Was wäre wenn

Henriette rührte im Erdbeermus und beschloss, ihren Mann zu verlassen. Das Rot der Soße gluckste ihr munter entgegen. Es war eine Weile her, dass sie über die Möglichkeit einer Trennung nachgedacht hatte und die Entscheidung fiel in jenem Augenblick, als es an der Haustür klingelte. Sie legte den Löffel beiseite und ging öffnen. Ein Mann stand vor ihr. Er war ganz in Blau gekleidet: blaue Hose, blaues T-Shirt, blaue Augen.
„Ja?“ sagte Henriette und legte den Kopf schief.
„Ich komme wegen der Ablesung.“ In seiner Hand hielt er ein abgewetztes Tableau mit festgeklemmten losen Blättern drauf. Hinter seinem Ohr steckte ein Bleistift.
„Was denn?“ fragte Henriette und starrte auf diesen wundervoll weichen Mund mit den jungen Zähnen dahinter.
„Gas.“
Der Gasmann, also.
„Bitte“, sagte Henriette und schob die Tür einladend weit auf. Der Gasmann tippte mit dem Finger einen Gruß an die Stirn und zog seinen Stift hinter dem Ohr hervor.
„Hier entlang“, sagte Henriette und wies mit ausgestrecktem Arm zur Kammer hin. In der Küche brodelte es aufgebracht. Sie ging nachsehen.
„Weißt du“, sagte sie später, viel später, als der Gasmann bereits zum zweiten Mal in sie eindrang, „ich werde meinen Mann verlassen.“
„Auch gut“, stöhnte er. „Man sollte hin und wieder was neues probieren.“

Henriette begann, ihren Mann zu verlassen. Zunächst beschränkte sie sich darauf, nicht mehr mit ihm zu sprechen. Das führte schnell dazu, dass ihr Gatte immer häufiger des Abends ausblieb und seine Gesprächspartner in der Kneipe suchte. Bald ließ Henriette die säuernde Milch im Kühlschrank unbeachtet, rannte aber ins Fitnessstudio, um sich selbst frisch zu halten. Dann wieder trat sie gegen den Wäschekorb und immer mittwochs am Vormittag als vernachlässigte Ehefrau in Erscheinung. Sie fühlte Kräfte und Säfte in ihm, den Gasmann, und in sich selbst mit den seinen sich so herrlich vermengen, dass sie vor Vergnügen schrie und ihre Nägel in seine Pobacken trieb.
Als die Tür mit lautem Krachen ins Schloss fiel, war es zu spät. Der junge Mann schaffte es gerade noch, von ihr abzuspringen und sich in seinen Blaumann zu wurschteln. Da stand der gehörnte Gatte schon vor dem teuren Perser, auf dem seine Frau sich lasziv aalte.
„Überraschung“, lachte sie und sagte plötzlich sehr ernst: „Ich werde dich verlassen.“ Sie stellte die Beine auf und spürte den Saft des Anderen aus sich heraus laufen. Ihr Mann hob die Hand und bedeckte seine Augen. Der Gasmann huschte hinaus, in jeder Hand einen Schuh.
„Man denkt immer, man weiß schon alles“, stöhnte ihr Mann. „Aber ich kenne mich selbst nicht einmal.“ Er bewegte sich nicht. Sie legte beide Hände auf ihre Brüste. „Willst du mit mir schlafen?“
„Nein.“
„Was willst du dann?“
Er ließ die Hand sinken und sah auf ihr Muttermal am Hals.
„Verlass’ mich nicht!“


