Weine nicht um mich

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Weine nicht
um mich

Steh' nicht
an meinem Grabe
und weine
um mich

Denn ich bin
nicht hier

Ich bin das Flüstern
des Windes,
der Schlag
deines Herzens,
der erste Sonnenstrahl
des jungen Morgens,
der funkelnde Stern,
der deine Nacht erhellt,
der Engel,
der deine Träume bewacht,
die Liebe,
die dich auf ewig begleitet

Weine nicht
um mich

Steh' nicht
an meinem Grabe
und weine
um mich

Denn ich bin
nicht hier
 
"weine nicht um mich"

Nu ja, der Text ist ordentlich gearbeitet, symmetrisch, was die Kernaussage verstärkt.
Alleine, genau diese Kernaussage macht mir Kopfweh, denn sie bedient ein sehr abgegriffenes Klischee. Und wenn man schon nicht Häresie daraus ableiten will (die "Grab-ist-leer-Szene" Jesu => Weint nicht um ihn, Jungfrauen, Er ist nicht hier!), so einen pantheistischen Naturalismus im Sinne einer bestimmten historischen Ausprägung der Romantik.

Es stimmt schon, dass Tote recycled werden, aber nicht in der Form eines früheren "Ich", sodass "ich bin Windgeflüster, Kaffeesatz, Regenwasser,..." eine verfehlte Darstellung ist.
Nicht, dass mir die Sympathie für Romantik fehlte, wohl aber für falsche, unechte, überzogene, zuckersüß-sirupöse.
 
dass Liebe nicht mit dem Tod endet

ja, von mir aus...

Aber welche Beweise möchtest Du dafür vorbringen? Und, wenn das nur eine Setzung ist (im Sinne tröstlicher Hoffnung), dann bitte auch im Text unter dieser Flagge vorweisen und nicht als Tatsache.

PS. "Lieben" ist eine Äußerung lebendiger Wesen. Warum sollte ausgerechnet dieses nicht mit dem Tod der Wesen enden?
Ich sag Dir, warum: Weil man zwar "lieben" kann, es aber "die Liebe an sich" als Realium nicht gibt. Das Wort ist ein Reflexionsterminus (= versubstantivierte Adjektive, oder seltener: Verben), und solche haben keine realen Inhalte. Ist bei "das Gute", "das Böse", "die Gerechtigkeit" usw immer dasselbe, und, weil diese Worte inhaltslos sind, eignen sie sich hervorragend für die Zeitlosigkeit als Denkhintergrund. Und so kommts dann zum scheinbar völlig plausiblen Ewicum "Liebe".
 
Ich finde es sehr bedauerlich, dass 'die Liebe an sich' für Dich ein inhaltsloses Wort und nicht real ist...

Für mich ist es eine Tatsache und ich habe es weder nötig etwas zu beweisen noch beabsichtige ich irgendwelche Beweise vorzulegen.

Wie auch immer,
ich wünsche Dir ein Leben voller Liebe,
gute Nacht,
Chris
 
Du brauchst ja auch keine Beweise vorzulegen,

es ging darum, dass im Text klarsein sollte, inwiefern "Liebe" als literarisches Ewicum heute noch legal ist/ jemals legal war, oder, dass der Begriff halt als Trosthoffnung gebraucht wird.

Zum Rest.
Für mich ist das so: Wer Unplausibles behauptet, ist in der Beweispflicht. Die Annahme, dass irgendeine Lebensaktivität über den Tod hinaus andauern könne, ist ziemlich unplausibel.
Dahinter steckt, das Sterbenmüssen nicht ernstnehmen zu wollen, und in Umkehrung, das Leben nicht ernstzunehmen, denn Leben und Tod gehören untrennbar zusammen.

Das "harte" Wissen darum, dass zb Mutterliebe nur während des Lebens existieren kann, wertet diese Mutterliebe nicht ab, sondern macht sie im Gegenteil noch viel einmaliger, unwiederholbarer, kostbarer. (Alles hat seine Zeit, auch die "Liebe", und "zeitlos"= ewig sein, hieße: fast wertlos sein, weil immer vorhanden.)
 

Brigh

Mitglied
Ich mag das Gedicht sehr, und für mich hat es keineswegs etwas aufgesetzt romantisches. Es berührt mich, das ist selten; und trotzdem der Kern des Geschriebenen nicht wirklich neu ist, freue ich mich, dass sich wenigstens noch jemand herantraut und es dann auch noch gut umsetzt, Kompliment.

