Wer ist Lello?

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Garofius

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Wer ist Lello?

Ich erwache aus einem völlig wirren Traum. Es ist noch dunkel. Ich drehe mich auf die andere Seite und versuche, mich an das Geträumte zu erinnern: Ein Strudel von flüssigem Licht hatte mich erfasst und aus meinem Körper gesaugt. Welch ein Unsinn!, denke ich beinahe ärgerlich und will wieder einzuschlafen, doch es gelingt mir nicht. Ich fühle mich verkatert und habe einen pelzigen Geschmack im Mund. Hatte ich am Abend zu viel getrunken? ‒ Nein, bestimmt nicht, das weiß ich genau. Von draußen scheint schwaches Mondlicht ins Zimmer, ‒ oder ist es eine Straßenlaterne? Warum ist das Fenster auf der falschen Seite? Und das Bett ... das ist gar nicht mein Bett! Schlagartig bin ich hellwach, taste nach der Nachttischlampe und klicke sie an. Das Zimmer, in dem ich mich befinde, ist mir fremd. Verwirrt schaue ich mich um. An der einen Wand steht ein moderner Schreibtisch, darauf ein großer i-Mac und eine futuristische Designerlampe. Daneben ein hohes Regal aus Chromstahl mit Büchern, Ordnern und Stapeln von Heften. Der ganze Raum ist in einem bleichen Zitronengelb gehalten. Die Wände hängen voll mit Plakaten von Kunstausstellungen. Bin ich etwa entführt worden? Aber wer sollte mich entführen? Ich springe aus dem Bett, um nachzusehen, ob die Tür verriegelt ist. Nach zwei Schritten erstarre ich! Vor mir hängt ein großer Spiegel und darin sehe ich mich, ‒ aber das bin nicht ich!! Der Mann mir gegenüber ist wohl zwanzig Jahre jünger als ich und mir vollkommen unbekannt! Unwillkürlich schneide ich ein paar Grimassen, um mir zu bestätigen, dass das, was ich hier sehe, wirklich mein Spiegelbild ist. Ich eile hinaus ins Badezimmer, dessen Tür offen steht und auch hier zeigt mir der Spiegel denselben jungen Mann wie zuvor. Ich kneife mich fest in den Arm. Nein, ich träume nicht! Entweder bin ich total übergeschnappt, oder ich bin tatsächlich in einen andern Körper geschlüpft. Fassungslos wanke ich zurück ins Zimmer, setze mich aufs Bett und versuche mich zu beruhigen. Meine Hände zittern. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich in einem grünen Pyjama stecke.
Also, noch mal von vorn, sage ich mir und versuche mich zu erinnern, was genau in dem Traum dieser Nacht vorgefallen war; aber nichts anderes als das Bild des gleißenden, mich aus dem Körper saugenden Lichtwirbels ist mir geblieben. Ich muss annehmen, dass das gar kein Traum war, sondern schiere Realität. Ich werde mich wohl damit abfinden müssen, vorübergehend ... Vorübergehend? Wenigstens ist dieser Körper jung, kräftig und auch nicht besonders hässlich, ich kann also zufrieden sein. Aber wo ist denn sein Geist geblieben? Sind wir beide in diesem Körper? Oder ist er in meinen alten Leib gefahren? Das wäre allerdings für ihn ein böses Erwachen.