Nun würden sie also gemeinsam ausgehen. Aus Henriettes Sicht war es ein edles Bemühen, ihrem Mann einen letzten Wunsch zu erfüllen, bevor sie ihn verließ. Für ihn, der sich an das Gute in ihr klammerte, war es ein Zeichen ihres Einlenkens.
Er glaubte sehr an das Gute im Menschen. Erst recht in einem, mit dem er beinahe zwanzig Jahre seines Lebens verbracht hatte. Er wollte diese Jahre nicht vollständig neu überdenken müssen. Deshalb beschloss er, einfach dort weiter zu machen, wo sie aufgehört hatte, ihn zu respektieren.
Der Abend kam und Henriette stand vor dem Spiegel. Sie steckte sich die Haare auf. Er lag auf dem Bett und sah ihr zu. Sie hatte einen schönen Körper, noch feste Muskeln, pralle Flanken. Sie hatte ein wenig Speck angesetzt, an Schenkeln und Hüften, aber formschön. Ihre Haut war fleckenlos, der Nacken glatt und schmal. Sie trug weiße Spitzenunterwäsche und Strümpfe mit Strumpfhaltern.
„Seit wann tust du das?“ fragte er.
„Was?“
„Seit wann trägst du Strümpfe?“
Sie nahm eine Haarnadel und öffnete sie mit den Zähnen. Während sie die Klammer feststeckte, liebkoste ihr Blick das eigene Spiegelbild.
„Schön, nicht?“ Sie lächelte verzückt.
Er stützte sich auf die Ellenbogen. In diesem Moment tauchte ein schmerzliches Bild vor ihm auf. Henriette in einem großen Bett mit grauem Bettzeug. Es war Sommer, viel zu heiß im Krankenzimmer. Sie lag bis zu den Zehen aufgedeckt, von einem kurzen Kittel umhüllt, dessen Stoff so steif war, dass er sich wie eine Gebirgslandschaft über ihrem Körper erhob. Zwei dünne Beine lugten unter ihm hervor. Henriettes anmutigen, beweglichen Beine in viel zu enge Gummistrümpfe gepresst.
Er konnte nicht hinsehen. Wie sie da lag und so gar nichts tat, erkannte er sie nicht. Er war es gewohnt, dass sie flatterte, hetzte, sprang und stolperte.
Nun hielt sie still und sah zur Decke. Der Sommer war heiß, viel zu heiß für neues Leben. Sie verlor das Kind und ihre Gebärmutter gleich mit. Henriette liebte Gründlichkeit.
„Wäre es anders geworden, wenn wir ein Kind gehabt hätten?“ fragt er nun.
Henriette stopfte sich drei Haarnadeln zwischen die Lippen. Sie zuckte mit den Schultern. Als sie ihr Kleid anzog, sagt sie: „Muss ich nicht mehr drüber nachdenken, hat sich ein für alle Mal erledigt.“ Zu seiner Verwunderung fügte sie an: „Gottseidank! Ich würde alles genauso machen.“
Er fiel wieder in die Kissen und grübelte tief. Sie schlüpfte in ihre Pumps.
„Willst du nicht aufstehen? Die Vorstellung beginnt in einer Stunde.“
Wie sie Vorstellung sagte! Als gingen sie zu einem Opernfest.
„Es ist nur ein Schwimmwettkampf“, erinnerte er sie. Henriette malte sich die Lippen rot.
„Du hast doch das Kind verloren, damals?“ In seiner Brust stach ein Schmerz. Es war, als bliebe ihm die Luft weg.
Henriette sprühte sich ein wenig Parfüm auf die Handgelenke. Sie schnupperte, schaute über ihren Handrücken in den Spiegel hinein auf ihren Ehemann.
Idiot, dachte sie.

