Weit fort

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anbas

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Weit fort

Es war ein grauer kühler Frühlingstag. Einer jener Tage, die für den schlechten Ruf Hamburgs hinsichtlich seines Wetters verantwortlich sind. Durch die Stadt kroch der Feierabendverkehr. Das trübe Licht erzeugte eine Stimmung, die irgendwo zwischen gedämpfter Monotonie und eifriger Betriebsamkeit lag.
Wie an fast jedem Tag um diese Zeit war er auch heute wieder zum Steintordamm gegangen, dieser Brücke hinter dem Hauptbahnhof, unter der die Bahnsteige weit aus dem Bahnhof hinausragten. Von hieraus erstreckten sich die Gleise wie unermesslich lange Arme in die Ferne. Zwar verschwanden sie schon nach einem kurzen Stück hinter der Altmannbrücke, die parallel zum Steintordamm verlief, doch seine Phantasie reichte aus, um ihnen in Gedanken weiter in den Süden zu folgen. Er beobachtete, wie die Züge aus der Ferne. auf den Bahnhof zuschlichen, hineinfuhren und dann kreischend anhielten. Er sah ihnen zu, wie sie langsam anfuhren, sich ratternd und klackernd, über Weichen quietschend aus dem Bahnhof zwängten, um dann immer schneller werdend auf diesen schier endlos langen stählernen Armen zischend zu fernen Orten zu jagen. Wenn die Züge dann unter der Altmannbrücke hindurchfuhren und aus seinem Blickfeld verschwanden, war es für ihn jedes Mal so, als würden sie durch ein riesiges Tor in eine ferne fremde Welt gleiten.
Seine Frau wusste nicht, dass er täglich nach Dienstschluss zu dieser trostlosen Brücke am Hauptbahnhof ging. Er hatte ihr irgendwann einmal gesagt, dass er nach der Arbeit immer noch ein wenig spazieren gehen würde und deshalb nie direkt nach Hause käme - was ja auch nicht gelogen war. Er würde sie niemals belügen. Hätte sie genauer nachgefragt, so hätte er ihr davon erzählt. Aber sie hatte es nicht getan - auch dafür liebte er sie.
Schräg unter ihm - fast zum Greifen nahe - lag der überdachte Bahnsteig der Gleise 13 und 14. Von seinem Platz aus konnte er die Menschen, die am Gleis 14 standen, gut beobachten. Er sah ihnen zu, wie sie sich begrüßten oder verabschiedeten. Pärchen warteten eng umschlungen auf die Ankunft des Zuges. Einzelreisende standen oder saßen neben ihrem Gepäck, telefonierten, lasen Zeitung oder hingen ihren Gedanken nach. Durch die Fenster der Waggons konnte er zusehen, wie die Reisenden ihr Gepäck verstauten, ihre Mäntel aufhängten, den Proviant und etwas zu lesen hervorholten, um es sich dann in ihren Sitzen bequem zu machen. Zwischendurch schallten Lautsprecheransagen weit aus dem Bahnhof hinaus in den grauen Himmel Hamburgs hinein, während auf den anderen Gleisen Nahverkehrszüge und S-Bahnen regelmäßig ein- und ausfuhren.
Langsam verließ ein ICE den Bahnhof, Richtung Stuttgart - er wusste es genau. Stets hatte er einen aktuellen Fahrplan in seiner Aktentasche dabei, in dem nur die Züge aufgeführt waren, die Hamburg anfuhren oder verließen. Viele von ihnen kannte er inzwischen auswendig. Schließlich kam er nun schon seit über dreißig Jahren fast täglich dorthin - egal bei welchem Wetter. Nur an den Wochenenden, an Feiertagen oder in seinem Urlaub kam er nicht zum Steintordamm. Dann widmete er sich ganz der Familie, dem Garten oder der Lektüre von Reiseberichten, die er sich regelmäßig kaufte oder aus Zeitungen und Magazinen ausschnitt, um sie dann fein säuberlich, in Klarsichthüllen gesteckt, in großen Ordnern zu sammeln.