Wie ich in die Küche trete, wird mir schlagartig klar, warum ich einen Brummschädel habe. Hier herrscht ein ziemliches Chaos; neben einem Berg von schmutzigem Geschirr steht eine ansehnliche Reihe von leeren Bier- und Weinflaschen. Heute ist Sonntag und offensichtlich hat mein jetziger Körper gestern Abend eine wilde Party gefeiert. Ich werfe einen Blick ins Wohnzimmer. Hier wurde schon etwas aufgeräumt. Es ist ein großes, helles Zimmer, modern und geschmackvoll eingerichtet. Die Möblierung ist nicht ganz billig, offenbar bin ich recht gut bei Kasse. Mein Blick fällt durchs Fenster. Wo bin ich überhaupt? Wie ich die Gardine zurückschiebe, sehe ich rechts in einiger Entfernung die Engelsburg! Ich bin in Rom! In Rom! Wenigstens nicht in Wladiwostok oder auf Sankt Helena.
Nachdem ich mir einen doppelten Espresso zubereitet habe, gehe ich daran, meine neue Identität kennenzulernen. Im Portemonnaie, das auf dem Schreibtisch liegt, finde ich verschiedene Ausweise: einen Personalausweis, einen Führerschein, eine Postbank- und eine Kreditkarte der Banca del Lavoro. Also: Ich heiße Lello Svetoni, bin 35 Jahre alt, 182 cm groß, männlich und bin in Frascati geboren. Meine Adresse ist Via Scarpetta 84. Seltsam, dass ich mich ausgerechnet in Rom wiederfinde, in der Stadt, zu der ich seit meiner Kindheit eine besondere Liebesbeziehung habe. Mit achtzehn verplemperte ich hier ein Jahr in einem Austauschprogramm im Liceo; aber es war ein tolles, unvergessliches Jahr gewesen!
Da ich nun weiß, wer ich bin, mache ich mich daran, den Schreibtisch systematisch nach weiteren Informationen über mich zu durchkämmen. Ich komme mir vor wie ein Dieb, der in fremden Sachen wühlt, dabei gehört der ganze Krempel ja quasi mir selbst, genauer gesagt meinem Körper. Bis jetzt war mir gar nie aufgefallen, dass Geist und Körper zwei so verschiedene Dinge sind. Wer bin ich jetzt? Mich selbst definiere ich über meinen Geist, aber die Außenwelt identifiziert mich mit dem Körper. Gott ist das verworren!
Wie ich das Handy sehe, das an der Ladestation hängt, fällt mir plötzlich ein, mich ‒ also meinen alten Körper ‒ anzurufen. Ich wähle die Nummer. Nur der Anrufbeantworter leiert seinen nervenden Spruch herunter. Das Gleiche auf der Handynummer. Ich bin höchst beunruhigt. Ist mir etwas zugestoßen? Wenn Lellos Geist jetzt in meinem alten Körper steckte, hätte er dann wohl geantwortet? Wahrscheinlich nicht, er wird auch kein Deutsch können.
Meine weiteren Recherchen ergaben, dass ich von Beruf Zahnarzt bin und bis vor Kurzem in einer Schulzahnklinik gearbeitet habe. Ich bin im Begriff, demnächst eine eigene Praxis zu eröffnen. Die Vorbereitungen dafür sind in vollem Gange. Zahnarzt! Muss das sein?
Um ein Uhr nachmittags läutet das Telefon. Ich gehe nicht ran, sehe aber auf dem Display den Namen »Enzo«. Eine Stunde später klingelt es an der Haustür. Ich öffne. Vor der Tür stehen ein Mann um die dreißig und eine junge Frau. »Ciao Lello«, begrüßen mich die beiden. »Das war eine tolle Fete gestern Abend, sind die andern noch lange geblieben?«
»Ich weiß nichts mehr, ich habe mein Gedächtnis verloren«, feixe ich und meine Stimme klingt rau.
»Bis zum Abend hast du es sicher wieder gefunden, es wird wohl da irgendwo rumliegen«, scherzt der junge Mann, und die Frau, die in die Küche gegangen ist, ruft von dort: »Ein schönes Schlachtfeld da drin!«
