Wat is wirklich?

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Haarkranz

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Wat is wirklich?

Wir wohnen auf‘m Dennekamp, Spechtbaumstrass, dem Hirschkamp. Aber stimmt dat? Du denkst, Blödsinn, wo denn sonst? Aber ich mach mir da Gedanken, könnt nämlich sein, wir meinen nur, wir wohnten da.
Wie ich darauf komm? Dat war vorigen Monat, als et so kalt war und wir den sternklaren Himmel hatten.
So gegen 2 Uhr nachts musst ich auf‘t Klo. Ich hock da und guck aus‘em Fenster, freu mich wie die Sterne so reinplinkern. Verdammt, geht et mir durch de Kopp, so hab ich die Sterne lange nicht mehr gesehen, jedenfalls bildete ich mir dat ein.
Ich mach et Fenster auf, sofort hat ich die frische, kalte Luft um de Ohren. Steh da in der Kälte und seh hoch nach die Leuchtpünktkes, manche flimmern, aber die meisten leuchten mich einfach still an.
Nu weiß ich, so gut wie ihr, wie weit die Leucht-Pünktkes von uns entfernt sind. Ich guck und denk, manche von denen gib‘et schon seit Millionen Jahren nich mehr. Aber dat Licht dat die damals verstrahlt haben, is immer noch unterwegs. Ich seh et, jetzt in dem Moment, wo ich vom Clo aufgestanden bin.
Dat muss man sich mal reinziehen: En Stern wie unsere Sonn, oder noch viel größer, all lang verloschen, hat en Lichtstrahl losgeschickt, der reist und reist über Jahre, Jahrhunderte, Jahrtausende, Jahrmillionen, weiter und weiter, bis er endlich auf mein Netzhaut trifft. Netzhaut, die et, als er losflog, so nicht gab.
Trifft also auf mich, wird weiter gereicht an mein Sehnerv, Sehzentrum, Ganglien, Synapsen, Neuronen, also an die grauen Zellen.
Weiter geht et durch en Gestrüpp von Zuständigkeiten, ähnlich wie bei uns auf‘m Sozial oder Finanzamt. Schließlich kommt dat Ergebnis in mein Fingerspitzen an, die auf Plastictasten hämmern und die Story von dem toten Stern und sein Lichtstrahl aufschreiben
Wenn ihr euch dat vorstellt, und immer noch meint ihr wohntet bestimmt auf‘m Dennekamp oder der Spechtbaumstrass, dann mein ich, ihr solltet besser mal in euch gehen.
Näh? Dann anders, ihr bleibt überzeugt, ihr wohnt da, sicher und fest. Lasst uns dat noch mal angucken:
Wo liegt der Dennekamp? Um genau zu sein: Nördliche Halbkugel, 6.1° östlicher Länge, 51.9° nördlicher Breite. Zäher Mergeluntergrund, Kies, hoher Grundwasserstand.
Planet Erde. Äquator-Umfang ca. 40.000 km. Durchmesser ca. 12.400 km. Sonnenentfernung 150 Millionen km.
Dreht sich um ihre Achse, deswegen Tag und Nacht. Geschwindigkeit der Umdrehung, Überschall,1028 Sachen pro Stunde mit uns obendrauf. Gleichzeitig fegt die mit 30 km in der Sekunde um die Sonne, einmal rum dauert ein Jahr. 30 km pro Sekunde, dat tut euch mal rein. In Moers wärste in zwei Sekunden, wenne dat irdisch machen könnst.
Also noch mal, du wohnt auf‘m Dennekamp. Trinkst da Kaffee oder wat, ist egal. Nach sechs Uhr, auch en Bier oder zwei, drei; und rast gleichzeitig mit der kompletten Bude 365 mal im Jahr, wie auf en Karussel um die Erdachse. Gleichzeitig bisse mit schwer vorstellbare 30 km pro Sekunde unterwegs um die Sonne. Führste dir dat richtig vor Augen, musse schwindelfrei sein, um nich auszuflippen.
Aber et kommt noch dicker, is noch längs nich alles.
Damit wir uns nicht falsch verstehen, passiert nicht nur auf‘m Dennekamp. Passiert genau so, auf‘e Spechtbaumstrass, in Kleve, Berlin, New York, Tokio und Kapstadt, also überall auf‘e Welt.
Wo war ich? A so. Erst die Drehung um die eigene Achse. Gleichzeitig Rundlauf um die Sonne und jetzt kommt et:
Die is auch unterwegs. Die rast mit sage und schreibe 250 km pro Sekunde um das Zentrum der Milchstrasse. Für ein Umrundung braucht die, man traut sich dat kaum zu sagen: 211 Millionen Jahre. Dat heißt: Bei 250 Sachen pro Sekunde braucht die 211 Millionen Jahre bis sie wieder da is, wo se jetzt is! Und wir machen dat mit! Rund, rund und noch mal rund, dat mit drei verschiedene Geschwindigkeiten und Richtungen!
Wat soll da dat Achterbahn fahren auf‘e Kirmes? Die nehmen 12 Euro für en Runde und bieten in Wirklichkeit nix dafür, gar nix!.
Da setz ich mich lieber hin und stell mir vor, wie ich per Natur unterwegs bin! Wat is dagegen Schummi und Überschallflug?
Wat eim verrückt machen könnt, is dat mir der Sonne und den 211 Millionen Jahren!
Dat verdausse nich, auch nich wenne dein Leben lang versuchs, dahinter zu kommen, dat wird nix. Deshalb meine Frage von am Anfang: Wat is wirklich?
 