Heute hatte ihn sein Abteilungsleiter bei einer Dienstbesprechung vor allen Kollegen gelobt, weil er die vom Staatsrat angeforderten Informationen so schnell und gründlich zusammengestellt hatte. Es war ihm irgendwie unangenehm gewesen dieses Lob. Galt er doch sowieso schon in seiner Abteilung als der strebsame Musterbeamte, „der zwar nie wirklich Kariere gemacht hatte, der aber dafür ja regelmäßig von den Vorgesetzten gestreichelt werden würde“, wie er gerade kürzlich aus einem Gespräch zwischen zwei Kollegen erfuhr, welches er in der Kantine zufällig mit angehört hatte. Lachend hatten sie dann noch einem Kollegen aus einer anderen Abteilung erzählt, dass er in seiner eigenen Abteilung hinter vorgehaltener Hand eigentlich nur noch 'Herr Bückling' genannt wurde. Später, als er die Kollegen wieder traf, hatte er sich nicht anmerken lassen, dass er deren Gespräch mit angehört hatte.
Seit etwa zwanzig Minuten stand er nun schon dort oben auf der Brücke. Bald würde es Zeit werden, nach Hause zu gehen. Er hatte sich mit beiden Unterarmen auf das Geländer gelehnt und die alte braune Aktentasche zwischen seine Füße gestellt. Ungefähr eine halbe bis dreiviertel Stunde lang verbrachte er normalerweise dort. An jenem Tag, an dem er das Gespräch der beiden Kollegen mit angehört hatte, waren es mehr als eineinhalb Stunden gewesen. Seiner Frau hatte er deshalb extra einen großen Blumenstrauß als Entschuldigung für die Verspätung mitgebracht. Auch damals hatte sie nicht weiter nachgefragt, und er hatte ihr bis jetzt auch noch nichts von diesem Vorfall erzählt. Nun dachte er darüber nach, wie sich die Kollegen wohl das Maul über ihn zerreißen würden, nachdem er heute vor der gesamten Abteilung so gelobt worden war.
Er schaute auf die Uhr. Eigentlich hatte er es sich abgewöhnt, auf die Uhr zu sehen, wenn er dort oben stand. Stattdessen war es eine innere Stimme, die ihn irgendwann dazu anhielt, sich auf den Heimweg zu machen. Doch heute war es irgendwie anders. Es war kurz nach halb fünf. In etwa fünfundzwanzig Minuten würde der ICE nach München abfahren. Dieses war sein Lieblingszug. Er fuhr weit in den Süden. Mit ihm hatte man Anschluss nach Italien, in die Schweiz und zu anderen Orten Europas. Dieser Zug war für ihn der Schlüssel in die Ferne. Immer, wenn er zu Hause einen Reisebericht las, bestieg er in Gedanken zunächst genau diesen einen ICE. Die meisten Orte aus seinen Reiseberichten waren mit ihm zu erreichen. Er wusste genau, wo er umsteigen musste, wenn er nach Zürich, Wien, Prag, Paris oder Mailand fahren wollte. Zwar gab es teilweise auch Direktverbindungen dorthin, doch hatte es ihm dieser eine ICE so angetan, dass er unbedingt mit ihm seine Reisen beginnen wollte. Natürlich kannte er auch die Züge, die nach Berlin, Warschau oder Kopenhagen fuhren. Doch der Süden lockte ihn mehr. Als Kind war er einmal in den Süden gefahren - in den Schwarzwald, mit seinen Eltern. Seit jener Fahrt träumte er von langen Bahnfahrten in die Ferne, in den Süden.
Seine innere Stimme sagte ihm, dass es Zeit wurde, sich auf den Heimweg zu machen. Der Eingang zur U-Bahn-Station befand sich auf der anderen Seite des Steintordamms. Langsam machte er sich auf den Weg dorthin. Er ließ sich Zeit. Immer wieder schaute er hinunter auf die Gleise.
Am Morgen hatte ihm seine Frau nach dem Abschiedskuss lächelnd gesagt, dass sie Butterkuchen backen würde, seinen Lieblingskuchen. In etwa vierzig Minuten würde er zu Hause sein, sich ins Wohnzimmer setzen und wie jeden Nachmittag zusammen mit ihr Kaffee trinken. Bei Kaffee und Kuchen würde sie ihm dann erzählen, was sie den Tag über getan und erlebt hatte. Anschließend würden sie sich noch ein wenig über die Kinder, die Nachbarn, die Verwandten oder ein aktuelles Tagesgeschehen unterhalten. Er war sich noch nicht sicher, ob er ihr von diesem Lob erzählen sollte, dass er von seinem Abteilungsleiter erhalten hatte. Es war ihm immer noch irgendwie unangenehm.