»Lasst nur, ich erledige das später. Macht es euch bequem, nehmt einen Kaffee, aber bitte entschuldigt mich, ich wollte gerade wieder ins Bett, ich bin völlig kaputt. Es geht mir ziemlich mies«, lüge ich.
»Alles klar, hau dich aufs Ohr, wir räumen ein bisschen auf und dann verschwinden wir wieder.«
»Vielen Dank für euer Verständnis, ihr seid wirklich echte Freunde«, sage ich weinerlich und schlurfe zurück ins Schlafzimmer. Offenbar haben die beiden nichts Auffälliges an mir entdeckt und auch meine Sprache schien sie nicht verwirrt zu haben. Nach etwa einer halben Stunde höre ich die Haustür ins Schloss fallen und dann ist es still in meiner Wohnung. Die Küche ist aufgeräumt und erstrahlt in neuem Glanze. Ich bin noch immer im Pyjama, es wird Zeit, dass ich mir was anziehe. Im Kleiderschrank finde ich alles, was ich brauche. Ich versuche nochmals, bei mir zuhause anzurufen. Vergeblich. Jetzt fällt mir ein, dass Lello, wäre er in meinem Körper, bestimmt versuchen würde, mich, respektive sich, anzurufen.
Bis in die späten Abendstunden durchstöbere ich das Leben meines »Gastkörpers.« Der Computer ‒ zum Glück ist er nicht passwortgeschützt, ‒ lüftet weitere Geheimnisse. Ich habe eine Freundin, die Serena heißt und ‒ nach den verschiedenen Fotos zu schließen ‒ sehr attraktiv ist. Im Terminkalender steht für nächsten Mittwoch: »Serena zurück aus Paris.« Mein Gott, was mach ich bloß mit ihr, wenn sie zurückkommt? In diesem Augenblick läutet das Handy: »Serena« steht auf dem Display! Es ist halb zehn, ich habe Angst, mit ihr zu reden und lasse es klingeln. Fünf Minuten später nochmals: »Serena«. Ich atme tief durch und drücke auf den grünen Knopf. Wir begrüßen uns herzlich, und ich erkundige mich sofort, wie es in Paris läuft, um zu vermeiden, dass sie mich etwas fragt.
»Alles bestens«, sagt sie, »Wir arbeiten fast Tag und Nacht. Ich bin immer noch im Studio. Es wird wieder spät heute, aber vielleicht bringe ich bis morgen Mittag alle Aufnahmen in den Kasten. Eben habe ich vernommen, dass es wahrscheinlich eine Kollektion weniger zu fotografieren gibt, dann fliege ich bereits am Dienstagmittag hier weg und bin am Abend schon in Rom. Das wäre toll, nicht wahr, Schatz!«
Ich komme kaum dazu, ihr zu sagen, wie toll auch ich das fände, schon flötet sie ins Telefon: »Tut mir leid, ich muss Schluss machen, die warten auf mich, ich rufe morgen gegen Abend nochmals an, dann weiß ich mehr. Du fehlst mir, schlaf schön, und dann bis bald.« Wie sie mir, bevor sie auflegt, noch einen Kuss durch den Äther haucht, wird mir ganz weich ums Herz.
Trotz all der Daten, die ich bereits gesammelt habe, weiß ich wenig über mich. Ich habe keine Vergangenheit in diesem Körper. Ich finde mich darin nicht zurecht. An und für sich ist es ja erfreulich, plötzlich wieder einen jungen, gut funktionierenden Körper zu besitzen. Der alte Menschheitstraum vom Jungbrunnen; aber die ganze Sache ist so kompliziert und verworren, dass ich mir wünsche, wieder in meinen alten Leib zu schlüpfen. Vielleicht erwache ich ja am nächsten Morgen wieder als Thomas Hänni. Es ist schon nach Mitternacht, ich merke plötzlich, wie hundemüde ich bin, ziehe wieder meinen grünen Pyjama an, putze mir meine fremden Zähne mit einer fremden Zahnbürste, lege mich ins Bett und schlafe sofort ein.
