zu werden.
„Geh doch ein wenig zu den Nachbarn! Mach dich ein wenig mit ihnen bekannt!“ hatte er ihr vorgeschlagen, als sie sich über seine ständige Arbeit und Lärmbelästigung beschwert hatte. Ausgerechnet! Dabei hatte sie darauf gehofft den Nachbarn in den ersten Wochen ihrer Ehe überhaupt nicht zu begegnen, weil seine feurige Leidenschaft sie gar nicht dazu kommen lassen würde, die Wohnung zu verlassen. Und wenn sie überhaupt etwas mit den Nachbarinnen zu tun haben wollte, dann sollten es gefälligst neidische Blicke sein, wenn sie nach einer Nacht voller lautstarkem, ungezügeltem Sex mit bescheuertem Grinsen an ihnen vorbeihumpelte, um neue Kondome einzukaufen, oder so etwas.
„Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt!“ dachte sie ergeben und plante im Stillen eine riesige Schokoladenorgie.
„Liebling komm schnell, ich muß dir unbedingt etwas zeigen!“ rief sie ihr Göttergatte und stürzte auch schon persönlich ins Zimmer.
„Was’n los?“ murmelte sie gelangweilt, ließ sich aber doch mitziehen.
„Hier sie nur!“ rief er begeistert und zeigte auf die fertig gestrichenen weißen Wände des Schlafzimmers, die jetzt von unzähligen winzigen Deckenlämpchen angestrahlt wurden.
„Und?“
„Ich habe mir gerade gedacht, daß ich ein riesiges Porträt von dir malen lasse und das hängen wir dann genau über das Bett! Wenn dann nämlich hier der große Spiegelschrank steht, dann kann ich dich immer ansehen!“
Gerührt und überrascht bot sie ihre zitternden Lippen seinem fordernden Mund dar. Es war doch kein Fehler gewesen Ja zu sagen!
 



 
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