Wenn ich nicht da bin

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Ralf Langer

Mitglied
Wenn ich nicht da bin
Liege ich benommen zwischen meinen Büchern
Erschlagen von Sätzen
Von letzten Unwahrheiten
Und zuviel Whiskey
Dann taumle ich ins Bad
Vergeblicher Versuch
Mit mir ins Reine zu kommen

Wenn du dann gerade anrufst oder schellst
Liege ich vielleicht in der Wanne
Und stelle mir vor
Nicht mehr aufzutauchen
Oder ich habe den Fön in die Wanne geworfen
Ohne einzustecken
Aus Angst es könnte funktionieren

Vielleicht habe ich mich
In meiner Wohnung verlaufen
Diese ummauerte Unendlichkeit
Aus zwei Zimmern mit Dachschräge
Wenn du rufst
Stehe ich vielleicht hilflos in der Ecke
Und finde den Weg nicht
Zur Aussenwelt

Vielleicht kauere ich auch am Schreibtisch
Vor einem Stapel zynisch leerer Blätter
Wenn du anklopfst und verfluche den Tag
An dem die Worte die Gedanken beherrschten
Sechsundzwanzig stumme Könige
Die mich nur Kreise malen lassen
Aus denen ich mich nicht befreien kann

Dann öffne ich dir nicht
Aber du kannst mir eine Nachricht unter die Tür schieben
Das draußen die Sonne scheint
Oder das ich Geburtstag habe
Oder du dich von deiner Freundin getrennt hast
Vielleicht finde ich auch die Zeit
Einiges davon zu lesen
Wenn mich der Blitz
An die Tür verschlägt

Denn ich bin nicht da
Und muss erst einen Weg finden
Mich mit mir an einen Tisch zu setzen
auf das ich mich wieder finde


( Nach einem Abend Bukowski)
 

Rhea_Gift

Mitglied
Gefällt mir grandios - bis auf das Ende. Zu erklärendes denn... wenn...

Anfang aufgreifen ohne denn reicht völlig:

wenn ich nicht da bin
sitze ich mit mir an einem Tisch
und suche mich

und wenn ich öffne
habe ich wohl auch irgendwo was gefunden

>> mir fällt grad auf, dass das an sich schon ein cooles Gedicht wäre - die Kurzfassung quasi... ;)

Verzeih - das muss ich einfach mal so ins Forum setzen ;)

LG, Rhea
 

Rhea_Gift

Mitglied
PS: besser noch einfach die erste Zeile der letzten Strophe weglassen und aus dem Und der zweiten Zeile ein Ich machen - dann ists stimmig - denn mein vorheriger Vorschlag verändert zu sehr - es ist ja ein Unterschied, ob man den Weg zum Tisch noch sucht oder sich selbst schon ins Auge schaut... ;)

LG, Rhea
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo Rhea,
danke für deinen Vorschlag.
Es klingt auch in meinen Ohren etwas unrein,
so wie es jetzt ist.
Werde eine Nacht drüber schlafen.

lg
Ralf
 

revilo

Mitglied
Ein wütendes und trotziges Gedicht über einen, der loszog sich selbst zu finden.Die zynisch leeren Blätter geben eine perfekte Beschreibung, eines Zustandes ab, in dem derzeit auch ich stecke: lyrische Ladehemmung.Das Gedicht hat etwas von Bukowski , ohne seinen grandiosen Stil zu kopieren. Teilweise ein wenig viel Pathos, aber das liegt sicher am Whiskeykonsum Deines Protagonisten! Sehr gerne gelesen von revilo
 

MuusTri

Mitglied
Wie wäre es in der letzten Zeile mit statt:

"auf das ich mich wieder finde",

denn dieses denn finde ich zu viel

mit

"[blue]auf dass ich mich dort sitzen sehe[/blue]"

Is nur n Vorschlag und gewiss ausbaubar.. ^^

Lieben Gruß,

Tristan
 



 
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