Am Morgen weckt mich die Sonne, die mir ins Gesicht scheint. Es dauert einen Moment, bis ich realisiere, dass ich immer noch in Lello Svetonis Leib stecke. Er fühlt sich aber viel besser an als gestern. Ich bin ausgeschlafen und spüre die Lebenskraft, die diesen jungen Körper erfüllt. Es ist halb elf. Nachdem ich einen Kaffee getrunken habe, rufe ich nochmals Thomas Hänni an, aber er, also ich, bin wieder nicht erreichbar. Noch mehr beunruhigt suche ich im elektronischen Telefonbuch die Nummer von Frau Born, meiner Nachbarin. Es verwirrt mich, dass sich die Grenzen zwischen meinen beiden »Ichs« langsam verwischen.
»Guten Tag Frau Born«, sage ich und lüge: »Entschuldigen Sie die Störung, ich bin Robert Hänni, der Bruder von Thomas und muss ihn unbedingt sprechen, doch er ist nicht erreichbar, weder auf seinem Festnetz noch auf dem Handy. Ich bin etwa beunruhigt. Könnten Sie vielleicht in seiner Wohnung nachsehen, ob er da ist. Vielleicht ist ja auch nur eine Störung in der Telefonleitung.«
»Es tut mir leid, ich habe schlechte Nachrichten«, seufzt die gute Frau, »heute Morgen hat ihn seine Putzhilfe bewusstlos im Bett gefunden. Zuerst hat sie geglaubt, er wäre tot und ist ganz aufgelöst zu mir rübergekommen. Ich habe sofort den Rettungsdienst angerufen. Zehn Minuten später waren die schon da und haben ihn mitgenommen.«
»Jesses! In welches Spital wurde er denn gebracht.«
»Das weiß ich nicht.«
»Ich werde mich um ihn kümmern und sie auf dem Laufenden halten, vielen Dank vorerst für ihre Hilfe.«
»Gern geschehen, hoffentlich ist ihr Bruder bald wieder auf den Beinen, er ist ein so netter und freundlicher Mensch.«
»Ja, das ist er wirklich«, sage ich gerührt.
Beim Rettungsdienst vernehme ich, dass ich ins Tiefenauspital eingeliefert wurde. Sofort rufe ich dort an und erkundige mich nach dem Zustand von Herrn Thomas Hänni. Man lässt mich lange warten, um mir schließlich mitzuteilen, dass telefonisch an Unbekannte keine Auskunft über Patienten erteilt würde. Ich insistiere vehement, gebe erneut vor, ich sei sein Bruder und wolle wenigstens wissen, ob Thomas gestorben sei oder in Lebensgefahr schwebe. Wieder warte ich und erhalte dann den Bescheid, Herr Hänni schwebe nicht in akuter Lebensgefahr, und ich solle doch persönlich vorbeikommen.
Ich lebe also noch. Das ist ein Trost! Oder etwa nicht? Die Frage erschreckt mich, ich verdränge sie. Mein Geist ist aufgewühlt, ich muss raus aus diesen vier Wänden. Der Hausschlüssel steckt an der Tür, ich werfe mir eine leichte Jacke über, stecke das Portemonnaie ein und eile hinunter auf die Straße. Natürlich kenne ich nicht alle Stadtteile von Rom, habe aber schon von meinem Wohnzimmerfenster aus gesehen, dass ich in Trastevere bin, und zwar ziemlich nahe am Tiber. Eine gute Wohnlage, sehr zentral und doch ein bisschen ruhiger und gemütlicher als am anderen Tiberufer. Es entspannt mich, die römische Luft zu atmen. Hier ist sie nicht so dieselgeschwängert wie anderswo