Westberliner

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Kalkule

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80-er Jahre in Westberlin

Wie können Menschen sich so ähnlich werden – alle nacheinander ? Indiviualismus abgesagt.
Da gibt es einen Führer oder eine Führerin, der/die etwas darstellt. Eine bestimmte Art sich zu geben, u.a. trockenem, absurdem, skurilem Humors, alle zum Lachausbruch zu bringen. Mit ihrer gelassenen Trockenheit erhielten beide viel Bewunderung und Anerkennung.
Sie hatte ihren Ex spontan im Zehlendorfer Häuschen besucht – wo er zur Zeit alleine wohnte, da seine spießbürgerlichen Eltern gemeinsam den Urlaub verbrachten, er nun alleine dort wohnte.

Zunächst weigerte er sich ihr die Tür zu öffnen. Die Beziehung wurde kriegerisch beendet. Schließlich war sie Diejenige, die ihm auf einer Party fremd gegangen und ihn anschließend verlassen hatte. Mit Beharrlichkeit gelang es ihr dennoch, sich mit dem Freundschaftsangebot aufzudrängen.
Anschließend machten sie sogar Liebe miteinander, die sehr viel lustvoller und leidenschaftlicher war als je zuvor. Sie nächtigte sogar bei ihm im stilvollen Ehebett der Eltern in Zehlendorf.
Plötzlich klingelte es. Sie befand sich noch als äußerst unansehnlich – war weder geschminkt noch zurechtgemacht. Eine Truppe ehemaliger Zehlendorfer – inzwischen auch viele Wessis, deren wohlhabende Eltern, nach dem Bau der Mauer dorthin eingewandert waren, um den Nachwuchs von der Wehrpflicht zu befreien.
Die meisten, schon leicht angedudelt sprachen ihn direkt an: "Wir wollten dich überraschen. Unsere Instrumente und genug zum Saufen mitgebracht !" - "Na klar, kommt rinn in die jute Stube".
Sie stand bereits unter der Dusche und verließ ungeschminkt klitschnassem Haar – sich als unansehnlich, hässlich empfindend – das Badezimmer. Wurde umgehend von einer Frauengruppe umlagert, und hörte die Eine sagen:"Iih, dit is´ doch die blonde Prolltusse mit der er mal liiert." "Mit der war er nur zusammen weil sie das Haus in Zehlendorf geerbt hat", meinte die andere.
Auch Bragu kam anschließend zurück und ihres Anblickes stark erschrocken entfielen ihm die Worte:"Pfui, was für dicke Beine du bekommen hast. Die waren doch ´mal so schön schlank !"

Sie schämte sich zu Tode. Als die Hässliche an sich abgestempelt, wobei sich alle über sie lustig machten.
Inzwischen lief schon das Konzert im leergeräumten Wohnzimmer gurbürgerlichen Stils. Er, einst leidenschaftlicher Jazz-Pianist, saß nun am Schlagzeug, Jens spielte gelassen Guitarre, Andi coolen Blickes, Bass und Delle sang leidenschaftlich, ganz im Stil der Band "Die Ärzte".

Auch Draußen im gut gepflegtem Garten, kurz gemähten Rasens umrandet von Blumenbeeten, lief die Party vollen Ganges. Es flogen Bierdeckel herum, es lagen leere Bierpullen zu Boden, die Blümlein umgeknickt. Es wurde völlig enthemmt untereinander gefummelt, geknutscht – kam dem "Woodstock"-Ritual sehr nahe. Von einigen wurde sie heftig angebaggert nachdem sie wieder voll geschminkt, sich Mut angetrunken, die Männer geil machte. Da war z.B. Matze, ebenso spießbürgerlichen Ursprungs, aus ursprünglichem Wessi-Haushalt entstammend, der sich an sie ´ranmachte. Er gab ihr den Tipp, das alles nicht so persönlich zu nehmen was die Frauen so sagten. "Die meinen das nicht so. Sie sind nur neidisch."
Stattdessen packte sie all´ ihre Sachen, die sie kurz vor der Trennung noch dort belassen hatte in den Koffer und verließ umgehend die Party. Sie wollte nur weg von hier, bestellte ein Taxi und kehrte zurück nach Schöneberg, der neuen Heimat. Schöneberg, wo man als Mensch so akzeptiert wurde, wie man ist – egal ob intellektuell oder prollig, ob chic oder lässig, sogar "scheißegal"- gekleidet wurde akzeptiert. Man quatschte auf der Straße mit den Nachbarn über Persönliches, Privates, wohl wissend, dass die Nachbarn niemals tratschten.
Als das Taxi kam, kam er plötzlich angeflitzt während sie ihr Gepäck im Kofferraum querstapelte. Er entschuldigte sich für den Tagesausklang und gestand ihr, dass er ebenso "Die Schnauze voll" habe von dem Druck der Gelassenheit, des "Coolseins-Gehabe" und dem trockenem Humor der Zehlendorfer Party-Szene. Wie sehr er wenigstens eine gute Freundschaft mit ihr wünsche – trotz der voraussehbaren Lästergefahr. dies sei ihm inzwischen "scheißegal, was die anderen über mich denken".
 

Wipfel

Mitglied
Hi Kalkule,

so waren die 80er? Wohl. Und auch nicht. Sehr gepflegt hast du den Text noch nicht, oder?
Plötzlich klingelte es. Sie befand sich noch als äußerst unansehnlich
und einige Sätze weiter:
und verließ ungeschminkt klitschnassem Haar – sich als unansehnlich, hässlich empfindend
Det wiss mer nu schon, wa?

Grüße von wipfel
 



 
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