Ist Liebe wertlos, nur weil sie für immer ist?
Um meine Meinung kundzugeben:
In oben genannten Satz stecken zwei Fehler, und zwar 1., das Liebe wertlos ist, und darin stimme ich wohl mit nahezu jedem überein, und 2. habe ich die Auffassung, dass man ewige Liebe erst einmal FINDEN sollte. Das heisst im Klartext, natürlich gibt es vergängliche Liebe, aber sicher auch die ewige, und beides ist unendlich kostbar, weil immer wieder einzigartig.

Einverstanden? Brigh
 
D

drachenfliege

Gast
Hallo Chris,

mir gefällt Dein Werk auch.

Lass Dich von Waldemar nicht irritieren.
Er macht wohl gern auf intellektuell und vergißt dabei zu leben.
Wir befinden uns hier auch nicht vor der 3. Strafkammer des Kulturüberprüfungsausschusses.;)

Lieber Gruß,

DF
 
S

Sheerie

Gast
Hallo Christiane,

ich möchte an dieser Stelle etwas zu deinem Werk sagen.
Meiner Ansicht nach, ist dies ein sehr zu Herzen gehendes Gedicht, welches durch seine schlichte Wortwahl besticht
und durch seine Einfachheit dem Leser sehr nahe geht.
Die Auffassung von W. Hammel kann ich in keiner Hinsicht teilen.
Um so mehr schließe ich mich dem Kommentar von Brigh an.
Aus der Sicht des Angesprochenen gesehen, möchte ich meinen, dass du dem Zurückbleibenden die Möglichkeit bietest, dem der geht, gegangen ist weiter im alltäglichen Leben zu begegnen und in aller Einfachheit nah zu sein.

Wer mag über Liebe oder das Ende einer Liebe eine Festlegung treffen, sich anmaßen darüber zu urteilen?

Niemand, der Meinung ist Sheerie.
 
@waldemar,

lieber waldemar,
hier hast du dich etwas sehr deftig ausgedrückt, wobei ich deinen urteilen meistens viel respekt entgegenbringe.

mir ist dieses gedicht auch nicht ganz geheuer, es ist ein wenig zu dick aufgetragen.

@all,
waldemar ist schon sehr lang in der lupe und man kann seinem urteil trauen... hart aber fair bis herzlich.
außerdem hat er schon sehr viel gelesen und ich denke mein eindruck von ihm ist durchaus liebesfähigkeit, fairnesse grosses sachliches urteilsvermögen.

Nicht, dass mir die Sympathie für Romantik fehlte, wohl aber für falsche, unechte, überzogene, zuckersüß-sirupöse.
mit freundlichen grüssen heike
 
liebe christine,

ich finde dein werk zu dick aufgetragen

durch die wiederholungen am ende
Weine nicht
um mich

Steh' nicht
an meinem Grabe
und weine
um mich

Denn ich bin
nicht hier
und durch zuviele der völlig unrealistischen aussagen. ich meine weniger ist mehr.
dein werk lässt mich nicht völlig unberührt, zugegeben.das gute wollen kommt durch.

Ich bin das Flüstern
des Windes,
der Schlag
deines Herzens,
der erste Sonnenstrahl
des jungen Morgens,
der funkelnde Stern,
der deine Nacht erhellt,
der Engel,
der deine Träume bewacht,
die Liebe,
die dich auf ewig begleitet
deine poetische sprache klingt zweifellos wunderschön.
aber es sind einfach zuviele dieser aussagen. und wenn es um den tod eines menschen geht der sagt, auch wenn ich nicht mehr da bin, ich bin bei dir... dann finde ich die art der aussagen in ihren formulierungen sehr vermessen.

mit freundlichem gruss heike
 
Mir ging es bei dem Text um was Anderes:

Der Text beginnt ambivalent, in Form zweier Schienen: "Weine nicht um mich" (allgemein) und "Steh nicht an meinem Grab, und weine um mich" (lokal), diese beiden Aussagen sind nicht identisch, sie heißen "gar nicht um ... weinen + nicht am Grab um ... weinen", wobei letztere Aussage unangenehm, weil abgegriffen, an das christliche Motiv der Jungfrauen am Grab Jesu erinnert.