in der Stadt. Ich schlendere durch enge Gassen, über kleine, malerische Plätze hinunter zum Fluss. Es ist Frühling, und ein mildes Lüftchen weht von Westen her. Die Bäume an der Uferstraße stehen schon in vollem Laub, und ein Schwarm von Staren zieht seine Kreise über dem graugrünen Wasser des Tibers. Im Nordwesten ragt die Kuppel des Petersdoms in den blauen Himmel und im Osten sehe ich über den Palatin hinweg den oberen Teil des Kolosseums. Ich fühle mich gut; zurückversetzt in meine eigene Jugend, eingetaucht in die Ewige Stadt, möglicherweise am Anfang eines neuen Lebens. Es ist Mittag geworden, und inzwischen hungrig, setze ich mich in eine kleine, unscheinbare Osteria an der Via della Lungaretta. Das Lokal ist gut besetzt, aber ich finde noch einen Platz. Niemand scheint mich zu kennen, was mir nur recht ist, da ich ja all jene, die mich kennen, nicht kenne.
Jetzt wird mir klar, wie schwierig es sein würde, in diesem jetzigen Körper zu bleiben. Ich müsste behaupten, das Gedächtnis verloren zu haben, und ein völlig neues Leben beginnen, was mir, da ich ja ein Gedächtnis habe, schwerfiele. Auch würde ich aus meinen sozialen Netzen herausfallen, da mich wohl in diesem Körper auch niemand mehr als Thomas Hänni gelten ließe. Was soll ich tun? Ich spiele mit dem Gedanken, noch heute mit dem Nachtzug nach Hause zu fahren. Das wäre vielleicht vernünftig, aber als wen sollte ich mich ausgeben, nicht einmal in meine Wohnung würde ich gehen können. Ich stelle mir vor, welch dramatisches administratives Chaos seitens der Behörden mich erwarten würde ‒ sowohl zu Hause als auch hier in Rom ... Unvorstellbar! Wie die Kellnerin den Teller mit der Lasagne auf den Tisch stellt, kriege ich keinen Bissen herunter. Ich zahle, stammle eine fadenscheinige Entschuldigung und verlasse fluchtartig das Lokal. Mir ist übel. Ich gehe zurück in die Wohnung und setze mich resigniert in den bequemen Fauteuil.
Ich muss mit jemandem reden! Aber mit wem? Wer von meinen Bekannten zuhause würde mich nicht sofort für verrückt erklären? Morgen kommt die Freundin von Lello zurück. Ihr muss ich die Sachlage erklären. Vielleicht weiß sie, wie es weiter gehen könnte. Also, ich stelle mir vor, morgen Abend mit ihr in einem netten Ristorante essen zu gehen und ihr dabei nach und nach schonend klarmachen, dass ich zwar Lello Svetoni sei, aber im Moment von einem andern Geist besessen wäre. Es ist wohl leichter, einen realen Körper mit einem andern Geist zu akzeptieren als umgekehrt, denke ich. Natürlich weiß ich nicht, wie sie reagieren wird. Auf allen Fotos, die ich von ihr gesehen habe, hat sie einen sanftmütigen Blick, das lässt hoffen, dass sie sich in mein Problem einfühlen kann. Sie wird mir einen Kuss auf die Lippen drücken und mich beruhigen: »Sei unbesorgt«, wird sie sagen, »es wird alles wieder gut, bald bist du wieder der Alte.« Nach dem Essen wird sie zu mir in die Wohnung kommen und dann — oh ‒ wird sie sich im Bett an mich kuscheln und mir zeigen, wie sehr sie mich liebt. Am Morgen werde ich ihr dann die volle Bedeutung des Problems darlegen, und wir werden gemeinsam eine Lösung suchen.

