Wenn die Katze spinnt

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Vagant

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Wenn die Katze spinnt

[ 4]Dies sei einer der heißesten September seit Jahrzehnten gewesen, sagte die Katze als sie es sich für ein paar Minuten auf meinem Schoß gemütlich gemacht hatte; dieses wässrige Kobaltblau des wolkenlosen Himmels, welches sich an den Abenden in ein tiefestiefes Ultramarin verfärbe und die Temperaturen selbst in den Nächten nicht unter 20 Grad absenken ließe; sodass es kaum jemand vermochte sich an derart ausgehauchte Septemberabende zu erinnern; kein Regenfass, kein Gras, kein Gedanke sei so gewesen, wie er hätte sein sollen; Mäuse und Käfer verkrochen sich unter den Hecken und die Vögel, gedrückt von schwerer Hitze, suchten im dürren Gras nach dem spätsommerlichen Tau – Gras, in dessen Stängeln sich seit Wochen kein Tropfen Wasser verlaufen hätte; ockergelbes Gras, hart und knisternd wie eine missratene Scheibe Toastbrot, sagte die Katze an jenem Abend auf meinem Schoß.
[ 4]„Ach ja?“, sagte ich, und gab zu bedenken, dass sie nun mal die Kirche im Dorf lassen solle, und ob sie nicht meine, dass sie nun da gerade ein wenig über das Ziel hinaus schieße; sie sei schließlich ein Katze und könne sich wohl kaum an all die September der vergangenen Jahrzehnte erinnern; im Übrigen könne ihr und mir nun auch völlig egal sein, wie sich der September gerade gebärde, da wir ja nun nicht vorhätten, die kommende Nacht im Freien zu verbringen.
[ 4]„Warum denn nicht?“, fragte die Katze.
[ 4]Das läge doch wohl auf der Hand.
[ 4]“Okayokayokay... ich dachte ja nur.“
[ 4]Ich fände es ja prima, log ich unbedacht, geradezu großartig; diese Sommernacht, die Musik, dieser Wein, und, als ob dies allein nicht schon genug wäre, dann noch diese Katze mit ihrer messerscharfen Wetteranalyse, einfach umwerfend, aber sie solle mich nun bitte in Ruhe lassen, da ich, wie ihr sicher nicht verborgen geblieben sei, gerade ein bisschen lese.
[ 4]“Soso?“ Das überrasche sie nun aber wirklich, sie könne sich an Zeiten erinnern, in der ich für derart Ideen und Gespräche einen Ticken empfänglicher gewesen sei.
[ 4]“Bitte?“ Wie sie denn darauf käme.
[ 4]Sie meine ja nur; und es sei ja auch nicht so, dass sie mir da etwas unterstellen wolle, aber dies sei ja nun wohl mehr ein Blättern und Bildergucken als ein Lesen.
[ 4]Dies sei ein Austellungskatalog, gab ich zu bedenken, Hockney, und in solch einem Katalog gäbe es nun einmal mehr zum Gucken als zum Lesen.
[ 4]“Hockney?“
[ 4]“Ja.“
[ 4]“Der Hockney?“
[ 4]“Eben.“
[ 4]“Der mit dem Wasser?“
[ 4]“Verdammt... ja...“
[ 4]“... und den Ärschen?“
[ 4]“Das auch.“
[ 4]“Männerärsche?“
[ 4]“Jaha... Was tut das zur Sache?“
[ 4]“Ach... nur so.“
[ 4]Dieses ‘nur so’ hing nun einen Moment in der Luft – die Katze wusste, dass ich früher oder später danach greifen würde; eher früher.
[ 4]Was sie da konkret meine, fragte ich sie nun.
[ 4]“Womit?“
[ 4]“Mit diesem ‘nur so’. Was willst du damit sagen?“
[ 4]“Nur so halt“, sagte sie und sah mich nun irgendwie komisch an.
[ 4]“Von wegen... ich darf doch wohl bitten! Hockneys Vorliebe für Ärsche ist ja nun konzeptionell völlig anders angelegt... preferenzbedingt, quasie... eine seiner Kernkompetenzen... und ich verbitte mir, hier nun irgendwelche Parallelen ziehen zu wollen... und auch auf die Gefahr hin, dass ich mich da wiederhole: Seine Vorliebe für Ärsche verfolge ja nun ein völlig anders Konzept der Zweisamkeit... nur dass dies hier ein für allemal klar ist!.
[ 4]“Ach so, sehr lustig“, und sie wolle dies nun einfach mal so kommentarlos im Raum stehen lassen, sei nun allerdings nicht sonderlich überrascht darüber, dass mir einzig und allein die Redundanz geblieben sei, wo ihr doch nicht verborgen geblieben sei, dass mir in der letzten Zeit irgendwie die Worte verlorengegangen seien.
[ 4]“Die Worte? Wie kommst du denn nun darauf?“
[ 4]“Jaja, die Worte... einfach nur die Worte. Soll ich’s dir buchstabieren?“
[ 4]“Dass ich nicht lache!“, sagte ich und versuchte mich an einem bühnenreifen Hahahaha.