Sie bogen auf den Parkplatz ein. Ein uniformierter Mann schickte sie zu einer Parklücke. Henriette wollte aussteigen. „Ich gehe schon mal das Ticket lösen.“ Sie schlüpfte zur Autortür hinaus. Er lenkte das Auto auf den Stellplatz, schaltete die Zündung aus, entgurtete sich, öffnete die Tür, stieg aus und schloss ab. Er hatte eine Fernbedienung. Aber die benutzte er nicht.
Henriettes Lachen wehte über den Platz. Als er zum Ausgang schritt, sah er sie mit dem jungen Sicherheitsmann plaudern, der ihnen den Weg gewiesen hatte. Ihr Haar wirkte wie ein schwarzer Turban. Ihr Kopf neigte sich eben zur Hand des Jungen hinab. Ihr Nacken leuchtete weiß.
Sie ließ sich Feuer geben. Sie warf den Kopf zurück und blies dem hoch gewachsenen Mann Rauch ins Gesicht. Der lachte tief. Henriette lachte auch.
Er ging langsamer und tat, als suche er in seinen Hosentaschen nach irgendwas. Sein Blick fraß sich böse an die beiden heran.
Henriette stand stocksteif, wie eine dieser Schaufensterpuppen, die er täglich an- und auszuziehen hatte. Ihre bloßen Arme waren hell und gerundet, ohne jeden ersichtlichen Knorpel. Den einen hatte sie in die Hüfte gestützt, der andere hielt, aufrecht angewinkelt, die glimmende Zigarette. Ihre Beine standen perfekt, das Linke ein bisschen vorgestellt, die Schuhspitze nach außen gedreht, die Knie aneinander gedrückt. Um ihre schlanken Schenkel knisterte der Saum schwarzen Tafts. Ihre Haltung war graziös. Einstudiert. Sie schob das Becken vor, brachte dem Fremden ihren reifen Busen entgegen, eine hüftlange, ärmellose Bluse bedeckte ihre ein wenig fallenden Schultern. Ihr Kinn war, schmal und spitz, angriffslustig auf den jungen Mann gerichtet, dessen Gesicht er, wie das ihre, nur im Profil sehen konnte. Wieder lachte sie.
Er fühlte sich betrogen.
Er fühlte diese Übelkeit in sich aufsteigen, die ihn erstmals befiel, als er sie, Henriette, gefragt hatte, ob sie ihn, Peter, heiraten wollte. Damals hatte sie schon dieses Lachen, dass so unvermittelt, so kehlig und spöttisch aus ihr hinausdrängte, als hätte sie es nicht unter Kontrolle. Dieses Lachen hatte ihn fasziniert und er verliebte sich in das Ungestüme, Wilde in ihm und glaubte eigentlich nicht daran, dass Henriette einer Heirat zustimmen würde. Entgegen seinen Erwartungen willigte sie ein und vor lauter Glück und Rausch hatte sich ihm der Magen umgedreht.
Kotzen könnte er. Hier, auf der Stelle, ihr und diesem Grünschnabel einfach vor die Füße kotzen.
Er trat neben sie. Henriette ließ ihre Zigarette fallen. „Na, dann wollen wir mal.“ Der Wachmann ging weg. Peter sah zur silbernen Wölbung des Hallendachs hinüber.
„Hure!“ sagte er und Henriette lachte.


Eine maßlos und üppig wabernde Schwüle empfing sie. Sie staute sich unter dem Hallendach, drückte gegen die getönte Glasfront längsseits zum Becken, kroch in Achselhöhlen und Augen.
„Mein Gott“, stöhnte Henriette. Sofort bildeten sich winzige Schweißperlen auf ihrer Oberlippe. Sie wedelte sich mit der Hand Luft zu. Es brachte keine Abkühlung.
Peter ging nach ihren Plätzen suchen. Er guckte mit gesenktem Kopf die Reihen ab, schlich mit krummen Rücken die Treppen hinunter wie ein lastentragender Bauer. Seine Schultern waren schmächtig, die Hose hing. Immer wieder schnellte sein Kinn vor und zurück, suchte sein Blick nach Übereinstimmung von Karten- und Sitznummer, zackig, rhythmisch, als würde er Erbsen zählen. Er konnte sich die Zahlenfolge einfach nicht merken.
Henriette wendete sich ab.
Ein Brausen war um sie herum, wie auf einem Flughafen. Sie schaute über Köpfe und Schultern hinweg, suchte in den Reihen nach ihr bekannten Gesichtern. Eine Frau, sie saß gleich am Gang, neben der wartenden Henriette, kreischte aufreizend. Sie bog ihren Oberkörper zurück und schlug sich mit den Händen auf die Schenkel.
„Der ist gut, der ist gut!“ lachte sie den Mann neben sich an. Der Mann lachte auch und schaute zu Henriette auf.
Henriette stieg zwei Stufen hinunter.
Ein Pärchen kam ihr entgegen.
„Moment bitte“, sagte der Mann, drückte Henriette mit ausgestrecktem Arm beiseite. Sie trat einem am Gang sitzenden Herren auf die Füße.
„Tut mir leid“, sagte sie schnell, verlor den Halt, weil es von hinten drängte und schob und lief schnell ein paar Stufen abwärts. Die Bluse klebte ihr am Rücken, ihre Kopfhaut juckte von austretendem Schweiß.
„Mist“, sagte Henriette. Ein kleiner Junge warf ihr seinen Colabecher vor die Füße. Es spritzte an ihren Beinen hoch und lief an den teuren Seidenstrümpfen ab.
„Scheiße“, rief Henriette.
Die Mutter des Knaben gab dem Bengel eins hinter die Ohren. Das Kind schrie, wollte eine neue Cola und sowieso alles dem Papa sagen. Die Mutter zerrte an seinem Arm. Das Kind schrie lauter.
Henriette kramte nach einem Taschentuch.
Aus den Lautsprechern rief eine abgehackte Männerstimme nach dem Publikum. Das warf geschlossen die Arme in die Luft und johlte und pfiff und kreischte. Eine Sirene ertönte.
Henriette ließ sich auf den Stufen nieder. Nur für einen Augenblick. Sofort wurde sie von einem uniformierten Mann, freundlich, aber bestimmt, der Treppe verwiesen.
Als Peter sie endlich findet, ist sie klatschnass, außer sich, beinahe hysterisch.
„Was soll ich hier?“ keift sie ihn an.
Seine Stimme ist dunkel, nachdrücklich: „Komm mit!“
Sie drängeln sich durch die Reihen, an Knien und Köpfen vorbei. Henriette starrt auf Peters Rücken. In der Mitte, dort, wo die Wirbelsäule entlang läuft, hat sich auf dem weißen Hemd eine dunkle Schweißspur gebildet. Sie sieht Flecken unter seinen Achseln, die sich in der Bewegung der Arme öffnen und schließen, wie die grauen Flügel eines Falters. Sie fixiert seinen Hemdkragen, die grauschwarzen Borsten im Nacken, die tiefen, dunklen Kerben, die abstehenden Ohren, durch die es vom Neonlicht der Halle blutrot schimmert. Sie riecht seinen Schweiß, sein Aftershave, seine Schlaffheit.
Er taucht vor ihr ab. Er sitzt.
Henriette erstarrt.