knychen

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hallo wolfgang,
erst dachte ich, dass mein in-mich-hinein-lachen schuld wäre an dem verschütteten kaffee auf der tastatur, aber schnell wurde mir klar, dass bei diesen geschwindigkeiten die tasse hätte leer sein müssen. trägheit und so.
danke für diese aufklärung.
und gruß aus berlin oder wo immer ich gerade bin oder zu sein glaube...
 

Haarkranz

Mitglied
Hallo Knychen, dat mit dem Kaffee is mir beinah auch schon passiert. Bei die Turbulenz weiste wirklich nich wo dir der Kopp steht. Heißt doch Turbulenz, oder?
Grüße vom Niederhein in die BH ( Bundeshauptstadt)Wolfgang
 
K

KaGeb

Gast
Hallo Wolfgang,

oberklasse!
Gibt´s nichts dran zu meckern :)
Köstliche Gedanken, passender Slang.

Grüße, Karsten
 

knychen

Mitglied
mir ist doch noch was aufgefallen, mußte nur ne woche drüber grübeln.
dialekt verwendet man ja normalerweise, um distanz zum bildungsbürgertum zu zeigen und einen regionalen bezug herzustellen.
regionaler bezug ist relativ. die wenigen dialektischen einschleifungen lassen für mich kaum eine geografische zuordnung zu, aber du hast ja ortsnamen genannt, bzw straßennamen (kamp), die eine bessere einordnung zulassen. (wenn man viel unterwegs ist und somit vergleichsmöglichkeiten hat)
daß du aber diese vielen bahnparameter, bodenbeschaffenheiten, all dieses spezielle halt parat hast - das passt irgendwie nicht zum dialekt.
trotzdem würde ich das gerne mal in knallharten berliner dialekt umschreiben.
wenn ich darf...
gruß knychen
 

Haarkranz

Mitglied
Hallo kynchen, meinze denn, wegen den dialegt sähße kein Sterne und wüsst nicht wie die brummen? dat mit die bahndaten finnze in jedes Lecksicon. Du darfs dat gern in berlinisch übersetzen, würd mich freuen.
Den anderen Lautgebern, herzlichen Dank für die Bemühung. Ach ja heut is Karfreitag, gleich gib et Fisch.
Frohe Ostern, Haarkranz
 

Balu

Mitglied
werklich iss, wann mer e glas grauburgunder schlabbere duhd,
unn derf so was lese

ich war long net mehr in de leselupe

abber doin text do, der sahd mir, desses arg zeit worre iss

es fällt mir leicht, ihn zu bewerten

Grüße vom Bären
 

Haarkranz

Mitglied
Wat is wirklich

Hi Balu,
en lecker Weinchen schlürfe, is dat wat ich am liebsten tu. Ich steh auf Riocha, schwenk aber langsam auf Deutsch Südwest über. Seitdem die Wärm bei Euch kalaharisch wird, kommt dat die Dröppkes zu gut. Freut mich dat mein Text dich Durst gemacht hat. Haarkranz
 



 
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