[ 4]“Lach ruhig! Irgendwo verlorengegangen, sag ich dir... da irgendwo in deinen finstersten Tiefen, eingehüllt in so einem traurigen Altmännermief, der ja schon fast ins Süßliche geht, in irgendeiner alten, dreckigen Kiste voller Weltekel.“
[ 4]“Weltekel? Aber sonst geht’s noch?“
[ 4]“Jaja, Weltekel, du hast richtig gehört“
[ 4]Sie solle sich nun mal nicht lächerlich machen, sagte ich und presste ein erneutes Hahahaha heraus; nun allerdings für die richtig große Bühne: "Hahahaha". Dies sei, sagte ich dann etwas bescheiden, wenn überhaupt, nur eine kleine gewisse entrückte Genialität.
[ 4]Sie lache dann morgen.
[ 4]“Nein, nein, nein... warte... ich wollte es so sagen: So eine Art metaphysische Müdigkeit, meinte ich, ja... metaphysische Müdigkeit... dies sind genau die passenden Worte.“
[ 4]Ich sollte mich nun mal nicht so wichtig nehmen.
[ 4]Ich hob meine Hände, schüttelte den Kopf und sagte ihr nun, dass ich nun hier, genau an dieser Stelle, raus sei, egal, was da nun noch so komme, lehnte mich demonstrativ zurück, blätterte noch weiter im Hockney, und für einen Moment herrschte nun Stille, eine wässrig blaue Stille, die nur ab und an durch das pergamentene Knistern der Seiten gestört wurde, welches anzeigte, dass sich wieder einmal ein kalifornischer Pool über den Teppich ergoss, dass nun wieder einmal ein junger Männerarsch unberührt im Nichts zwischen den harten Buchdeckel verschwunden war, so, wie nun auch dieser Sommer, wie eine zwischen Tagebuchseiten gepresste Beilwicke, verschwinden würde; und ich goß mir Wein nach, und während ich nachschenkte, erinnerte ich mich an das luftig, orientalisch bedruckte Sommerkleid der Verkäuferin – ein Gedanke, bei dem sich meine Hand reflexartig aufs Köpfchen der Katze gelegt hatte –, und dann sagte ich, wohl mehr zu mir als zu ihr, dass wohl so jeder Sommer seine großen Momente habe: ein Badetag, ein irgendwo gesehenes Sommerkleid, und halt manchmal auch einen September wie diesen, was nun aber noch lange kein Grund dafür sei, hier so blumig über das Wetter der vergangenen Jahrzehnte zu schwadronieren.
[ 4]“Wirklich?“, fragte sie – und ich hätte nun meinen können, sie schaue dabei irgendwie erstaunt. Sie, so meinte sie dann, entsinne sich noch gut an die Zeiten, in denen mir jeder Gedanke wie eine Gewehrsalve in die Tastatur gekracht sei, und ‘allesallesalles’, jede belanglose Befindlichkeit, jede befindliche Belanglosigkeit, runtergegangen sei wie Absinth: das Blumige, das Dreckige, das Erbauliche, das Melancholische.
[ 4]“Ach ja?“
[ 4]“Ja.“
[ 4]“Und nun?“
[ 4]“Was nun?“
[ 4]“Naja... ich meine... wie kommen wie jetzt aus dieser Geschichte hier raus?“
[ 4]“Du könntest mir vielleicht einen kleinen Nachtisch anbieten... und, wenn ich’s mir richtig überleg’, vielleicht vorher noch so’ne klitzekleine Massage“, sagte sie dann und begann nun umgehend mit einem kurzen Durchlauf ihrer allabendlichen Tai-Chi Übungen auf meinem Schoß.
[ 4]Dies könne ich gern tun, sagte ich, und massierte ihr, in der Hoffnung, mich nun endlich in Ruhe weiterlesen zu lassen, nun leicht den Nacken.
[ 4]“Aber nur massieren, ohne Hintergedanken!“, sagte sie.
[ 4]“Bitte?“
[ 4]“War’n Scherz, Freundchen.“
[ 4]“Deine Scherze waren auch schon besser.“
[ 4]“Deine auch“, sagte sie, schnurrte ein ‘hmmmm’ und kniff nach einem kurzen Blinzeln die Augen zusammen. „...und vor’n Nachtisch passt vielleicht noch so’n kleines Gedichtchen, wenn’s denn genehm ist.“
[ 4]Bingo! Nun hatte ich sie wieder. Ich kramte in der Hosentasche nach dem Zettel, räusperte mich kurz und begann mit sonorer, bedeutungsträchtigen Stimme: „’Hundstage’, Kleines, es heißt ‘Hundstage’... und... naja... also... wie soll ich’s sagen... das ist nun nicht persönlich gemeint.“
[ 4]“Schieß einfach loß!“
[ 4]“Hundstage“, wiederholte ich, „und du kommst da auch drin vor... also ich sag dann Bescheid... dass du dich dann auch erkennst... also, wenn’s dann soweit ist, verstehste?“
[ 4]“Nun schieß doch endlich los, und vergiss das Massieren nicht!“
[ 4]“Also... Achtung nun!... ‘s geht los:

[ 4]‘Ein Ruderschlag, dann treibt der Tag
[ 4]still raus aus dieser Stadt,
[ 4]und letzte Brise wirft ihr Netz
[ 4]nach silbern Pappelblatt.

[ 4]Der Schatten schreibt in Logbuch nun:
[ 4]Und nun pass auf!... nun kommt’s.
[ 4]Die Katze geht halb zehn ... Katze!... hastes gehört? Das warst du... also, nochmal: ...die Katze geht halb zehn
[ 4]von Bord – allein und ohne Gruß;
[ 4]will von der Welt was sehn.

[ 4]So geisterhaft liegt nun das Boot,
[ 4]und keine Welle treibt es fort,
[ 4]nicht ein Wort lässt es schwanken;

[ 4]und auf dem Blatt, da hab ich nur,
[ 4]ihr’n Namen, eine tote Uhr

[ 4]und Habenichtsgedanken’. Und als ich so erzählte und erzählte, massierte und massierte, da schien es mir fast, als wäre die Katze längst eingeschlafen.
[ 4]Na endlich!
 

Vagant

Mitglied
Ich möchte mich mal für die anonyme Kampfwertung bedanken; ein Neuner – Wahnsinn!!!!
Danke.
 

Vagant

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Wenn die Katze spinnt

[ 4]Dies sei einer der heißesten September seit Jahrzehnten gewesen, sagte die Katze als sie es sich für ein paar Minuten auf meinem Schoß gemütlich gemacht hatte; dieses wässrige Kobaltblau des wolkenlosen Himmels, welches sich an den Abenden in ein tiefestiefes Ultramarin verfärbe und die Temperaturen selbst in den Nächten nicht unter 20 Grad absenken ließe; sodass es kaum jemand vermochte sich an derart ausgehauchte Septemberabende zu erinnern; kein Regenfass, kein Gras, kein Gedanke sei so gewesen, wie er hätte sein sollen; Mäuse und Käfer verkrochen sich unter den Hecken und die Vögel, gedrückt von schwerer Hitze, suchten im dürren Gras nach dem spätsommerlichen Tau – Gras, in dessen Stängeln sich seit Wochen kein Tropfen Wasser verlaufen hätte; ockergelbes Gras, hart und knisternd wie eine missratene Scheibe Toastbrot, sagte die Katze an jenem Abend auf meinem Schoß.
[ 4]„Ach ja?“, sagte ich, und gab zu bedenken, dass sie nun mal die Kirche im Dorf lassen solle, und ob sie nicht meine, dass sie nun da gerade ein wenig über das Ziel hinaus schieße; sie sei schließlich ein Katze und könne sich wohl kaum an all die September der vergangenen Jahrzehnte erinnern; im Übrigen könne ihr und mir nun auch völlig egal sein, wie sich der September gerade gebärde, da wir ja nun nicht vorhätten, die kommende Nacht im Freien zu verbringen.
[ 4]„Warum denn nicht?“, fragte die Katze.
[ 4]Das läge doch wohl auf der Hand.
[ 4]“Okayokayokay... ich dachte ja nur.“
[ 4]Ich fände es ja prima, log ich unbedacht, geradezu großartig; diese Sommernacht, die Musik, dieser Wein, und, als ob dies allein nicht schon genug wäre, dann noch diese Katze mit ihrer messerscharfen Wetteranalyse, einfach umwerfend, aber sie solle mich nun bitte in Ruhe lassen, da ich, wie ihr sicher nicht verborgen geblieben sei, gerade ein bisschen lese.
[ 4]“Soso?“ Das überrasche sie nun aber wirklich, sie könne sich an Zeiten erinnern, in der ich für derart Ideen und Gespräche einen Ticken empfänglicher gewesen sei.