Eine Stunde sitze ich gedankenversunken in meinem Lehnstuhl, da läutet wieder das Telefon. Es ist Serena. »Ciao Lellino«, sagt sie beschwingt, »ich komme morgen Abend um halb neun in Fiumicino an und werde im Flugzeug etwas essen. Ich habe viel Gepäck und bin furchtbar müde. Ich wäre sooo froh, wenn du mich mit dem Auto abholen und nach Hause bringen könntest.«
Das verschlägt mir die Sprache. Mein Plan hat sich zerschlagen. Was für ein Auto habe ich denn, und wo zum Teufel könnte es sein?
»Okay sage ich in der Verzweiflung, »ich hole dich ab!«

*

»Seine Hirnströme werden stärker, aber sie zeigen plötzlich eine seltsame Modulation, wie wenn sie von einer andern Frequenz überlagert würden. Ich denke, er wird bald aufwachen. Wie lange war er im Koma, Schwester?«
»Drei Tage, Herr Doktor.«
»Sehen sie hier, der Enzephalograf zeigt eine Art von P. R. I. Effekt, eine überlagerte Frequenzmodulation, das habe ich noch nie erlebt; und auch da auf dem ENG sind die Alphawellen asynchron.«
Diese unverständlichen Sätze vernehme ich wie aus weiter Ferne. Ich kann die Augen nicht öffnen. Totale Dunkelheit umgibt mich.
»Puls und Atemfrequenz steigen, und schauen sie hier auf dem EEG, Schwester, wie die Überlagerung zurückgeht; jetzt sind die Hirnströme schon fast normal. Er wird jeden Moment aufwachen.«

Ein tiefer Atemzug füllt meine Lungen, ich öffne die Augen und blicke in das freundlich lächelnde Gesicht eines Arztes, der sich über mich beugt.
»Können Sie mich verstehen?«, fragt er mich.
»Ja, ich höre ihre Stimme deutlich, wo bin ich?«
»Sie sind in der Neurologie des Tiefenauspitals. Ihre Putzfrau hat sie vor drei Tagen bewusstlos in Ihrer Wohnung gefunden und bis jetzt lagen sie im Koma.«

Während ich, oder besser gesagt meine Physis, im Koma lag, verbrachte mein Geist drei Tage lang im Körper von Lello Svetoni. Daran besteht kein Zweifel; und da ich jetzt wieder mich selbst bin, ist wohl anzunehmen, dass auch Lellos Geist wieder in seinen Körper zurückgekehrt ist. Ich muss es wissen, ich muss mich mit ihm in Verbindung setzen, muss mit ihm reden, unbedingt, unbedingt! Da ich seine Handynummer nicht kenne und weiß, dass er keinen Festnetzanschluss hat, kann ich ihn telefonisch nicht erreichen. Ich könnte einen Brief schreiben, oder ihn auf Facebook suchen. Nein, sobald ich aus dem Spital raus bin, fahre ich nach Rom! Ich muss ihn persönlich treffen. Dem Menschen gegenüberzustehen, der ich während dreier Tage selbst gewesen bin, kann ich mir nicht entgehen lassen.
In den nächsten zwei Tagen muss ich eine Vielzahl von Untersuchungen über mich ergehen lassen, aber alle Resultate sind negativ. Kein Wunder, was hätte man auch finden sollen? Mein Fall passt in keine Schublade der Neurologie. Ich werde »ohne Befund« aus dem Spital entlassen.

Um 8 Uhr 20 fährt mein Zug. In Mailand steige ich um in den »Freccia Rossa«, der braust ohne Halt mit 300 Stundenkilometern bis Rom. Dort nehme ich unweit des Bahnhofs ein Zimmer im Hotel Londra; dann lasse ich ein Taxi rufen und fahre klopfenden Herzens an die Via Scarpetta.

Eine Woche später bin ich schon wieder zu Hause. An der Via Scarpetta 84 gibt es keinen Lello Svetoni, es existiert auch keine Via Scarpetta 84, die Straße hört bei der Nummer 82 auf. Übrigens gibt es in ganz Italien keinen Zahnarzt mit Namen Lello Svetoni.
 

jon

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Hallo Garofius,

ich fand den Text langweilig. Inhaltlich passiert nichts – der Typ ist weitgehend emotionslos damit beschäftigt, beschäftigt zu sein - und auch sprachlich ist der Text sehr eintönig. Nicht, weil hier und da noch Abätze hingehört hätten, sondern vor allem, weil von vorn bis hinten der gleiche plätschernde Sprachrhythmus regiert
Übrigens: Dem Irrtum, dass Ausrufezeichen an allen möglichen und unmöglichen Stellen „Ausdruck erzeugen“, bist du zwar nicht als Einziger erlegen, aber das ändert nichts dran, dass es ein Irrtum ist.

Tipps:
Absätze verbessern!
Gezielt mit der Satz-Rhythmik spielen!
Emotion statt Tempo erzeugen!
 



 
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