Noch etwa fünfzehn Minuten - dann würde der ICE nach München abfahren. Er blieb stehen und holte sich aus seiner Aktentasche zwei Apfelstückchen heraus, die von der Frühstückspause übrig geblieben waren. Während er sie aß, fiel ihm ein, dass er schon lange nicht mehr direkt im Bahnhof gewesen war. Er liebte die Atmosphäre, die dort herrschte, die ein- und ausfahrenden Züge, die Lautsprecheransagen, das Gewusel von Menschen und das Gewirr von Stimmen und Geräuschen.
Langsam ging er zu der nächsten Ampel, überquerte die Straße und betrat die Bahnhofshalle. Schon nach wenigen Sekunden verspürte er eine unerklärliche Unruhe in sich aufsteigen. Er bemühte sich, ruhig zu bleiben, und schlenderte vorbei an den Läden, in denen man sich mit Proviant, Zeitungen und anderen Reiseutensilien versorgen konnte. Immer wieder blieb er stehen, beobachtete die Züge und betrachtete das Treiben um sich herum. Auf der Höhe von Gleis 11 blieb er stehen. In wenigen Minuten würde von dort der ICE nach München abfahren.
Ihm fiel wieder die Fahrt in den Schwarzwald ein, die er als Kind gemacht hatte. Frühmorgens waren sie mit dem Bus zum Hauptbahnhof gefahren. Seine Eltern hatten viel Mühe damit gehabt, sich sowohl um das Gepäck als auch um die vier Kinder zu kümmern. Fast eine halbe Stunde lang hatten sie dann an Gleis 11 warten müssen, weil sie viel zu früh von zu hause aufgebrochen waren. Doch dann war der Zug endlich da. Und endlich durften sie einsteigen. Und ganz aufgeregt waren sie gewesen, während sie auf die Abfahrt gewartet hatten. Und dann fuhr der Zug endlich ab. Er erinnerte sich daran, dass die Fahrt sehr lange gedauert hatte. Seine Geschwister waren schon nach kurzer Zeit unruhig geworden und hatten nur noch gequengelt. Er dagegen hatte die gesamte Fahrt über am Fenster gesessen und nach draußen geschaut. Selbst, als es später schon dunkel geworden war, hatte er weiterhin in die Nacht hinausgestarrt. Seine Mutter hatte ihn sogar sehr nachdrücklich daran erinnern müssen, dass er zwischendurch auch einmal etwas aß oder trank.
Während er so seinen Erinnerungen nachgehangen hatte, war er hinunter auf den Bahnsteig gegangen. Der Zug wurde über den Lautsprecher angekündigt und fuhr wenig später langsam ein. Direkt vor ihm öffnete sich eine der Türen. Die Menschen, die auf dem Bahnsteig gewartet hatten, drängelten ungeduldig beim Einsteigen. Dann ertönte ein Pfiff, es folgte die Aufforderung zurückzubleiben, und ohne weiter darüber nachzudenken, was er da eigentlich tat, stieg auch er noch schnell vor der sich schließenden Tür ein.
Der ICE war gut besetzt. Trotzdem fand er einen Sitzplatz am Fenster. Sie verließen den Bahnhof. Schon nach kurzer Zeit überquerten sie die Norderelbe. Wenig später folgte die Süderelbe, und dann kam auch schon der erste Halt in Hamburg-Harburg. Die ganze Zeit über hatte er wie versteinert auf seinem Platz gesessen, seine Aktentasche festgehalten und auf die Rückseite des Sitzes vor sich gestarrt. Der Zug fuhr wieder an. Aus dem Lautsprecher erklang die Stimme des Zugbegleiters, der die Reisenden begrüßte. Nächster Halt war Hannover.
Er lehnte sich zurück und schloss die Augen. Er saß in 'seinem' ICE. Er fuhr in Richtung München, in den Süden. Er war einfach eingestiegen und fuhr nun in den Süden! Er spürte, wie sich seine Kehle zusammendrückte und wie sein Herz raste. Er krallte seine Finger in die Aktentasche.
Der Zugbegleiter kam, um seine Fahrkarte zu sehen.