[ 4]“Bitte?“ Wie sie denn darauf käme.
[ 4]Sie meine ja nur; und es sei ja auch nicht so, dass sie mir da etwas unterstellen wolle, aber dies sei ja nun wohl mehr ein Blättern und Bildergucken als ein Lesen.
[ 4]Dies sei ein Austellungskatalog, gab ich zu bedenken, Hockney, und in solch einem Katalog gäbe es nun einmal mehr zum Gucken als zum Lesen.
[ 4]“Hockney?“
[ 4]“Ja.“
[ 4]“Der Hockney?“
[ 4]“Eben.“
[ 4]“Der mit dem Wasser?“
[ 4]“Verdammt... ja...“
[ 4]“... und den Ärschen?“
[ 4]“Das auch.“
[ 4]“Männerärsche?“
[ 4]“Jaha... Was tut das zur Sache?“
[ 4]“Ach... nur so.“
[ 4]Dieses ‘nur so’ hing nun einen Moment in der Luft – die Katze wusste, dass ich früher oder später danach greifen würde; eher früher.
[ 4]Was sie da konkret meine, fragte ich sie nun.
[ 4]“Womit?“
[ 4]“Mit diesem ‘nur so’. Was willst du damit sagen?“
[ 4]“Nur so halt“, sagte sie und sah mich nun irgendwie komisch an.
[ 4]“Von wegen... ich darf doch wohl bitten! Hockneys Vorliebe für Ärsche ist ja nun konzeptionell völlig anders angelegt... preferenzbedingt, quasie... eine seiner Kernkompetenzen... und ich verbitte mir, hier nun irgendwelche Parallelen ziehen zu wollen... und auch auf die Gefahr hin, dass ich mich da wiederhole: Seine Vorliebe für Ärsche verfolge ja nun ein völlig anders Konzept der Zweisamkeit... nur dass dies hier ein für allemal klar ist!.
[ 4]“Ach so, sehr lustig“, und sie wolle dies nun einfach mal so kommentarlos im Raum stehen lassen, sei nun allerdings nicht sonderlich überrascht darüber, dass mir einzig und allein die Redundanz geblieben sei, wo ihr doch nicht verborgen geblieben sei, dass mir in der letzten Zeit irgendwie die Worte verlorengegangen seien.
[ 4]“Die Worte? Wie kommst du denn nun darauf?“
[ 4]“Jaja, die Worte... einfach nur die Worte. Soll ich’s dir buchstabieren?“
[ 4]“Dass ich nicht lache!“, sagte ich und versuchte mich an einem bühnenreifen Hahahaha.
[ 4]“Lach ruhig! Irgendwo verlorengegangen, sag ich dir... da irgendwo in deinen finstersten Tiefen, eingehüllt in so einem traurigen Altmännermief, der ja schon fast ins Süßliche geht, in irgendeiner alten, dreckigen Kiste voller Weltekel.“
[ 4]“Weltekel? Aber sonst geht’s noch?“
[ 4]“Jaja, Weltekel, du hast richtig gehört“
[ 4]Sie solle sich nun mal nicht lächerlich machen, sagte ich und presste ein erneutes Hahahaha heraus; nun allerdings für die richtig große Bühne: "Hahahaha". Dies sei, sagte ich dann etwas bescheiden, wenn überhaupt, nur eine kleine gewisse entrückte Genialität.
[ 4]Sie lache dann morgen.
[ 4]“Nein, nein, nein... warte... ich wollte es so sagen: So eine Art metaphysische Müdigkeit, meinte ich, ja... metaphysische Müdigkeit... dies sind genau die passenden Worte.“
[ 4]Ich sollte mich nun mal nicht so wichtig nehmen.