Darin sehe ich fast sowas wie eine kleine Gotteslästerung, weil sich hier "Mensch" mit "Jesus" doch gleichzusetzen versucht, indem dieses letztere Bild doch ein bereits-Auferstandensein impliziert ("Mensch" wird aber, in chrstl. Symbolik, erst am Ende der Welt auferstehen, sodass der im Text vortragende Gestorbene also sehr wohl noch im Grab liegen müsste und auch nicht sprechen würde, da bis zum finalen Gottesruf gültig-tot.)
Dass der Gestorbene im Text überhaupt vorträgt, ist eine Ungeschicklichkeit der Gestaltung, denn in der chrstl. Jesus-Szene trägt wenigstens (nur) ein Engel vor "Er lebt", aber nicht Jesus selbst. Das "Wunder" entsteht gerade daraus, dass ein Engel erzählt, was Sache ist. Würde Jesus selbst am Grab stehen und den Jungfrauen kundtun: "Macht euch mal nicht ins Hemd, ich bin ja wieder lebendig", dann wäre die Szene eher lächerlich als wunderbar, und die jungen Frauen würden ihn etwa für nur-scheintot gehalten haben.

Danach ist Jesus "entrückt", er bleibt aber als Jesus erkennbar, löst sich nicht auf in Einzelteile.
Jesus bleibt auch danach "selbstidentisch".

Der Jesus-analoge Gestorbene im Text, ebenfalls (wie ein Gottessohn) direkt auferstanden, ist danach aber vereinzelteilt in Allem, und das heißt schlicht, er geht den animistischen Weg = zurück ins Allessein, was dem chrstl. Bild derart diametral widerspricht, dass ein Giordano Bruno dafür 1600 immerhin auf dem Scheiterhaufen endete.
Der Text-Verstorbene gibt seine Selbstidentität auf und bekommt dafür eine überhöhte Alles-Identität = Ich bin jetzt alles (der Text-Mittelteil schildert ausdrücklich Beispiele dieses "Allesseins"). Das ist Animismus, und es ist eine Form des Pantheismus.
Das chrstl. Bild von der Grabesauferstehung Jesu wird somit als Einstieg benutzt zu einem dann ausgemalten Pantheismus. Entweder wurde, da sich beide historischen Entwürfe völlig widersprechen, also hier das chrstl. Bild nicht wirklich verstanden, oder der Pantheismus nicht.
Oder beides käme in einer neuen, bisher nicht bekannten Art der Synthese, wofür sich im Text aber keine Hinweise finden, weil der Text eine solche stattgefundene Synthese bereits voraussetzt, statt sie zu begründen.

Das chrstl. Auferstehungsbild ist die Textklammer = zu Anfang und am Ende, und im Mittelteil "findet" Pantheismus statt = Widerspruch
Daher ist die Ich-Form des Erzählten dann problematisch, denn in animistischer Einheit des "Eins ist Alles" existiert gerade eben kein Ich. Animismus und Ich-Sein (auch eines Erzählers), also selbstidentisch sein, schließen einander aus.
Hier wurde also entweder das Prinzip der Selbstidentität oder die Grundlage des Animismus nicht verstanden, beides synchron/ gleichzeitig geht nicht = Widerspruch

Dann impliziert der Text, dass man um Gestorbene weint. Mag zwar üblich sein, aber dies -einfach so- vorauszusetzen, ist hier problematisch, denn: Im Text klingt die Sache eher so, als würde der Gestorbene zu Anfang dieses Weinen zuerst in zwei Anläufen suggerieren, um danach beweisen zu können, wie dumm der Weinende doch ist, und wie falsch der mit seinem Weinen liegt.
Im analogen Bild: "Liebchen, iss doch hier von der Kohletorte, schmeckt gut! - Ach, wie kannst du nur so dämlich sein, Kohletorte zu essen?"

Und ein Letztes: Der Mittelteil des Textes ist animistisch "Eins ist Alles". Dass im Animismus die Selbstidentität eines "Ich" unmöglich ist, und damit auch ein Ich-Erzähler nicht denkbar, wurde bereits genannt.
Eine weitere Auswirkung des Animismus ist jedoch, dass, falls etwas alles ist und somit auch alles bedeutet (= Hypersemiose*), dies aus Gründen der Logik auch dann besagt, dass es garnichts bedeutet (denn von jeder wahren Aussage ist aus Gründen der binären Logik auch das genaue Gegenteil wahr/ a = a woraus folgt nicht-a = nicht-a).
Dies aber lässt ein Weinen dann als überflüssig erscheinen, denn um Bedeutungsloses weint man ja nicht. Damit aber würde die chrstl. Klammerung des Textes zu Anfang und Ende wegfallen, und übrig bleibt dann nur noch ein animistisches Mittelteil, in dem animistisch-unmöglicher Weise ein Ich-Erzähler sich selbst in einigen Bildern als animistisch im Allessein aufgelöst beschreibt.