Er hörte sich sagen, dass er eine Fahrkarte Richtung München nachlösen wolle, einfache Fahrt, keine Rückfahrt. Er hörte kaum zu, als der Zugbegleiter ihn darauf hinwies, dass der Platz auf dem er saß ab Hannover reserviert sei, dass dies aber kein Problem wäre, da es noch genügend freie Plätze im Zug gäbe. Er reagierte auch nicht, als er ihm dann noch eine gute Fahrt wünschte.
Draußen sauste die Landschaft an ihm vorbei. So wie damals vor über vierzig Jahren starrte er einfach nur hinaus. Seit der Fahrt in den Schwarzwald war er nie wieder weite Strecken mit der Bahn gefahren. Es hatte sich einfach nicht ergeben. Entweder fehlte das Geld oder es war irgendetwas dazwischen gekommen. Außerdem reiste seine Frau nicht gerne. Sie liebte den Garten - er hatte ihn irgendwann zu schätzen gelernt. Auch die Kinder waren in den Garten immer ganz vernarrt gewesen. Selbst in den Ferien, als ihre Schulkameraden weite Reisen unternommen hatten, waren sie lieber daheim geblieben, hatten im Garten gespielt, ihre eigenen Beete gepflegt oder den Eltern bei der Gartenarbeit geholfen. Nur einmal hatten er und seine Frau sie in ein Ferienlager geschickt. Doch es hatte ihnen dort nicht gefallen. Seitdem hatten sie dann die Ferien wieder stets im Garten verbracht. Er musste lächeln, als er an diese Zeit zurückdachte: die Gartenarbeit mit den herumtollenden Kindern, die Grillabende im Sommer, das Pflücken der Äpfel im Herbst und den leckeren Apfelkuchen, den seine Frau immer gleich am Abend des ersten Erntetages gebacken hatte.
Doch nun fuhr er in Richtung Süden. Wieder lächelte er in sich hinein. Ja er, der Herr Bückling, hatte sich einfach so in den Zug gesetzt und fuhr in den Süden. Was die Kollegen wohl für Augen machen würden, wenn sie von ihm, der doch noch gar nicht mit seinem Urlaub dran gewesen wäre, aus Mailand, Paris oder Athen eine Postkarte bekämen. „Bückling grüßt den Behördenmob!“, würde er schreiben. Er würde im Mittelmeer baden, fremde Städte besichtigen, in Cafés sitzen und es sich gut gehen lassen. All die Orte, die er aus seinen gesammelten Reiseberichten her kannte, würde er besuchen. Zeitpunkt der Rückkehr? Unbekannt!
Er spürte, wie er noch aufgeregter wurde. Seine Finger durchkneteten die Aktentasche und seine Augen wanderten unruhig hin und her. Er wagte kaum zu atmen. Ein leichtes Glucksen machte sich in seinem Hals bemerkbar und er spürte, wie seine Augen feucht wurden. Wieder lehnte er sich zurück und atmete tief durch.
Ein Wägelchen mit Getränken wurde durch das Abteil geschoben. Er kaufte sich einen Kaffee. Beim Bezahlen fiel sein Blick auf das Foto seiner Frau, das er immer in seinem Portemonnaie bei sich trug. Sie würde sich jetzt sicherlich schon Sorgen um ihn machen. Sie hatte sich darauf gefreut, ihm von ihrem Tag zu erzählen. Sie liebte diesen Teil des Tages mit diesen häufig doch recht belanglosen Gesprächen. Sie hatte extra für ihn Butterkuchen gebacken. Sie wartete auf ihn! Sie wartete jetzt gerade auf ihn....
In Hannover stieg er aus dem Zug wieder aus. Mit seinem letzten Geld kaufte er sich eine Fahrkarte und fuhr mit der nächsten Bahn zurück nach Hamburg. Ein dicker Kloß, der ihm kaum noch Platz zum Atmen ließ, hatte sich in seinem Hals festgesetzt. Er nagte an seiner Unterlippe. Er nagte so sehr, dass sie ihm wehtat. Seine Hände pressten die Aktentasche fest an seinen Bauch. Während der gesamten Rückfahrt starrte er nur noch auf die Rückseite des Sitzes vor sich.
Als er dann am späten Abend zu Hause ankam, seine Frau ihm die Tür öffnete, ihn mit großen, verstörten Augen ansah, und ihn sorgenvoll mit leiser, fast zitternder Stimme fragte, wo er denn so lange gewesen sei, sagte er nach einer kurzen Pause, ebenfalls leise und mit einem leichten Glitzern in den Augen: „Weit fort. Ganz weit fort!“.
 