[ 4]Ich hob meine Hände, schüttelte den Kopf und sagte ihr nun, dass ich nun hier, genau an dieser Stelle, raus sei, egal, was da nun noch so komme, lehnte mich demonstrativ zurück, blätterte noch weiter im Hockney, und für einen Moment herrschte nun Stille, eine wässrig blaue Stille, die nur ab und an durch das pergamentene Knistern der Seiten gestört wurde, welches anzeigte, dass sich wieder einmal ein kalifornischer Pool über den Teppich ergoss, dass nun wieder einmal ein junger Männerarsch unberührt im Nichts zwischen den harten Buchdeckel verschwunden war, so, wie nun auch dieser Sommer, wie eine zwischen Tagebuchseiten gepresste Beilwicke, verschwinden würde; und ich goß mir Wein nach, und während ich nachschenkte, erinnerte ich mich an das luftig, orientalisch bedruckte Sommerkleid der Verkäuferin – ein Gedanke, bei dem sich meine Hand reflexartig aufs Köpfchen der Katze gelegt hatte –, und dann sagte ich, wohl mehr zu mir als zu ihr, dass wohl so jeder Sommer seine großen Momente habe: ein Badetag, ein irgendwo gesehenes Sommerkleid, und halt manchmal auch einen September wie diesen, was nun aber noch lange kein Grund dafür sei, hier so blumig über das Wetter der vergangenen Jahrzehnte zu schwadronieren.
[ 4]“Wirklich?“, fragte sie – und ich hätte nun meinen können, sie schaue dabei irgendwie erstaunt. Sie, so meinte sie dann, entsinne sich noch gut an die Zeiten, in denen mir jeder Gedanke wie eine Gewehrsalve in die Tastatur gekracht sei, und ‘allesallesalles’, jede belanglose Befindlichkeit, jede befindliche Belanglosigkeit, runtergegangen sei wie Absinth: das Blumige, das Dreckige, das Erbauliche, das Melancholische.
[ 4]“Ach ja?“
[ 4]“Ja.“
[ 4]“Und nun?“
[ 4]“Was nun?“
[ 4]“Naja... ich meine... wie kommen wie jetzt aus dieser Geschichte hier raus?“
[ 4]“Du könntest mir vielleicht einen kleinen Nachtisch anbieten... und, wenn ich’s mir richtig überleg’, vielleicht vorher noch so’ne klitzekleine Massage“, sagte sie dann und begann nun umgehend mit einem kurzen Durchlauf ihrer allabendlichen Tai-Chi Übungen auf meinem Schoß.
[ 4]Dies könne ich gern tun, sagte ich, und massierte ihr, in der Hoffnung, mich nun endlich in Ruhe weiterlesen zu lassen, nun leicht den Nacken.
[ 4]“Aber nur massieren, ohne Hintergedanken!“, sagte sie.
[ 4]“Bitte?“
[ 4]“War’n Scherz, Freundchen.“
[ 4]“Deine Scherze waren auch schon besser.“
[ 4]“Deine auch“, sagte sie, schnurrte ein ‘hmmmm’ und kniff nach einem kurzen Blinzeln die Augen zusammen. „...und vor’n Nachtisch passt vielleicht noch so’n kleines Gedichtchen, wenn’s denn genehm ist.“
[ 4]Bingo! Nun hatte ich sie wieder. Ich kramte in der Hosentasche nach dem Zettel, räusperte mich kurz und begann mit sonorer, bedeutungsträchtigen Stimme: „’Hundstage’, Kleines, es heißt ‘Hundstage’... und... naja... also... wie soll ich’s sagen... das ist nun nicht persönlich gemeint.“
[ 4]“Schieß einfach loß!“
[ 4]“Hundstage“, wiederholte ich, „und du kommst da auch drin vor... also ich sag dann Bescheid... dass du dich dann auch erkennst... also, wenn’s dann soweit ist, verstehste?“
[ 4]“Nun schieß doch endlich los, und vergiss das Massieren nicht!“
[ 4]“Also... Ohren gespitzt!... ‘s geht nun los:

[ 4]‘Ein Ruderschlag, dann treibt der Tag
[ 4]still raus aus dieser Stadt,
[ 4]und letzte Brise wirft ihr Netz
[ 4]nach silbern Pappelblatt.

[ 4]Der Schatten schreibt in Logbuch nun:
[ 4]Und nun pass auf!... nun kommt’s.
[ 4]Die Katze geht halb zehn ... Katze!... hastes gehört? Das warst du... also, nochmal: ...die Katze geht halb zehn
[ 4]von Bord – allein und ohne Gruß;
[ 4]will von der Welt was sehn.

[ 4]So geisterhaft liegt nun das Boot,
[ 4]und keine Welle treibt es fort,
[ 4]nicht ein Wort lässt es schwanken;

[ 4]und auf dem Blatt, da hab ich nur,
[ 4]ihr’n Namen, eine tote Uhr

[ 4]und Habenichtsgedanken’. Und als ich so erzählte und erzählte, massierte und massierte, da schien es mir fast, als wäre die Katze längst eingeschlafen.
[ 4]Na endlich!
 
A

Alberta

Gast
Lieber @Vagant: Frenetischer Applaus aus der Fankurve!

Ähem: Ist die Katze ausleihbar?;)

Alberta
 

Vagant

Mitglied
Hallo Alberta,
vielen Dank für's Lesen, für's Bewerten und für's Dalassen des Leseeindrucks.
Ich werd' mal mit der Katze reden. Unter Umständen geht da ja was, denn ich befürchte, dass sie sich für'n paar kleine Asietten Lachs in Soße auf jeden x-beliebigen Schoß setzt und sich jede x-beliebige Geschichte anhört; na ja, Katze halt.
LG, Vagant.
 



 
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