Wie die Löcher in den Käse kamen.

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pleistoneun

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Föhn Unkenhund hatte seinerzeit 1943 im Krieg in Holland einen einzigartigen Straßenverkaufsstand: er verkaufte löchrigen Käse - das Besondere dabei war, wie die Löcher in den Käse kamen. Todesmutig mischte sich Unkenhund, der Käsemann, mit seinem Käsehut und Käsekittel unter die Frontkämpfer und hielt im schwersten Gefecht seinen Käse hoch in den Kugelhagel. Das Ergebnis waren wunderschöne, ästhetisch geformte Löcher in seinem Käse. Seine Kundschaft wusste das natürlich zu schätzen und stand ob dieser Kuriosität der Herstellung bei ihm Schlange. Schon bald gab es viele dieser Käseverkaufsstände auf den Straßen und man bekam guten, löchrigen Käse aus den vielen Kriegsgebieten. In Zeiten des Krieges war das noch alles möglich.

Der Krieg ging allmählich zu Ende und es wurde immer schwieriger an gute Löcher im Käse heranzukommen. Die verwöhnte Kundschaft forderte aber mehr und mehr Käse, der nicht in seiner Art nicht nur schön anzuschauen, sondern auch ausgezeichnet würzig und leicht geräuchert schmecken sollte. Um das Geschäft aufrecht zu erhalten, musste also etwas passieren: Föhn Unkenhund gründete mit anderen Käsehändlern die IKV "Internationale Krieg-für-Käselöcher Vereinigung". Käsemänner aus allen Teilen der Welt kamen dadurch zu mehr Einfluss auf das Weltgeschehen und es gelang innerhalb kurzer Zeit einige Kleinkriege und Krisen anzuzetteln. Die so entstandenen militärischen Auseinandersetzungen waren immer Anlass, dass tausende Käsemänner zu den Krisengebieten pilgerten, um dort einen "guten Käse zu machen". In den Schützengräben, wo sich normalerweise Soldaten ihre Gefechte lieferten, drängelten sich die weißbekittelten Käsemänner um die besten Plätze. Das war für das Militär höchst unerfreulich und die Kriege wurden wegen unzumutbarer Zustände an den Fronten immer recht schnell beendet, sodass diese Versorgungsquelle für dieses Geschäft der Käsemänner ebenfalls nicht mehr lukrativ genug war.

Traurig saßen Föhn Unkenhund und die anderen Käsemänner hinter ihren leeren Verkaufstischen und warteten auf löchrigere Zeiten. Das einzige, was löchrig war, waren ihre Brieftaschen. Viele Jahre der Entbehrungen folgten als endlich im Jahr 1986 die Erlösung kam. Große Unwetter zogen durch die Lande mit starken Niederschlägen, Wind und sehr viel Hagel. Föhn, der Käsemann, stand eines Tages in seiner Verzweiflung über die Aussichtslosigkeit der Lage von seinem Verkaufsstand auf, stellte sich mitten auf die Straße und blickte hoch zum schwarzgrau bedeckten Himmel, als ob von dort oben die Antwort auf seine Fragen kommen würde. In diesem Moment traf ihn wohl ein Geistesblitz, denn dieser Einfall rettete Föhn Unkenhunds Käseladen und überhaupt den weltweiten Käsebestand. Der Plan war, den Käse hinauszulegen, wenn es hagelt. Die Körner würde wunderschöne, ästhetische Löcher hinein schlagen, das Hagelkorn würde schmelzen und der Käse wäre perfekt. Die IKV wurde umbenannt in "Hagelkörner-für-Käselöcher Internationaler Verband", kurz HIV. Nachdem es nicht jeden Tag Hagel gab, musste man dem Wetter etwas nachhelfen. Die Käsemänner tränkten den Boden mit Substanzen, die beim Verdampfen Hagelwolken bilden würden. Die unangenehmen Nebenprodukte dieser Verseuchung waren Krankheiten und Epidemien. Eine Produktionsstätte für Viren - die Wissenschaft sprach von "höchst infektiösen Viren" (also HIV), was den Käsemännern aber hochgradig egal war. Hauptsache der Hagel kam und der Käse schmeckte. HIV als schauerliche Folge einer erbitterten Suche nach einem Weg, Löcher in den Käse zu kriegen. Viele Menschen mussten dafür ihr Leben geben, aber die, die leben, dürfen jeden Tag guten Käse essen. Danke Föhn.
 

blaustrumpf

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Hallo, pleistoneun

Du hältst deinen Beitrag vermutlich für satirisch, witzig und recht geistreich. Ich nicht.