N

no-name

Gast
lieber anbas,

ich schrieb dir ja schon, wie wundervoll und berührend ich diese kurzgeschichte von dir finde, die ich die erst kürzlich in der anthologie "kranichherz" gelesen habe.

vielleicht berühren mich deine zeilen deswegen so, weil ich dieses gefühl, einfach mal aus allem auszubrechen, sehr gut kenne und deswegen nachempfinden kann.
bitte nicht lachen, aber ich hatte beim lesen deiner geschichte spontan den song von udo jürgens "ich war noch niemals in new york", der exakt dieses thema "besingt", im ohr. (nein, ich bin kein udo jürgens-fan!)

am anfang deines textes dachte ich, 'himmel, der protagonist wird sich doch jetzt wohl nicht umbringen und auf die gleise stürzen'(?!) - ich war froh, dass sich deine geschichte dann doch in eine andere, weniger dramische richtung entwickelte.
du merkst also schon, ich war beim lesen voll in deiner geschichte drin, fühlte mit deinem protagonisten mit und genauso so soll es doch bei guter literatur sein!

für mich ist deine geschichte brilliant! nach meinem empfinden stimmt einfach alles! (anbas, ich gestehe, ich hätte sie gern selbst geschrieben...;-))

danke für dieses tolle leselerlebnis, anbas.

herzliche grüße von no-name.
 

anbas

Mitglied
Hallo no-name,

vielen Dank für Deinen Kommentar, über den ich mich total gefreut habe. Es ist einer der Texte, an denen ich sehr lange gearbeitet habe (rund 6 Jahre). Immer wieder habe ich ihn liegen lassen, wieder hervorgeholt und weiter gefeilt. Ein Kommentar, wie Du ihn geschrieben hast, belohnt dann diese Mühe.

Ursprünglich sollte das Ganze mal ein Lied werden - mein Schwerpunkt beim Schreiben war in den letzten Jahren eher die Liedermacherei. Doch ich merkte bald, dass ich das, was ich ausdrücken will, nicht in ein Versmaß 'gezwängt' kriege. Und so entstand dann die Geschichte.

An Udos Song habe ich dabei aber weniger gedacht. Allerdings gibt es ein altes Stück von Truck Stop - 'Amerika' - in dem es um den (unerfüllten) Kindheitstraum geht, einmal nach Amerika zu reisen. Daran mußte ich ab und zu mal denken.

Spannend finde ich auch die folgende Diskussion, die ich hinsichtlich der Geschichte bisher im Bekanntenkreis miterleben durfte:
Die einen sagen, dass der Protagonist versagt hätte. Er hätte es nicht geschafft, sich seinen Traum wirklich zu erfüllen, und würde es vermutlich auch nie wieder versuchen. Die andere Postion ist die, dass es ein erster Schritt war. Diesem Schritt können durchaus weitere folgen. Er hat es erstmals gewagt, seinen engen Rahmen zu verlassen. - Ich persönlich favorisiere eher die zweite Position, kann aber auch die andere gut nachvollziehen.

Also, noch einmal lieben Dank für Deine Worte und die Bewertung.

Liebe Grüße

Andreas
 

Astrid

Mitglied
Lieber anbas

auch ich wurde irgendwie reingezogen in die Geschichte. Obwohl ja lange nicht wirklich was "passiert", konnte ich eine gewisse Spannung, einen Sog spüren.

Ich glaube aber, der Text würde durch einige Absätze noch gewinnen, gerade wenn du das Bürogeschehen oder die Erinnerung an die Fahrt mit den Eltern einschiebst, es liest sich einfach besser.

Auch ich würde mal die zweite Variante bevorzugen, es könnte ein erster Schritt sein, auch wenn ich für einen Moment enttäuscht war, als er wieder ausstieg. Aber manchmal ist ja schon allein der Gedanke, dass er diese Postkarte schreiben würde an seine Kollegen, ein Genuss.

