Wie das Leben so spielt

Kaso

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Wie das Leben so spielt

In der heißen Mittagssonne schmolz das Eis auf der Waffel schnell dahin. In breiten Schlieren vermischten sich Erdbeer- und Vanilleeis zu einem Rosa, das dann über die Waffel auf Stellas Hand rann. Genüsslich schleckte sie jeden einzelnen ihrer schlanken Finger ab.

Stella war Mitte zwanzig und mal wieder auf Arbeitssuche. Gewesen! Stella lächelte, jetzt hatte sie einen Vertrag in der Tasche, der sich sehen lassen konnte. In der Chefetage würde sie sitzen und ein traumhaftes Gehalt haben, ab nächsten Monat schon.

Sie hatte alles so gemacht, wie das Ding in ihrem Traum es angeraten hatte. Kurze blonde Haare, ein Kostüm, sicherer Gang, fester Händedruck und einen kühlen Blick, den sie sich aneignete, aus ihren grünen Augen, genügten, um sie zu dem glücklichsten Menschen der Welt zu machen. Ein zufriedenes Lächeln umspielte ihre Lippen, kleine Grübchen bildeten sich dabei an ihren Wangen.

Bei nächster Gelegenheit wollte sie dem „Ding“ danken, das nur nachts im Traum zu ihr sprach und auch nach seinem Namen fragen. Jedenfalls hatte es gesagt, wenn die Wahrscheinlichkeit höher ist als die Notwendigkeit, dann klappt es auch, und ebenso war es. Gebraucht hatte sie einen neuen Job. Sie hätte sich aber nicht auf so eine Stelle beworben. Folglich war es nicht notwendig bei diesem Job, eher unwahrscheinlich ihn zu bekommen.
Offensichtlich versteht das Gehirn kein UN… Wort, überlegte Stella und damit stieg die Chance der Wahrscheinlichkeit an.Das Unmögliche wagen, war als neues Lebensmotto geboren.

Stella setzte sich auf dem Weg nach Hause noch in ein Kaffee und beobachtete die Besucher, wer wohl noch solche Träume hatte. Am Tisch nebenan lachten drei Frauen, gegenüber schaute sich ein Pärchen verliebt in die Augen, und eine alte Dame fütterte ihren Dackel mit Sahne. Alles war in Schwingung.


Zur gleichen Zeit in einer anderen Stadt feuerte Herr Müller sein Jackett in die Ecke. Das Bewerbungsgespräch war so peinlich gewesen. Sie hatten ihn richtig in die Zange genommen und ausgezählt. Zum Schluss hatte er nichts mehr gesagt, war in sich zusammengesunken und wollte nur noch weg. Fluchtartig hatte er das Gebäude verlassen und war geradewegs in die nächste Kneipe geflüchtet. Um dann mit ein paar Bier und Schnaps die Pleite runterzuspülen.

Jetzt fühlte er sich noch miserabler, sein Sodbrennen stieg ihm die Kehle hoch, er schwitzte und seine Haare hingen fettig ins Gesicht. Seine 20kg Übergewicht machten ihn nicht leichter und so schnaufte er auch ordentlich, auf dem Weg zur Toilette. Seine Wohnung lag im ersten Stock, er war Mitte Vierzig, sah normalerweise zehn Jahre älter aus, jetzt dachte er, beim Blick in den Spiegel, sein Vater sehe ihn an. Abrupt drehte er sich um und ging ins Wohnzimmer, plumpste auf das Sofa, welches protestierend ächzte und griff sich die extra dicke Pizza, die er unten vom Italiener mitgebracht hatte. Mit ein paar Bier war sein Abendessen komplett.

Er dachte noch mal über diesen Job nach, die nötige Qualifikation dafür besaß er. Es war dringend notwendig diesen Job zu bekommen. Wie schön hatte er sich das alles ausgemalt, einen neuen Fernseher, sozusagen als Belohnung. Jetzt war er wieder vollkommen pleite, er lachte sarkastisch „wie immer“ sagte er laut.

Bors Leben hatte schon unglücklich begonnen, sein Vater war ein Alkoholiker, der seine Mutter und ihn misshandelte. Er war sich selbst überlassen. Immer hatte er Angst, machte sich klein. Unsichtbar wollte er sein, was durch sein Übergewicht nicht umzusetzen war. In der Schule ging es ihm auch nicht besser, “ Bors, Mors, Fettarsch“ riefen seine Klassenkameraden und verprügelten ihn oft. Wenn er mit einem blauen Auge nach Hause kam, setzte es wieder Prügel von seinem Vater, weil er so schwächlich war und sich nicht wehrte. Schwerlich hatte er sich mit der Pubertät getan, Akne verwandelte seine Gesichtshaut in eine Kraterlandschaft und er schwitzte. Wirkliche Freunde hatte er nie gehabt.

Seine Frau lernte er in der Herzsportgruppe kennen. Es war keine Liebe, beide fühlten sich nur einsam. Bors war froh, jemanden gefunden zu haben, und träumte von einem schönen Familienleben mit einem besseren Sohn, als er es war. Dann nach fünf glücklosen Jahren setzte sie ihn vor die Tür, mit der Begründung, er sei ein Versager. So direkt hatte sie es nicht gesagt, aber Bors konnte zwischen den Zeilen lesen.

Mit dieser Stelle hätte er bei ihr auftrumpfen können. Alles wäre wieder wie früher, so dachte er. Betrunken schlief er auf dem Sofa ein und wachte nicht mehr auf. Bors Müller war gestorben, an einem Herzinfarkt und keiner kam zu seiner Beerdigung. Von seiner Frau war er längst geschieden, und sie hatte wieder geheiratet.

Herr Müllers Seele hatte sich in diesem Leben nicht so recht entwickeln können, sie hungerte nach Liebe. Seine Seele ging in der Zeit zurück und kam als ein Dinosaurier, ein richtig böser, wilder Tyrannosaurus Rex, mit einer Familie, um die er sich rührend kümmerte und die er beschützte. Er tötete alles, was fressbar war und lebte bis zu seinem Ende glücklich und zufrieden.
 



 
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