Martin Kirchhoff
Mitglied
Weinglas und gelber Koffer
Niemand in der Kneipe wusste, wer er war, obwohl er oft kam und dasaß. Immer allein. Nie unterhielt er sich. Er bestellte den Wein und schwieg, bis er dem Wirt zurief, er wünsche zu bezahlen. Mehr nicht. Selbst der Wirt, der von den Stammgästen mit Fragen zerlöchert wurde, kannte den Fremden nicht, der korrekt gekleidet im schwarzen Anzug und einer dezenten silbergrauen Krawatte auftrat. Der hellgelbe Aktenkoffer, den er mit sich führte, fiel auf. Behutsam legte er diesen auf den nebenstehenden Stuhl, den er zu sich zog. Er saß da, blickte auf das Weinglas, das rot funkelte, drehte es hin und wieder langsam und lauschte. Einmal beobachtete ein an der Theke Stehender, wie der Unbekannte den Zeigefinger der linken Hand auf die zugespitzten Lippen drückte, als bäte er um Ruhe. Oft strich er mit der Hand sanft über den gelben Koffer, den er selten öffnete. Jedermann konnte beschwören, dass der Koffer leer war. Der Fremde äugte in den Koffer und lächelte beglückt und zufrieden, als freue er sich nichts zu besitzen. Nach wenigen Augenblicken schloss er den Koffer und sinnierte erneut dem Weinglas zu.
Nur einmal bestellte er mehr als einen Wein. Beim fünften Glas raunte er sich zu, niemand wisse, dass in seinem Koffer die Erinnerungen aller Räume und Zeiten seines Lebens seien. Die Anwesenden schwiegen hörend. Eine andächtige Stille lag im Raum, als der Fremde sprach.
Nach dem fünften Glas Wein bezahlte er hastig und schwankte durch den Türrahmen in die Nacht. Seither kam er nie wieder. Beide Stühle bleiben unbesetzt. Stillschweigend gelten sie als reserviert.
Martin Kirchhoff
Niemand in der Kneipe wusste, wer er war, obwohl er oft kam und dasaß. Immer allein. Nie unterhielt er sich. Er bestellte den Wein und schwieg, bis er dem Wirt zurief, er wünsche zu bezahlen. Mehr nicht. Selbst der Wirt, der von den Stammgästen mit Fragen zerlöchert wurde, kannte den Fremden nicht, der korrekt gekleidet im schwarzen Anzug und einer dezenten silbergrauen Krawatte auftrat. Der hellgelbe Aktenkoffer, den er mit sich führte, fiel auf. Behutsam legte er diesen auf den nebenstehenden Stuhl, den er zu sich zog. Er saß da, blickte auf das Weinglas, das rot funkelte, drehte es hin und wieder langsam und lauschte. Einmal beobachtete ein an der Theke Stehender, wie der Unbekannte den Zeigefinger der linken Hand auf die zugespitzten Lippen drückte, als bäte er um Ruhe. Oft strich er mit der Hand sanft über den gelben Koffer, den er selten öffnete. Jedermann konnte beschwören, dass der Koffer leer war. Der Fremde äugte in den Koffer und lächelte beglückt und zufrieden, als freue er sich nichts zu besitzen. Nach wenigen Augenblicken schloss er den Koffer und sinnierte erneut dem Weinglas zu.
Nur einmal bestellte er mehr als einen Wein. Beim fünften Glas raunte er sich zu, niemand wisse, dass in seinem Koffer die Erinnerungen aller Räume und Zeiten seines Lebens seien. Die Anwesenden schwiegen hörend. Eine andächtige Stille lag im Raum, als der Fremde sprach.
Nach dem fünften Glas Wein bezahlte er hastig und schwankte durch den Türrahmen in die Nacht. Seither kam er nie wieder. Beide Stühle bleiben unbesetzt. Stillschweigend gelten sie als reserviert.
Martin Kirchhoff