Die Grundidee hat ihre Reize. Aber dass (und wie) du da unbedingt auch noch HIV bescherzen musst, zeigt mir, dass du nicht gewusst hast, wann es hätte gut sein sollen. Ein Geistesblitz sorgt nicht unbedingt für anhaltende Helligkeit. Manchmal sorgt ein Blitz einfach nur für Flurschaden.

Über Geschmack lässt sich eben doch äußerst unterschiedlicher Meinung sein, nicht nur bei Käse.

Unerfreut grüßt blaustrumpf
 

pleistoneun

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danke aber für die kritik

Es ist immer wieder amüsant zu beobachten, wie meine Kurzgeschichten bewertet werden. Nach dem Schreiben habe ich immer meine eigene Bewertung im Kopf - befinde sie für gelungen oder eben weniger, doch die Bewertungen fallen dann sehr oft konträr dazu aus. Und darüber amüsiere ich mich am meisten. Geschichten, die ich in weniger als 60 Minuten runterklopfe, werden sehr oft höher bewertet als Geschichten mit mehr Hintergrund. Diese hier hat sich zu einer umfangreicheren Geschichte während des Schreibens ausgedehnt und ich hatte ein "gutes Gefühl" beim Reinstellen. Doch - und das ist eben das Amusement - quittiert man diesen Mehraufwand mit negativer Kritik (worüber ich sehr dankbar bin). Die meisten meiner Geschichten haben keinen ernsten Kern, sondern dienen der Unterhaltung, exzentrische Charaktere zu schaffen, die anderswo auf der Welt ihr Leben leben. Einzelne Personen herausgepickt und angeschaut und zudem das Schicksal beleuchtet, das soll unterhalten.
 

blaustrumpf

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Hallo, pleistoneun

In meinem Kommentar bin ich auf die Faktur der Geschichte ja gar nicht eingegangen. Ich verwahre mich einfach dagegen, HIV-Infektionen in einer solchen "Käse"-Geschichte zu verwursten, um es mal salopp auszudrücken.

Sicher gibt es Lesende, die gerade diesen Text gelungen finden werden. Es ist auch eine Frage des persönlichen Stils, wie man unterhalten werden will oder wie man unterhalten will. Du schreibst: Die meisten meiner Geschichten haben keinen ernsten Kern, sondern dienen der Unterhaltung. Ich verlange von niemandem, betroffen dreinzuschauen, sobald nur die Buchstabenkombination HIV auftaucht. Aber sie für den puren Jux einzusetzen, zeugt in meinen Augen nicht gerade von Stilempfinden.

Dass du gut schreibst, kann kein Freibrief sein. Handwerkliches Können allein macht für mich noch keinen guten Autor. Es muss auch ein Bewusstsein dafür verhanden sein, wie Worte auch unter der Oberfläche wirken. Ich hoffe, du verstehst mich.

Grüße von blaustrumpf
 

pleistoneun

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Versteh dich jetzt besser, danke, werde bei heiklen Gesellschaftsthemen besser aufpassen. Der Schuss kann - wie du selbst sagst - nach hinten losgehen. Wollt ich net erreichen - will nur Positives verfassen.
Danke für die Anteilnahme. AUF EIN BESSERES *ggggg
 

Ohrenschützer

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Föhn Unkenhund

Hallo Pleistoneun,

also, ich hab die ersten zwei Worte gelesen und musste mich zwei Minuten später wieder mühsam auf den Stuhl zurückkämpfen, nachdem ich vor Lachen runtergefallen war. Föhn Unkenhund ist schlicht und ergreifend ein Weltklasse-Name!

Die absurde Vorstellung, dass jemand Käse an einer Stange in den Kugelhagel hält, ist Monty-Python-esk, und somit passend zum Namen. Ich hab mich anfangs sehr amüsiert.

Absatz II und III versanden dann ein bisschen; anders formuliert: um einiges kürzer hätt's auch gepasst! Trotzdem Geschmack getroffen, damit liebe Grüße und schönes Wochenende,
 

pleistoneun

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Doppeldanke

Auch dir ein großes Dankeschön, 1.) fürs Lesen und 2.) fürs wieder-auf-den-Sessel-zurückkämpfen-und-weiterlesen. *gg

Ich arbeite an der Kürze....
 



 
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