„Das ist Tom“, sagt Peter ruhig. Sie konnte ihn deutlich hören. Das Unheimliche seiner Stimme übertönte den Lärm um sie herum.
„Er ist unser Gast“, sagte Peter und klopfte einladend auf den freien Sitz neben sich. „Setz dich doch.“
Henriette war für einen Moment versucht, sich umzudrehen und einfach weg zu gehen. Sie wollte ihren Mann ja sowieso verlassen. Warum nicht jetzt sofort? Wie konnte er es wagen, sie dermaßen zu demütigen?
„Ihr kennt euch ja“, sagte Peter, mit dieser gefährlich leisen Stimme.
Natürlich kannte sie Tom. Sie kannte alles an ihm, seine blauen, bohrenden Augen, sein junges, dunkles Gemächt, die Narbe auf dem Rücken, die Pickel auf seinem Hintern, sein Schreien und Stöhnen und Hecheln.
„Was soll ich hier?“ fragte Henriette heiser.
„Du wiederholst dich, Schatz. Setz dich endlich hin.“
Der Gasmann rutschte unruhig zur Seite.

Hinter den Startblöcken stehen sie. Mit brauner Haut und muskulösen Oberarmen und diesen albernen Hauben auf den Kopf. Sie tänzeln wie junge Pferde, schütteln ihre Hände an abstehenden Armen, als gingen sie zum Boxen. Sie strampeln mit Schenkeln, so dick wie Schweinehälften, massieren sich mit Kopfkreisen die Nacken.
Die Sirene ertönt. Die Sportler steigen auf die Podeste, nehmen ihre Position ein, möglichst jede überflüssige Bewegung vermeidend. Die Körper dehnen sich, krümmen sich dem Wasser entgegen, werden schmal, geschmeidig. Die Zehen schließen um den Rand des Startblocks. Jeder Muskel ist wachsam. Das Publikum schweigt.
Der Startschuss fällt. Die Schwimmer schnellen kopfüber in das Becken. Das Licht bricht sich in aufsteigenden Wasserfontänen. Für den Bruchteil einer Sekunde bleiben die Athleten den Blicken der Zuschauer entzogen. Jeder kämpft, sich mit dem ersten kraftvollen Armzug unter Wasser einen Vorsprung zu erschwimmen. Dann tauchen die Kappen der Schwimmer auf, dicht beieinander, niemand im wesentlichen Vorteil. Der Lautsprecher peitscht die Männer voran. Das Publikum brüllt. Die Schwimmer hasten vorwärts, pflügen das chlorige Grün des Beckens mit vorgeworfenen, teilenden Händen, die Knie unter sich beugend und grätschend, dann Beine strecken, schließen. Ihre Bewegungen erscheinen dem Betrachter konvulsivisch, lassen sich nicht kontrollieren. Wie junge Hunde hoppeln sie über das Wasserfeld, ein jeder eine kleine Bugwelle vor sich her schiebend. Sie stoßen ihre Köpfe aus dem Wasser, die offenen Münder schnappen und prusten. Anschlag mit beiden Händen. Wende, abstoßen mit kraftvollen Beinen, die Arme ziehen durch, auftauchen, Luft holen, zurück. Hops, hops, hops. Meter für Meter für Meter.

