Wer?

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cara

Mitglied
Wer?

Ist es die Erschöpfung
die nach mir greift
mir ewige Trauer verheißt?
Ich habe solch ein Reißen in der Brust.
Vielleicht ist es der Schlaf
der nach mir verlangt
meine Haltlosigkeit anprangert;
doch ich spür es, ich falle, falle...

Und ich stürze und ich rase
tiefer hinab;
und noch immer ist kein Boden
der mich fängt
auf dem ich zerschelle
der mich bremst.
Wie lang noch muss ich fallen?
Wie weit?
Und wer wird mich noch kennen
wo ich sein werde?
Was bleibt von mir
zu künden
dem Menschen
der einst war?
 
S

scarda

Gast
Hallo Cara,

es hat irgendwas, dein Werk, das mich nachdenken macht, das mich fesselt und mich in die Details gehen lässt – auch wenn ich mich dort nicht so wohl fühle.
Die Überschrift fragt nach einer Person, das Gedicht erzählt aber von einem verzweifelten lyrischen Ich. Dieses beginnt in der Art einer tagebuchartigen Reflektion zu erzählen. Das „doch“ in der letzten Zeile des ersten Abschnitts bringt einen Bruch. Wieso das „doch“ ?
In dem zweiten Abschnitt stören mich die Sprünge und Gegensätze: wenn man stürzt und immer tiefer rast, dann fängt der Boden nicht mehr, dann zerschellt er, dann bremst er nicht wie ein Fahrstuhl im Fallen anfängt zu bremsen. Andererseits hat das Fallen auch was von fliegen, einer Spur Schwerelosigkeit. Vollends verwirrt mich die letzte Zeile, in der die Zeitsprünge ins extrem getrieben werden. das „einst“ mit dem vorhergegangen „künden“ will mich in die Zukunft führen, das „war“ bewirkt dann eine Umkehr des Zeitstrahls, dem ich nicht mehr folgen kann.

Was bei mir letztendlich ankommt ist ein Eindruck, dass da nochmals daran gearbeitet werden sollte.
 

rosste

Mitglied
Hallo cara !
Dein Gedicht hat was, meine auch ich.
Das "doch" in der ersten Strophe gefällt mir auch nicht.
"Wie lang noch muss ich fallen?" - schon wieder "fallen".
(Wie lang soll das noch so gehen? vielleicht)
"Und wer wird mich noch kennen
wo ich sein werde?" -
Und wer wird mich noch kennen
danach - vielleicht.
"Was bleibt von mir
zu künden
dem Menschen
der einst war?" -
entweder willst du die Veränderung oder nicht. (Du bleibst sowieso derselbe/dieselbe -im positiven Sinne).
"wer wird mich noch kennen" - Wer? ist das Risiko, das du eingehst, wenn du dich fallen lässt.
Auf jeden Fall wirst du es selber sein, der dich besser kennt... und sicher noch ein paar andere gute Leute.
meint Stephan
 

cara

Mitglied
Hallo ihr! :)

Hallo scarda, hallo Stefan!

Erstmal vielen Dank, dass ihr euch so
eingehend mit meinem vielleicht etwas
wirr wirkenden Gedicht auseinander
gesetzt habt. Ihr hab natürlich beide
Recht, dieses Gedicht brüllt seine
Gegensätzlichkeit geradezu heraus. Und
genau dieses Gefühl wollte ich vermitteln.

Es sind diese ganzen konfligierenden Dinge,
man selbst ist im Fluß (was wirklich sehr
gut ist, versteht mich da nicht falsch), was
ungeheuer anstrengend ist - und wo ist da
Geborgenheit zu finden?

Dieses "doch", welches euch beiden nicht
gefällt, ist auch Ausdruck dessen. Sich selbst
versuchen, eine trügerische Geborgenheit zu
schaffen (vielleicht bin ich nur erschöpft,
vielleicht muss ich nur mal schlafen; sonst ist
alles wie gehabt, ich weiß genau, wer ich bin etc.)

Dann der Titel; ich denke, er passt doch. Das lyrische
Ich einerseits: bin ich, wer ich zu sein glaube, weiß
ich überhaupt, wer ich bin - und dann das "wer" zum
Schluss, das Bedürfnis danach, gekannt zu werden.

Und der letzte Abschnitt, zwischen hoffen und bangen,
Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft ineinander verschachtelt,
nicht auflösbar - und klar bleibt man immer irgendwie die Person,
die man war, aber kann man das auch immer so sehen?

Achja, und der Boden, natürlich fängt und bremst er einen
nicht, aber ist es nicht das, was man sich wünschen würde?
Ich würde es mir wünschen. Das Zerschellen dabei ist die
Gefahr und die Furcht und die Chance... und so
wahrscheinlich.

Das "fallen", Stefan... Ich bin mir der Wiederholung
bewusst. Und so oft kommt das Wort ja nun auch wieder
nicht vor in dem Gedicht, ich habe nur keines (und
keine Formulierung) gefunden, die den Gefühlsinhalt so
gut trifft...

Und scarda: Ich fühle mich auch nicht wohl, wenn ich in
dieses Gedicht gehe, daher kann ich das gut nachvollziehen.
Dort kann ich mich gar nicht wohlfühlen. Es ist tatsächlich
ein Verzweiflungsgedicht...

Hmm, nunja, ich weiß, ich hab meinen Kommentar wieder lang
werden lassen, bitte entschuldigt. Aber ich hab mich diesmal
echt bemüht, mich kürzer zu fassen. Ist mir nicht so gut
gelungen, wie man sieht. Sollte trotzdem noch was unklar
geblieben sein ob der Kürze *ironischgrins*, fühlt euch
frei zu fragen, ich würd mich freuen. :)

Danke euch nochmal!
Ganz liebe Grüße,
cara
 



 
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