Generell muss der Text natürlich in solche Widersprüche hineingeraten, weil er unausgesprochen bereits zugrunde legt (und dies als üblich voraussetzt), dass ein "Ich" auch nach dem Gestorbensein weiterhin vorhanden bleibt, und er sich somit selbst das Problem erzeugt, wo bleibe ich mit diesem Ich, wenn physisch nichts mehr da ist, der Gestorbene sich im Grab aufgelöst hat?

Die handfeste Lösung: Die Einzelteile, aus denen der Gestorbene bestand, fließen auf natürlichem Weg zurück in die natürlichen Kreisläufe (Chemie zu Chemie) als Substanzen für neue Spiele, vollzieht der Text nicht, weil er das mystische Bild der Seele zugrunde legt.
Erfinde ich mir aber eine "ewig leben sollende Seele", dann habe ich auch das Problem anzugeben, wo diese bleibt, was sie treibt, wenn das Körperliche vergangen ist.
Und löse ich dann aber -wie im Text- diese Seele im animistischen "Eins wird Alles" auf, dann habe ich keinen Gegenstand mehr, über den ich reden könnte, um den man weinen müsste, an den man überhaupt als (mit sich selbst identischen) Gegenstand noch denken könnte, weil dem Denken dann das Objekt fehlt.

Der Text bricht, zusammengefasst, wie ein Kartenhaus in sich zusammen und die Trümmer bestehen aus nicht-zusammenpassenden, weil widersprüchlichen Einzelteilen, die aber auch nicht im Sinn der Komplementarität zusammengehen. Der Text ist daher eine Konfusion unüberlegter oder nicht verstandener Versatzstücke von Denkansätzen zur Welterklärung. Er verstößt gegen die Regeln redlichen Denkens und führt den Leser in ein konfuses Dickicht ohne erhellenden Nutzen, da Dickicht aus dem Textinhalt heraus nicht auflösbar.

---

* Hypersemiose:
Wenn ein Zeichen nicht für eine bestimmte Sache konnotiert, nicht auf einen bestimmten Gegenstand hinweist, sondern ein Zeichen für alles sein soll, dann verliert es seinen sinnvollen Zeichencharakter, der daraus besteht: "Zeichen A weist hin auf Gegebenheit B".

Beispiel: Ein Wort, das alles bedeuten soll, bedeutet damit zwangsläufig auch garnichts.

Dies ist ein Grund, warum sich zB selbst die Chiffre "Gott" die Welt mit einer -quasi zu ihr symmetrischen- Chiffre "Teufel" teilen muss: "Chiffre "Gott" weist hin auf eine abzählbare Anzahl von Gegebenheiten/Eigenschaften, und Chiffre "Teufel" ebenso auf eine abzählbare Anzahl von andersartigen, also von ersteren unterscheidbaren Gegebenheiten/Eigenschaften". Auch beide zusammen "Gott + Teufel" ergeben somit keine Hypersemiose, weil die Summen-Anzahl der Eigenschaften beider abzählbar bleibt.

Die Chiffre "allmächtiger Gott" ist indes in sich selbst eine Hypersemiose, da "Allmacht" zu logisch-unauflösbaren Widersprüchen führt (ZB "Gott" kann einen Stein machen, der so groß ist, dass er ihn selbst nicht mehr hochheben kann. Kann er das, dann ist er nicht allmächtig, weil er den Stein nicht heben kann, kann er solchen Stein aber gar nicht herstellen, ist er ebenfalls nicht allmächtig.)

PS: Ich ersetze die Worte "Tod/Totsein" immer durch "Gestorbensein", weil letzteres den dynamischen Verlauf von Leben bis nicht-mehr-Leben beinhaltet, während "Tod" eine statische Sache beschreibt. Damit wird der dynamische Zustand des nicht-mehr-Lebens verkannt, und stattdessen erzeugt man rein sprachlich schon ein Eingefrorenes, ein Gespenst mit personenähnlichen Zügen, was schon aus sich heraus Bedrohlichkeit suggeriert.
Man bedenke, wie selbstwidersprüchlich das Wort "tot-sein" ist, da es nach dem Gestorbensein kein Sein mehr gibt, dies ist ja gerade die Definition von "nicht mehr leben".
 
Ja, bitte,

ich kommentiere, falls ichs tue, mit Genuss und Egoismus, und daher möglichst intensiv, ganz im jeweiligen Text drin, denn ich selbst lerne am Meisten dabei, und auf diese Art prägen sich Texte auch spielend leicht ein.
 
@Waldemar Hammel

Das merkt man, und ich lese ihre Kommentare auch mit Freuden, und das meine ich ganz ehrlich.
Ich finde es sehr erstaunlich wieviel Mühe sie sich mit diesem kleinen Gedicht machen.

Liebe Grüsse,
Chris
 



 
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