Peter applaudierte heftig.
„Er hat mir nicht gesagt, dass du auch kommst“, flüsterte Tom schnell.
Henriette saß ganz still. Sie guckte stur auf das Wasserbecken, auf die zuckenden Menschenleiber in ihm. Teilnahmslos ließ sie die Schwimmer eine Bahn nach der anderen absolvieren. Sie spürte die warmen Ausdünstungen von Tom zu ihrer Linken. Rechts rieb Peters Schenkel sich wie absichtslos an ihrem. Er schaute zu ihr hin, legte ihr eine Hand auf eines der Knie, die sie energisch aneinander presste.
„Was soll das?“ fauchte sie ihn an.
„Ich dachte, wir könnten alle zusammen sein“, sagte er, schaute Bestätigung suchend auf Tom. Der wendete sich ab, verfolgte mit gleitenden Blicken den Wettkampf im Wasser.
Henriette dachte nach. Sie saß, zwischen zwei Männern eingeklemmt, in einem brodelnden Haufen halbverrückter Mitmenschen, die sich in begeisterten Jubelschreien verloren. Zwei Männer, keinen der beiden liebte sie, keiner war ihr mehr Wert als der andere. Den einen kannte sie oberflächlich und den anderen glaubte sie auch innerlich zu kennen. Nun belehrte er sie eines Besseren.
Dieser Mucker!
Es bereitete ihm sichtlich Vergnügen, sie so in der Zwickmühle zu sehen. Er schnalzte mit der Zunge und klatschte seine Begeisterung über die Köpfe der Vorderreihe hinweg. Er lehnte sich vor, die Beine angewinkelt, den Bauch drauf abgelegt, in den mageren Unterarmen bewegte es sich sehnig. Er schaute sie nicht an, auch nicht auf Tom. Er war sich seiner Sache so sicher. Er hatte nur Augen für die Schwimmer, feuerte sie gehässig an, als lägen Tom und Henriette vor ihm in den Bahnen und zappelten um ihr Fortkommen. Er fletschte die Zähne.
Henriette beobachtete ihn von der Seite her, sah auf den zurückweichenden Haaransatz in den Ecken, auf die grauen, feuchten Koteletten. Seine Wangen waren eingefallen, die graue, schlaffe Haut stellenweise gerötet. Schweiß perlte an den Schläfen und auf der Stirn; auch im Nacken glänzte es feucht. Sein linkes Ohr war von vielen tausend Nächten durchgelegen, mit langem Ohrlappen, weich und faltig. Der Kieferknochen sprang plötzlich vor, als Peter seinen Favoriten zurück fallen sah. Er schob die untere Zahnreihe über die obere und stöhnte. Sie erinnerte sich dieser Gebärde, sie ekelte sie an.
Henriette lehnte sich ein wenig zurück und drückte Tom ihren Ellenbogen in die Seite. Sein Gesicht war plötzlich so nah, als er sich ihr zuwendete, so nah waren sich ihre Münder, dass sie mit vorschnellender Zunge seine Nasenspitze hätte berühren können.
Wenn sie gewollt hätte.
Im Moment war ihr nicht nach Liebesspielen.
„Was will er?“ flüsterte sie. Tom warf einen schnellen Blick auf Peter.
„Uns fertig machen?“ flüsterte er zurück.
Henriette sah auf Peter, wie er gebannt ins Wasser stierte, mit vorspringenden Augäpfeln unter entzündeten Lidern. Sie streckte ihren Rücken durch.
„Na, bitte.“
Sie legte ihre Hand zwischen seine Beine. Peter drückte sie fest gegen seinen Schritt und schrie zum Wasser hinunter. Er schrie vor Erregung und Ekel.
 



 
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