Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?

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joyce

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Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?

Du kotzt mich an.
Dein schleichender Auftritt, deine nichtangekündigten Besuche immer dann wenn ich am wenigsten damit rechne. Hinterfotzig quillst du mir aus allen Poren. Legst dich frech stinkend hin wo immer auch nur das kleinste Fleckchen Platz ist. Glotzt mich stundenlang an mit deinen gierigen Augen und wieder erkenne ich die Melodie, die du in ungeübten Luftströmen durch die Lippen fallen lässt.
Ich frage mich schon lange warum Gestalten wie du trotz Mundgeruch so gerne pfeifen.
Die Frage was du von mir willst erübrigt sich schon lange.
Mich willst du.
Ganz unten.
Dann erst, wenn ich nichts mehr bin als ein wimmerndes Bündel Mensch, lässt du von mir ab und machst dich so mies aus dem Staub wie du gekommen bist. Jedes Mal bleibt nichts von deinem Hiersein zurück damit ich nicht einmal weiß ob du wirklich da warst. Gar nicht daran zu denken jemanden von dir zu erzählen – du existierst nicht.

Dabei hab ich dich schon immer, von Anfang an.
Andere bekommen so etwas wie dich im Laufe der Jahre, fangen es sich ein wie einen Virus oder einen Defekt durch falsche Ernährung, zu wenig Bewegung oder aber, wie in den meisten Fällen, einfach durch Leben.
Aber ich hatte ja enormes Glück. Ich musste dich erst gar nicht einfangen, nein, ich hatte es bequemer, viel einfacher.
Auf die Welt hab ich dich mitgebracht.
Wie einer Zecke war dir meine Nabelschnur der Wirt. Leider bist du mit dem letzten Stückchen nicht abgefallen.
Wäre auch zu schön gewesen.
Eingenistet hattest du dich, dort wo ich dich noch heute als erstes spüre.
Manchmal glaube ich, dass ich mich noch an dein erstes Festmahl erinnere. Vollgefressen hast du dich damals an mir. Weißt du noch? Kannst du dich daran erinnern, wie ich mit wunder Kehle in diesem Kissen lag und vor Erschöpfung nur noch stumm weinte, weil sie nicht kam? Dein opulentes Dessert hast du dann genüsslich verzehrt als sie mir spät die Brust gab. Die tränensalzige Brust mit bläulich schimmernder Milch.
Mit jedem Schluck schlechten Gewissen, jedem Bissen Angst wurdest du mit mir größer.
Verdammt, du wirst mit mir alt werden! Ob ich will oder nicht!
Du bist an mich gebunden, lebst von mir und durch mich!
Grotesk ist mein Wissen darum, dass ich dich nähre, hege und pflege wie mein eigenes Kind. Ein Kind das ich nie wollte, eine Missgeburt.
Aushungern, ich müsste dich doch nur aushungern!
Doch du bist geübt und deine Schlechtigkeit ist dein bester Kamerad. Jeden Kloß in meinem Hals, einen trüben Tag im November, einen zurückgewiesenen Kuss oder einen verwelkten Tulpenstrauß, widerst du wie ein Wolf ein rohes Stück Fleisch.
Auch ich bin im Laufe der Jahre geübter im Kampf gegen dich geworden.
Ersticke dich zwischen zwei Scheiben Toast mit Schokocreme oder ertränke dich mit Soße. Manchmal lache ich dich einfach aus und erschlage dich mit einem Witz aus der untersten Schublade. Genüsslich hab ich dir schon einen Sonnenstrahl durch die Rippen gebohrt oder mich über ein Feld Sonnenblumen gefreut, das ist dir zuwider, ich weiß.
Arrangiert hab ich mich mit dir, weil ich nichts anders konnte und wenn du nur einen kleinen Funken Barmherzigkeit in dir trägst, versprich mir eines – bitte, bleibe nicht! Komm wieder wenn du nicht anders kannst, aber bleibe nicht!

© Joyce 05-05
 



 
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