Wie Velázquez` Infantin ihre Perlenkette verlor

casagrande

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Wie Velázquez` Infantin ihre Perlenkette verlor

Im Kunsthistorischen Museum von Wien hängen in einem Saal, der dem spanischen Maler Velázquez gewidmet ist, etwa zwanzig Portraits der spanischen Infantin Magarita, der Tochter König Philipp IV. Die dargestellte Dame ist nicht gerade von berauschender Schönheit, doch ist es wahrscheinlich, dass sie in Wirklichkeit wesentlich hässlicher war, sonst wäre Velázquez wohl nicht weiter als Hofmaler beschäftigt worden.
Von einem dieser Abbilder der Infantin soll hier die Rede sein.
Der 24 jährige Wolfgang D., aus dem österreichischen Kärnten, hatte in drei Jahren auf der Wiener Kunsthochschule die akademische Ausbildung zum Restaurator nahezu beendet. Es fehlte ihm noch die Abschlussarbeit um den Magister verliehen zu bekommen. Diese Abschlussarbeit sollte die Restaurierung eines der erwähnten Bilde sein, der Infantin mit Perlenkette. Aufsicht und Anleitung wurde von Herrn Professor W. übernommen.
Natürlich war dies nicht die erste Arbeit des D., er hatte entsprechende Erfahrung bereits während seines Studiums an weniger wertvollen Bildern gesammelt. Der Velázquez, der nunmehr zur Bearbeitung aus dem Saal in die Werkstatt des Museums geschafft wurde, hatte damals einen Versicherungswert von 21 Millionen Schilling, ungefähr 7 Millionen Mark. Korrekt gesagt – hätte gehabt! Denn die Bilder des Museums wurden nur zur Ausleihe an andere Museen oder Ausstellungen versichert. Die Bilder im Museumseigenen Ausstellungsbetrieb waren nur zu einem geringen Teil versichert, die Versicherungskosten für eine Vollversicherung hätten den Betrieb in den Ruin getrieben. Die Infantin mit der Perlenkette war zu diesem Zeitpunkt also nicht versichert.
Es ist nicht notwendig, in die Details des Restaurierungsprozesses einzugehen – Wolfgang D. nahm die oberste Firnisschicht ab, entdeckte darunter, was nicht ungewöhnlich war, eine weitere und begann auch diese zu entfernen. Quadratzentimeter um Quadratzentimeter. Mit Lösungsmittel und Wattestipps. Tage. Wochen. Der Professor besuchte ihn in dieser Zeit im Abstand von einigen Tagen und sah nach dem Rechten. Es war nichts auszusetzen. Routinearbeit.
Es war auch nicht außergewöhnlich, dass W. auf der Originalmalerei verschiedene, zu einem späteren Zeitpunkt angefügte Zusätze fand. Das hing mit dem Zeitgeschmack zusammen, der sich über die Jahrhunderte änderte. Das Bedecken von Blößen, Stecktücher am Decolleté und ein Schleier um die Scham waren durchaus gängige Praxis. Darum entfernte er, nach einigen derart hinzugefügten Falten der Bluse, die Perlenkette am Hals der Infantin.
Zwei Tage nachdem er damit begonnen hatte, tauchte der Professor bei ihm auf. Der war nicht bloß entsetzt, er war zutiefst betroffen. Er lamentierte, dass das sein Ende wäre, sowohl beruflich als auch gesundheitlich! Er müsse wohl seine Demission einreichen, wahrscheinlich würde er verhaftet und eingesperrt werden. Der Wert des Bildes sei verloren, und er könne dies niemals ersetzen. Er kämpfte mit den Tränen.
Sofort informierte er die Museumsdirektion. Große Aufregung. Einberufung des Kuratoriums mit Kunsthistorikern, Kunstwissenschaftlern und einigen Politikern. Insgesamt zwölf Personen, alle furchtbar wichtig und kompetent, saßen drei Tage in Konferenzen zusammen und gebaren ein typisch österreichische Ergebnis:
- es besteht keine Notwendigkeit die Presse zu informieren, da die Restaurierung ein routinemäßiger Vorgang nach dem Stand der Technik und Wissenschaft war.
- Die zum Zeitpunkt noch vorhandenen restlichen zwei Perlen sollen erhalten bleiben. Dies, um zu zeigen, dass es sich bei dem restaurierten Bild um das vormalig als „Infantin mit der Perlenkette“ betitelte Bild handelt. Das verhindert eine Konfusion, da das Bild unter diesem Titel katalogisiert in den Inventaren zu finden ist.
- Die vorhandenen Kataloge mit den Fotos des Bildes bleiben unverändert im Handel. Der Textteil wird die Restaurierung nicht berücksichtigen.
- Die Restaurierung ist als abgeschlossen zu betrachten.
W. bekam den Magistertitel verliehen, auch wenn seine Arbeit nicht fertig gestellt war. Mit einer durchschnittlichen Beurteilung.
Dass dies Geschichte absolut der Wahrheit entspricht, dafür kann ich Beweise anbieten, wie sie der CIA nicht besser liefern könnte:
- Das Bild der Infantin, mit den zwei einzelnen Perlen an ihrer linken Halsseite, hängt im Kunsthistorischen Museum in Wien (Velázquez Saal, Mittelsäule)
- Im Katalog des Museums ist dieses Bild mit einer vollständigen Perlenkette abgebildet.
- Es gibt einen Restaurator aus Kärnten.
 



 
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