Es wird sehr gut deutlich, wie er eigentlich fast innerlich erstickt an seinem Leben, du sagst mit kleinen Sätzen sehr viel, z.B. Sie liebte den Garten - er hat ihn irgendwann zu schätzen gelernt.
Das Geschehen in und um den Bahnhof hast du sehr eindringlich beschrieben, also ich war mit ihm zusammen auf dieser Brücke.
Auch seine Gefühle, seine Erregung, als er dann in dem Zug saß, hast du sehr gut rübergebracht.

Auch wenn diese Geschichte ja wohl bereits gedruckt vorliegt, so solltest du vielleicht noch mal rübergehen, denn kleine Fehlerchen haben sich eingeschlichen, zu (H)hause
aus der Ferne. auf
etwas zu (L)lesen?


Und den einen oder anderen Satz fand ich vielleicht auch etwas holprig, u.a. auch wegen der Wortwiederholungen, z.B. Butterkuchen, seinen Lieblingskuchen, könnte man so formulieren, dass nur einmal Kuchen vorkommt, könnte, wie gesagt, es ist dein Text und ich will auch keine Krümel kacken... Auch die Feierabendszene mit seiner Frau, ... "wie jeden Nachmittag mit ihr Kaffee trinken... Und bei Kaffee und Kuchen ist dann eigentich unnötig, das noch mal zu erwähnen, und von dem Kuchen wissen wir bereits.

Auch das Gespräch der Kollegen, welches er zufällig mit anhörte, fand ich etwas holprig beim Lesen u.a. mit dem Wort Abteilung, welches ziemlich eng hintereinander auftaucht.
Aber das sind nur Kleinigkeiten.
Die Geschichte ist gut und gut geschrieben.

Liebe Grüße
Astrid
 
N

no-name

Gast
Lieber anbas,

ich freue mich für Dich, dass Dein Text, der bisher für mich unverständlicherweise ohne Kommentar blieb, jetzt auch von Astrid "entdeckt" und kommentiert wurde. Endlich erhält Deine Kurzgeschichte die Aufmerksamkeit und Wertschätzung, die sie meiner Meinung nach verdient hat. So, genug gelobt... ;-)

Herzliche Grüße von no-name.
 

anbas

Mitglied
Hallo Astrid,

vielen lieben Dank für Deine positiven Anmerkumngen und die konstruktiven Vorschläge. Werde ihnen in einer ruhigen Minute mal genauer nachgehen.
Die Geschichte ist übrigens in der Anthologie "Kranichherzen" erschienen.

Liebe Grüße

Andreas

:)[ 4]:)[ 4]:)[ 4]:)[ 4]:)

Hallo no-name,

danke für die Anteilnahme. Ich freue mich auch, dass jetzt doch noch Rückmeldungen kommen (und natürlich erst recht, dass es solch schöne Rückmeldungen sind).

Auch Dir liebe Grüße

Andreas
 

Eve

Mitglied
Hallo anbas,

auch mir gefällt deine Geschichte sehr gut! Vor allem, weil ich das Gefühl, einfach mal gehen zu wollen, fort von allem gut nachvollziehen kann. Es tut mir fast leid für den Protagonisten, dass er so lange gewartet hat, bis er endlich einen Schritt in diese Richtung tun konnte ... einerseits wollte ich, dass er weiterfährt und nicht umkehrt, andererseits musste ich an seine Frau denken ;-) vielleicht packt er sie ja eines Tages und fährt mir ihr gemeinsam irgendwohin ...

Viele Grüße,
Eve

PS: ich habe deine Geschichte auch im "Kranichherz" gelesen, und als ich sie eben hier wieder gefunden habe, wollte ich die Gelegenheit nutzen, meine Gedanken dazu mitzuteilen.
 

anbas

Mitglied
Hallo Eve,

vielen Dank für Deinen Kommentar und dafür, dass Du mich an Deinen Gedanken teilhaben lässt :).

Diese 'Aussteigergedanken' sind mir wohl bekannt - sonst hätte ich wahrscheinlich die Geschichte gar nicht so schreiben können ;).

Manchmal, wenn ich hier in Hamburg mit der U-Bahn unterwegs bin, spiele ich mit dem Gedanken, wie es denn so wäre, einfach weiterzufahren und nicht auszusteigen. Wie es wäre, wenn ich mich so von einem Ziel zum nächsten treiben lasse. Mal sehen, vielleicht gönne ich mir den Spaß mal im Urlaub ... :D.

Liebe Grüße

Andreas
 



 
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